Festnahmen in Baden

Chats beweisen IS-Nähe: “Lieber für Allah sterben”

Österreich
25.11.2016 06:25

Knalleffekt im Kriminalfall um ein junges Paar, das vor Kurzem im niederösterreichischen Baden von Terrorismus-Bekämpfern verhaftet wurde. Den Verdächtigen wird, wie berichtet, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie Terrorfinanzierung und -rekrutierung vorgeworfen. Anders als zuerst vermutet, dürfte allerdings nicht Adam A. (25) seine Frau Zulihan J. (36) dazu gebracht haben, sich den Ideen des IS anzuschließen - sondern umgekehrt.

Am 6. September dieses Jahres wurde Adam A. von der Sondereinheit Cobra festgenommen. Ihm werden Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie Terrorfinanzierung vorgeworfen.

"Er ist psychisch krank"
Als krone.at nach seiner Verhaftung das erste Mal mit seiner Frau sprach, beteuerte sie, ihr Mann sei unschuldig. "Er ist psychisch krank", sagte sie damals. Fakt ist: Zwei Wochen nach unserem ersten Treffen verschickte sie selbst via WhatsApp ein IS-Propagandabild. Kurz darauf bat sie um einen weiteren Interviewtermin. Nochmals sprachen wir über Adam und die Anschuldigungen gegen ihn.

Seit sich Adam in Untersuchungshaft befindet, hatte seine Frau oft heimlich Kontakt zu ihm. Insgesamt 262-mal telefonierte das Terror-Paar miteinander, 131 versäumte Anrufe stammten von Adam.

Festnahme von Zulihan J.
Am 26. Oktober, dem Nationalfeiertag, stürmte die Eliteeinheit Cobra dann ein weiteres Mal die Wohnung in der Badener Mühlgasse. Zulihan wurde verhaftet, im Bademantel wurde sie um 7.30 Uhr abgeführt. Sie wurde in die Justizanstalt Wiener Neustadt eingeliefert, wo ihr Mann einsitzt. Weil aber Ermittler zur Erkenntnis gelangten, dass die beiden während Adams Untersuchungshaft miteinander kommuniziert hatten, wurde Zulihan sicherheitshalber in die Justizanstalt Eisenstadt verlegt.

Skype-Chatprotokolle sichergestellt
Durch die Auswertung eines Computers in der Wohnung des Paares gelang es den Ermittlern, Skype-Chatprotokolle sicherzustellen und anschließend zu übersetzen. Die beiden hatten Videos ausgetauscht, IS-Fantasien und Reiserouten diskutiert. Jetzt liegen die Protokolle des Terror-Paars vor. Die Konversationen hatten zwischen 2014 und 2015 stattgefunden, nach Adams Ankunft in Österreich endeten sie. Die Chats, in Summe etwa 8000, werden weiterhin ausgewertet.

Ist Zulihan die eigentliche Drahtzieherin?
Auffällig ist, dass Adam in den Unterhaltungen immer nur sporadisch antwortete. Die Staatsanwaltschaft vermutet daher, dass Zulihan zumindest teilweise für seine Radikalisierung verantwortlich ist. So schrieb sie ihm: "Dich glücklich zu sehen, heißt, dich im Paradies zu sehen." Wie die beiden einander im Millionenportal Skype "zufällig" kennengelernt hatten, wollte Zulihan in Gesprächen gegenüber krone.at nie genauer erklären.

Das Terror-Paar hatte jeweils mehrere Zugänge für Skype eingerichtet. Die Staatsanwaltschaft geht seit Anfang Oktober sogar davon aus, dass Milana B. (einer von Zulihans vier Skype-Benutzernamen) der echte Name von Zulihan J. sein könnte. Denn: In Unterhaltungen spricht Adam sie immer nur mit Milana an.

Gemeinsam in den Dschihad?
Die Unterhaltungen erhärten den Verdacht, dass sich Zulihan der Terrormiliz Islamischer Staat anschließen wollte: "Wenn es mir gelingt, fahre ich alleine nach Syrien weg. Durch Tschetschenien. In dieser Welt gibt es keine Wahrheit und wird es auch nicht geben. Lüge und Heulerei ist herum. Es gibt keine Liebe. Nichts gibt es. Das ist ein Ende. Lieber das Sterben für den Allah."

Mehrfach forderte sie ihren Mann via Skype auf, nach Syrien zu reisen und sein Versprechen einzulösen, nicht ohne sie zu reisen: "Ich werde bald nach Syrien fahren. Du kannst dich sowieso nicht entscheiden. Und es kann sein, dass du es sowieso bereust, dass du mir versprochen hast, dass du mitkommst."

Zulihan soll Adam immer wieder aufgefordert haben, im Zeitraum zwischen Dezember 2014 und März 2015 mit ihr in den Dschihad nach Syrien zu ziehen: "Falls du mich nicht anrufst, dann werde ich denken, dass du mich verlassen hast. Und dann kehre ich nach Tschetschenien zurück und von dort fahre ich nach Syrien weg."

Das Leben im Paradies
Zulihan wies oft darauf hin, eine Märtyrerin Allahs werden und im Paradies leben zu wollen. Das islamische Jenseits sei für sie das Wichtigste: "Mir ist viel wichtiger das Leben nach dem Tod. Meine wahre Schönheit ist dort. Falls das Schicksal es will, werden wir zusammen im Paradies sein." Ungläubige sollen - so meinte sie - mit Granaten und Waffen umgebracht werden: "Hier gibt es genug Stellen, wo man die Waffen kaufen kann. Wenn man das Geld hat, ist das kein Problem." Sie wirft Adam auch vor, im Diesseits leben zu wollen.

Beweise vernichtet
Im Zuge der Auswertung des Handys von Adam A. konnte festgestellt werden, dass Zulihan Chat-Verläufe sowie Fotos gelöscht hatte. Das soll sie auch per SMS an Adam kommuniziert haben. Die sichergestellten Nachrichten ab dem 17. September 2016 sollen darauf Hinweise geben.

Suchanfrage: Natriumnitrit
Auch der Internetverlauf des sichergestellten Computers war von Zulihan glattgebügelt worden. Trotzdem fand sich darauf nicht nur ein ausschlaggebender Internetverlauf, sondern auch dschihadistisches Propagandamaterial. Es soll mehrere Suchanfragen zur Chemikalie Natriumnitrit gegeben haben, die oft zur Herstellung von Sprengstoff verwendet wird. Zulihan im Chat: "Ach so Schatz, du studierst auch die Chemie."

"… und Buffff, :), Explosion"
Einmal sprach Zulihan sogar von einem Selbstmordanschlag: "Ich werde das Geld so auftreiben. Kaufe mir Sprengstoff, binde ihn um mich herum und gehe zum Verteidigungsministerium und Buffff, :), Explosion. Und dann gibt es mich nicht mehr auf dieser Erde." In der Einvernahme behauptete Zulihan, diese Sätze unter dem Einfluss von Medikamenten und Alkohol geschrieben zu haben.

"Erzähle niemandem mehr über meine Pläne"
Zulihan bat Adam, er solle niemandem von ihren Plänen berichten. "Einen Rat gebe ich dir auch. Erzähle niemandem mehr über meine Pläne. Über die Waffen und so weiter. Man kann dich im Stich lassen. Und dann nach vorsätzlicher Mord und Diebstahl anklagen. Man kann sagen, dass es nicht wenig von Zeit her, die du absitzen wirst. Also vorsichtig mit deinen Plänen. Du sollst zuerst lernen vorsichtig zu sein." Adam gab in seiner Einvernahme an, die Konversationen seien nur ein "Spaß" gewesen. Er soll aber laut Staatsanwaltschaft zumindest versucht haben, auch andere für den IS zu rekrutieren.

"Bajro" als Kontaktperson zum IS?
Es soll direkten Kontakt zu einem IS-Kämpfer in Syrien gegeben haben. Dieser soll Zulihan ein Bild geschickt haben: "Nimm das Foto an, das Bajro geschickt hat, wie sie dort leben. Schau sie machen dort Barbecue. Drauf sind die Menschen, die gekommen sind, um zu kämpfen. Dort gibt es Khalifat. Und sie leben nach Scharia. Um dort zu leben." Mit der Zeit nahm Zulihan verstärkt Kontakt zu ihm auf: "Schatz, ich habe mich jetzt gerade mit Bajro unterhalten. Stelle dir vor, von seinem Trupp sind viele im Dschihad getötet worden. 19 Getötete und 26 Verletzte. Es gibt dort einen Kanal, wie man dort hinkommt (vermutlich nach Syrien, Anm.). Später erzähle ich dir noch ein Geheimnis. Du brauchst keinen Mensch über nicht nichts zu fragen. Gut so? Alles zu seiner Zeit."

Zusätzlich beschrieb ihr "Bajro" die bestmögliche Route nach Syrien: "Übrigens, Bajro hat gesagt, dass man aus Bulgarien mit dem Bus hinfahren kann, der mit dem Flugzeug. Aber sag es niemandem. Falls man sich tatsächlich wünscht hinzukommen hat er Verbindung/Kontakte wie man es schafft. Er hat gesagt, dass er morgen eine Skype-Adresse registriert. Und er hat gesagt, dass er redet."

Gemeinsames Verfahren
Anwalt des Terror-Paares ist Wolfgang Blaschitz. Weil die belastenden Konversationen bereits aus der Zeit 2014/2015 stammen, reichte Blaschitz für Adam A. und Zulihan J. eine Haftbeschwerde beim Oberlandesgerichtshof ein. Jene für Adam wurde bereits abgewiesen, die Entscheidung bei Zulihan steht noch aus. Vor dem gemeinsamen Verfahren erfolgt am 14. Dezember noch die Einvernahme der Frau durch die Staatsanwaltschaft. Es gibt jedenfallstellung der beiden gegenüber dem Dschihad habe sich nicht verändert.

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