Freundin überfahren

“Weiß nicht, wie ich mit meiner Schuld leben soll”

Österreich
21.11.2015 16:44
Sie hatten eine Traumbeziehung. Privat. Und beruflich - als Schlager-Duo. Dann starb Stephanie S. bei einem mysteriösen Unfall. Wochenlang saß ihr Verlobter unter Mordverdacht in U-Haft. Nach seiner Entlassung spricht er nun in der "Krone".

Die Forsthütte, in der er bis zum vergangenen Sommer wohnte, "das Haus", wie Emanuel S. sagt, "in dem ich die beste Zeit meines Lebens verbracht habe", kann er jetzt nicht mehr betreten: "Das schaffe ich einfach nicht." Und der Waldweg, der dahin führt, sei für ihn "bloß noch ein Ort des Horrors". Seit dem 5. Juli 2015.

Emanuel S. überrollte damals, auf dieser einsamen Straße im niederösterreichischen Wolfsthal, mit seinem Chrysler Voyager seine Verlobte Stephanie S. Nach einer durchzechten Nacht bei einem Dorffest. Die 33-Jährige starb noch an der Unglücksstelle, "ich werde nie vergessen, wie sie blutend vor mir lag und ich nicht begreifen wollte, was geschehen war".

Zwei Monate in U-Haft
Stephanie S.' Tod wurde von der Polizei erst als Unfall diagnostiziert. Doch bei weiteren Erhebungen entstand bei den Fahndern zunehmend die Vermutung, die Frau könnte vorsätzlich umgebracht worden sein. Mehrere Zeugen hatten nämlich zu Protokoll gegeben, dass es in den Stunden vor dem Drama zwischen dem Paar zu einer heftigen Auseinandersetzung gekommen sei.

Bei einem Lokalaugenschein, vier Wochen nach der Tragödie, wurde der 30-Jährige unter Mordverdacht festgenommen. Beinahe zwei Monate verbrachte er in der Folge in U-Haft, dann lagen Gutachten vor, die ihn entlasteten. Und er kam frei. Und jetzt sitzt der Mann, der fast wie ein Junge wirkt, in der Kanzlei seines Anwalts Rudolf Mayer, und er weint und weint und weint.

"Ich habe nicht für meine Entlassung gekämpft"
Herr S., als Sie im Gefängnis saßen und die Möglichkeit bestand, dass Sie bei einem Prozess wegen eines Gewaltverbrechens schuldig gesprochen werden: Was ging da in Ihnen vor? - "Mir war egal, ob ich lebenslang hinter Gittern bleiben muss. Weil ich ja jedenfalls an Steffis Tod die Schuld trage. Und mein Leben sowieso keine Bedeutung mehr hat, ohne sie. Nein, ich habe nicht für meine Entlassung gekämpft, das hat nur mein Verteidiger getan."

Und jetzt? "Nichts ist anders geworden an meinen Gefühlen." Emanuel S. wisse nicht, wie er ohne seine Verlobte "weitermachen" soll, er wisse nicht, "was nun überhaupt noch meine Zukunft sein soll". Herr S., Sie sehen völlig anders aus als auf Fotos, die Sie mit Stephanie S. zeigen. Auf den Bildern von früher scheinen Sie älter, selbstbewusster... "Während der Beziehung mit Steffi war ich ein anderer Mensch geworden, irgendwie."

"Steffi weckte Träume in mir"
"Vor drei Jahren", erzählt der 30-Jährige, "hatten wir einander kennengelernt." In Wien, in einem Lokal. Sie, eine extrovertierte Frau mit abgeschlossener Schauspielausbildung und dem Vorhaben, eine bekannte Sängerin zu werden. Er, ein schüchterner Bursch, der keine besonderen Pläne hatte, sich seit der Matura mit Bademeister- und Kellner-Jobs über Wasser hielt.

"Ich war sofort beeindruckt von Steffi, ihrer Persönlichkeit, ihrer Ausstrahlung. Und ich war so glücklich, als sie eine Partnerschaft mit mir einging." Sie die Regie über ihn übernahm, "und Träume in mir weckte. Ich erinnere mich an einen ganz speziellen Augenblick: Wir saßen im Auto, ich sang bei einem Lied mit, das im Radio lief, und Steffi erklärte mir: 'Du hast eine tolle Stimme. Die ist ausbaubar.' Also wurden wir ein Schlager-Duo." Unter dem Bandnamen "Vox on the Rox" traten die zwei fortan bei Partys auf. Mit Heimat-, mit Pop-, mit Rockmusik. "Und wir waren erfolgreich."

So erfolgreich, dass sie sich 2014 ihren Wunsch, "ein Haus in völliger Abgeschiedenheit zu mieten", erfüllen konnten und dort mit ihren acht Hunden einzogen. Ihre Ziele, sonst? "Wir waren uns einig, keine Kinder zu kriegen. Trotzdem wollte ich unsere Beziehung offizieller machen." Mitte Juni begann Emanuel S., einen Verlobungsring aus Holz zu schnitzen, "mit einer Rose obendrauf". Als er ihn Stephanie S. wenige Tage vor ihrem Tod ansteckte und sie um ihre Hand bat, "sagte sie gleich 'Ja'. Und ich glaubte mich im siebten Himmel."

"Ich hatte einen Filmriss"
Der Tag, an dem die Tragödie geschah, die Nacht davor? "Wir waren bei einem Dorffest, tranken dort Alkohol, viel Alkohol." Wein, Bier, Schnaps. Dass seine Partnerin im Rausch mit anderen Männern flirtete, "davon habe ich nichts mitbekommen". Und an den Streit, den er mit ihr danach hatte, fehle ihm "auch jede Erinnerung". Genauso wie daran, dass sich Stephanie S. gegen 11 Uhr wankend zu Fuß auf den Heimweg machte; genauso wie an das Später - als er sich in seinen Chrysler setzte und über die Forststraße nach Hause fahren wollte. "Irgendwann in den Stunden davor hatte ich einen Filmriss." Bis zu dem Moment, "in dem ich unter meinem Auto eine Erschütterung spürte..."

Und Emanuel S. seine Verlobte überfuhr. "Im Vollsuff, ohne Absicht", wie Anwalt Rudolf Mayer immer wieder betont. "Mein Klient ist mit diesem Schicksal mehr bestraft, als das ein Gericht jemals tun kann." Unklar ist noch, ob die Staatsanwaltschaft den 30-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung oder wegen Mordes anklagen wird.

"In Gedanken rede ich mit ihr"
Sein Leben heute? Beinahe wie früher, wie vor seiner Beziehung mit Stephanie S. "Ich bin meistens alleine." Singen will er "nie wieder. Ich arbeite nun in einem Zoo-Fachgeschäft." Bei einem Psychologen macht er eine Trauma-Therapie. Und dauernd sei sie in ihm da, "diese unheimlich starke Sehnsucht, der Wirklichkeit zu entfliehen". Besonders abends, wenn er im Bett liege und ich mit Steffi rede. Sie um Verzeihung anflehe. Sie frage, wo sie jetzt ist. Ihr sage, wie sehr er sie liebe. "Und ich keine Antwort von ihr bekomme."

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