Import-Androide

Foto-Monster aus China: Lenovo Vibe Shot im Test

Elektronik
03.10.2015 09:00
Hierzulande kennt man Lenovo vor allem als PC-Hersteller, in China ist die Firma aber auch im Handy-Bereich eine große Nummer. Mit guter Hardware zum guten Preis hat es der Konzern bereits unter die Top-5-Handyhersteller der Welt geschafft, bei uns werden Lenovo-Smartphones aber nicht verkauft. Die Folge: Immer mehr Österreicher importieren. krone.at hat es ausprobiert, das Foto-Smartphone Lenovo Vibe Shot erstanden, sich über die seltsamen Software-Dreingaben des Händlers gewundert - und das Gerät getestet. Hier unsere Eindrücke.

Bevor wir uns dem Vibe Shot zuwenden, zunächst ein paar generelle Infos zu Import-Geräten aus China: Wir haben unser Exemplar des Lenovo-Smartphones über den internationalen Online-Shop Aliexpress des chinesischen Online-Handelsriesen Alibaba bestellt. Dabei handelt es sich um eine Website, die mit eBay vergleichbar ist. Der Betreiber vermittelt Kunden an Verkäufer, wickelt die Zahlung ab, ermöglicht die Bewertung des Händlers und bietet einen Käuferschutz an. Versendet wird die Ware also von chinesischen Elektronikhändlern und nicht von Alibaba selbst.

Beim Import gibt's viel zu beachten
Die Folge: Wer zum Import-Smartphone greift, sollte gewisse Regeln befolgen. Die Händlerbewertungen vor dem Kauf genau zu studieren, sich über die Versandkosten zu informieren und zusätzliche Kosten wie etwa die Einfuhr-Umsatzsteuer zu berücksichtigen, ist wichtig. Hinzu kommt, dass man sich Gedanken machen sollte, was man mit einem China-Smartphone im Schadensfall macht: Lenovo beispielsweise ist zwar in Europa aktiv, die Garantieabwicklung bei einem hierzulande nicht verfügbaren Smartphone wie dem Vibe Shot wird aber nicht angeboten. Bei Problemen muss man sich also an den Verkäufer wenden - und der ist Tausende Kilometer weit weg.

Ist man sich der Risiken bewusst und entscheidet sich trotzdem für den Import, muss man mit relativ langen Versandzeiten rechnen. Drei, vier Wochen kann ein Packerl aus China durchaus unterwegs sein, bis es beim Empfänger eintrifft – es sei denn, man wählt teurere Versandoptionen wie DHL aus. Man sollte außerdem damit rechnen, dass die Software auf dem Import-Gerät sich – auch wenn es im Kern Android ist – erheblich von gewohnten Benutzeroberflächen unterscheidet. Bei Lenovo beispielsweise hat Android – ähnlich wie bei Huawei-Geräten – keine App-Übersicht, es landen alle Programme am Startbildschirm. Nicht jeder Nutzer dürfte das übersichtlich finden. Hinzu kommt: Manche Händler scheinen Ad- und Spyware auf den angebotenen Geräten vorzuinstallieren.

Foto-Monster mit Dreifach-Blitz
Jetzt aber zum eigentlichen Gerät: Das Lenovo Vibe Shot ist ein Android-Smartphone der gehobenen Mittelklasse, das vor allem mit seiner Kamera bei den Nutzern punkten will. Es bietet für rund 350 Euro inklusive Einfuhr-Umsatzsteuer eine 16-Megapixel-Kamera mit optischer Bildstabilisierung, Laser-Autofokus und starkem Dreifach-LED-Blitz. Features wie ein physischer Kamera-Auslöser, ein Schalter zum Wechsel zwischen Automatik- und manuellem Aufnahmemodus und das Gehäuse im Kompaktkamera-Look unterstreichen den Anspruch als Foto-Smartphone ebenso wie die Selfie-taugliche Frontkamera mit acht Megapixeln Auflösung.

Was sonst noch im Vibe Shot steckt, zeigt die Tabelle:

Lenovo Vibe Shot

CPU

Snapdragon 615; 4 x 1,7 + 4 x 1 GHz Octa-Core

RAM

3 GB

Diagonale

5 Zoll

Auflösung

1.920 x 1.080 Pixel

Speicher

32 GB

microSD-Slot

bis 128 GB

Hauptkamera

16 Megapixel; Optischer Bildstabilisator; Dreifach-LED-Blitz; Laser-Autofokus; Physischer Auslöser und Motiverkennung;

Frontkamera

8 Megapixel

Funk

LTE, N-WLAN, Bluetooth 4.1, GPS

Maße

142 x 70 x 7,3 Millimeter; 145 Gramm

Akku

3.000 mAh

Extras

Dual-SIM
Metall-Glas-Gehäuse

Software

Android 5.0.2 mit Lenovo-GUI

Preis

rund 350 Euro

Genug Power für den Alltag
Die Tabelle zeigt: Für 350 Euro ist das Vibe Shot ein ziemlich gut ausgestattetes Gerät. Der flotte Qualcomm-Achtkerner gehört zwar nicht zur absoluten CPU-Spitzenklasse, reichte im Test aber jederzeit, um Android flüssig darzustellen. Apps starten schnell, optisch opulentere Games à la "Asphalt 8" laufen weitgehend ruckelfrei. Der großzügig bemessene Arbeitsspeicher sorgt dafür, dass das Vibe Shot beim Multitasking nicht ins Stottern kommt.

Bei Benchmark-Tests schneidet das Lenovo-Smartphone relativ gut ab. Mit 37.000 bis 40.000 Punkten im AnTuTu-Benchmark hat es zwar nicht ganz so viel Power wie teurere Geräte mit Qualcomms Snapdragon-810-Flaggschiff (50.000 bis 55.000 Punkte), es bleibt unter Last aber auch kühler. Mit der aktuellen Android-Referenz Samsung Galaxy S6 (65.000 bis 70.000 Punkte) kann es ebenfalls nicht mithalten. Trotzdem: Für den Alltag ist das Vibe Shot mit seinem Snapdragon 615 mehr als ausreichend gerüstet.

Grundsolides Full-HD-Display
Das Display weiß ebenfalls zu gefallen. Dank Full-HD-Auflösung stellt es Bilder und Videos schön detailreich dar, Text ist klar lesbar. Die seitliche Ablesbarkeit ist gewährleistet, die maximale Helligkeit reicht auch für den Außeneinsatz aus. Spiegeln tut die kratzfeste Glasscheibe an der Front freilich trotzdem. Farben werden relativ natürlich dargestellt, der Kontrast geht ebenfalls in Ordnung. Alles in allem gibt's am Display angesichts des erschwinglichen Preises nichts auszusetzen.

Starke Kamera mit vielen Extras
Die Kamera spielt ebenfalls auf sehr hohem Niveau. Zwar dürfte die Kamera-App für unseren Geschmack etwas schneller starten, und auch beim Scharfstellen und Auslösen gönnt sich das Vibe Shot etwas mehr Bedenkzeit als etwa das Galaxy S6, die Ergebnisse überzeugen aber. Unter Tageslicht-Bedingungen gelingen detailreiche und scharfe Fotos mit natürlichen Farben, Verwackler sind durch die optische Bildstabilisierung selten.

Im Schlechtlicht punktet das Vibe Shot mit dem Laser-Autofokus und seinem ausgesprochen potenten Dreifach-LED-Blitz, der durch verschiedenfarbige LEDs ein relativ natürliches Licht auf das Motiv wirft. Wer im Zwielicht auf den Blitz verzichtet, erfreut sich ebenfalls an gelungenen Bildern, muss aber mit nachlassender Schärfe und etwas Bildrauschen leben. Die Videoqualität in Full-HD ist solide, die Frontkamera ist für Selfies mehr als ausreichend. Alles in allem ist das Vibe Shot über weite Strecken imstande, die Kompaktkamera zu ersetzen. Einige Probefotos in Originalauflösung finden Sie auf unserer Flickr-Seite.

Vielseitige Kamera-App mit Motiverkennung
Lob gebührt Lenovo für die gelungene Kamera-App. Sie bietet zwei verschiedene Nutzungsmodi, die per Schieberegler am Gehäuse gewechselt werden können. Im intelligenten Automatikmodus glänzt das Gerät mit einer Motiverkennung, die automatisch die richtigen Einstellungen für die jeweilige Lichtsituation trifft und – etwa bei Portraits – sogar Spielereien wie das geschätzte Alter und einen Lächel-Index des Fotografierten einblendet. Das funktioniert in der Praxis recht zuverlässig, auch wenn es hin und wieder etwas dauert, bis das Gerät eine Szene richtig erkannt hat.

Im Pro-Modus darf der Nutzer selbst Belichtungszeit, ISO-Empfindlichkeit, Weißabgleich und Schärfe einstellen, alternativ stehen hier auch Motivprogramme zur Verfügung – zum Beispiel ein HDR-Modus, Modi für Lichtspuren bei Nacht oder Panoramaaufnahmen. Für Selfie-Fotografen stehen Spielereien wie ein Haut-Weichzeichner bereit. Kleines Manko: Selten genutzte Funktionen in der Kamera-App – etwa ein Overlay, mit dem sich zwei Nutzer für das optimale Selfie aufstellen können – wurden nicht optimal übersetzt. Selten, aber doch stößt man auf chinesische Schriftzeichen.

Funkausstattung teils etwas dürftig
Die restliche Ausstattung des Vibe Shot ist solide: Der erweiterbare Speicher ist ebenso ein Pluspunkt wie die Dual-SIM-Fähigkeit des Geräts. WLAN ist leider nur im N-Standard an Bord, was Besitzer eines schnellen Gigabit-Routers womöglich stören könnte. Bluetooth ist in Version 4.1 vorhanden, NFC fehlt allerdings.

Vernünftige Akkulaufzeit, saubere Verarbeitung
Der Akku ist mit einer Kapazität von 3.000 Milliamperestunden ausreichend groß dimensioniert und bringt das Vibe Shot ohne Probleme durch einen Tag. Bei sparsamer Nutzung schafft das Gerät auch einen zweiten Tag, die meisten Nutzer dürften es aber nach einem Tag Betrieb soweit ausgelaugt haben, dass sie es über Nacht zum Stromtanken an der Steckdose parken. Schade: Der Akku kann nicht getauscht werden.

Verarbeitungsqualität überzeugt
Die Verarbeitungsqualität des Vibe Shot überzeugt. Das Gerät kommt im Metallrahmen, die Vorder- und Rückseite ist mit kratzfestem Glas bedeckt, was eine gewisse Angriffsfläche für Fingerabdrücke mit sich bringt. Verarbeitungsmängel konnten wir am Testgerät nicht entdecken, auch ließ sich das Gehäuse unseres Exemplars nirgends eindrücken. In einer durchschnittlich großen Männerhand liegt das Vibe Shot trotz fünf Zoll Diagonale gut, die Gehäusekanten könnten manchen Nutzern aber zu scharf geraten sein. Generell gilt: Optisch und haptisch macht das Gerät für ein Handy dieser Preisklasse einiges her.

Gerät vom Händler mit Adware "vorkonfiguriert"
Während die Hardware des Vibe Shot im Test einen sehr guten Eindruck hinterlassen hat, waren wir mit der Software nur bedingt zufrieden. Und das lag nur zum Teil daran, dass unser Gerät vom chinesischen Versandhändler bereits "vorkonfiguriert" zu uns kam – gerootet und inklusive Adware, die wir – ebenso wie die vorhandene Bloatware – erst wieder vom Gerät löschen mussten.

Ungewohnte Android-Optik lässt sich beheben
Dass uns die Software nicht sonderlich gefallen hat, liegt auch darin begründet, dass Lenovo Android stark an die Wünsche der chinesischen Kundschaft angepasst und keinen allzu großen Wert auf die Übersetzung ins Deutsche gelegt hat. Eine App-Übersicht fehlt, Anwendungen landen zwangsweise am Startbildschirm. Am Sperrbildschirm sind selbst in der deutschen Version vereinzelt chinesische Schriftzeichen zu sehen, und die E-Mail-App ist für chinesische Mailkonten optimiert. Angesichts dessen, dass es sich um ein Gerät für den chinesischen Markt handelt, ist das verständlich und dem Hersteller nicht vorzuwerfen. Europäische Anwender wird es trotzdem stören.

Die Lösung: Mit alternativen Launchern wie dem Nova Launcher und einem Lockscreen-Ersatz aus dem Play Store sowie alternativen E-Mail-Clients wie Outlook ist das Gerät in relativ kurzer Zeit an die eigenen Vorlieben angepasst und einsatzbereit. Android-Kenner können das Interface also ohne Probleme auswechseln und das Gerät an ihre Wünsche anpassen.

Fazit:Import sollte gut überlegt sein
Auf der Hardware-Seite ist das Lenovo Vibe Shot ein richtig gutes Gerät: Es hat genug Power für den Alltag und wartet mit einem scharfen Display, sehr guter Kamera, adäquater Akkulaufzeit und hoher Verarbeitungsqualität auf – zu einem recht vernünftigen Preis. Auf der Software-Seite zeigt sich aber, dass der Import von Android-Geräten aus China seine Tücken haben kann.

Smartphone-Profis, die wissen, wie man Android optisch an die eigenen Bedürfnisse anpasst und unerwünschte Dreingaben entfernt, werden sich daran nicht stören und wohl auch etwaige Probleme im Garantiefall in Kauf nehmen. Durchschnittsnutzer sollten sich dessen aber bewusst sein und sich den Import eines China-Smartphones gut überlegen – selbst wenn das Preis-Leistungsverhältnis noch so attraktiv erscheint.

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