Nomenklatur-Spiel

Das Coupé der Mercedes-E-Klasse im Test

Motor
12.03.2010 17:51
Das ist mal wieder ein Auto, das ich mir gerne in die Auffahrt stelle. Dass mich der Nachbar fragt, ob mein Vater zu Besuch ist, ordne ich dem Neidfaktor zu. Der Mercedes E 350 CGI strahlt kein Understatement aus. Wozu auch? Er ist ein Coupé von zeitloser Eleganz (check das in zehn und 20 Jahren ruhig ab), sogar das Heck ist stimmiger als beim zugehörigen Viertürer. Und allein die Extras des Testwagens kosten rund 20.000 Euro…
(Bild: kmm)

Dabei ist im Listenpreis von knapp 60.000 Euro schon eine Menge drin: sieben Airbags, Müdigkeitsassistent (serviert kurz vor dem Einschlafen eine Tasse Kaffee ins Display), Presafe-System (bereitet alles auf einen geschmeidigen Einschlag vor), aktive Kopfstützen, eine famose, weil sanfte 7-Gang-Automatik – aber hören wir auf, Erbsen zu zählen. Hier zählt die Ausstrahlung des edlen Coupés!

Wie es sich gehört, sind die Seitenscheiben komplett versenkbar, ohne störende B-Säule. Okay, zumindest fast komplett, an der C-Säule bleibt ein gläsernes Eck stehen, das Puristen ein Dorn im Auge ist. Rechnen wir es mit dem besten cW-Wert eines Serienautos überhaupt (cW 0,24) auf und sagen wir: Umweltfreundlichkeit ist das Zeichen der Zeit (als Nebeneffekt läuft sogar das Einstiegsmodell mit 204 Diesel-PS abgeregelte 250 km/h).

Man sollte beim Parken die Fenster öfter mal offen lassen, dann bleiben keine Spuren von plattgedrückten Nasen auf den Scheiben – und der Nachbar hätte noch besser gesehen, wie elegant es im Innenraum zugeht. Allein der kleine Balken mit der Chromapplikation, mit dem man die Heizung/Lüftung bedient, ist ein Genuss – und dazu so praktisch, dass sich andere Premiumhersteller ein Beispiel daran nehmen könnten.

Spritztour mit dem E- bzw. C-Klasse-Coupé
Für die Ausfahrt bleiben die Scheiben aber besser oben (es hat 5 Grad unter Null), mit dem schönen Balken stelle ich die Temperatur auf Maximum, desselbigengleichen die optionale Sitzheizung (auch Sitzlüftung wäre an Bord). Der Gurtbringer waltet seines Amtes, sodass ich mich nicht verrenken muss, um mich anzuschnallen (nur das Quietschen der Gurtrolle befremdet mich in einem Auto dieser Preisklasse etwas).

Der 3,5-Liter-Sechszylinder-Direkteinspritzer Benziner ist im Leerlauf kaum wahrnehmbar, auch im unteren Drehzahlbereich. Während der Motor bei sanfter Fahrt auf Betriebstemperatur kommt, lasse ich den Innenraum auf mich wirken. Es fühlt sich alles enger an als in der E-Klasse-Limousine. Das ist keine Täuschung, es IST alles enger und kleiner, alleine in der Innenraumbreite fehlen einige Zentimeter, und das merkt man. Die Platzverhältnisse entsprechen in etwa der C-Klasse (Kofferraum E Coupé 450 l, C-Klasse 475 l, E-Klasse 540 l), der Radstand sogar exakt – alles klar?

Die Rücksitze entziehen sich meiner Wahrnehmung komplett, der Wagen fühlt sich wie ein Zweisitzer an, obwohl man die zweite Reihe durchaus anbieten kann, zumindest für die Fahrt in den Nachbarort. Aber die Platzverhältnisse sind in den seltensten Fällen ausschlaggebend, wenn man sich ein Coupé leistet.

Ein adäquater Motor ist da schon wichtiger, wie der 350 CGI BlueEFFICIENCY: 292 PS, satte 365 Nm zwischen 3.000 und 5.100/min., das reicht für mehr als souveränen Auf- und Antritt. 6,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h, dazu ein Normverbrauch von 8,5 l/100 km. Nicht schlecht! Im Test werden im Schnitt knapp 11 Liter durch die Leitungen geflossen sein, bei widrigen Temperaturen und lockerem Gasfuß.

Das Fahrwerk ist straffer als in der Limousine, so muss das auch sein. Wobei ich nicht von hart sprechen möchte, auch nach dem Drücken der Sporttaste in der Mittelkonsole (wo sie etwas deplatziert wirkt). Das Fahrwerk passt so gut zum Mercedes-Coupé, dass die Luftfederung der Limousine hier gar nicht erst angeboten wird. Die Charakteristik der Lenkung muss man mögen, trotz Parameterlenkung ist das Gefühl immer etwas schaumgebremst. Aber das weiß man, wenn man sich für einen Mercedes entscheidet.

Bei meiner Rückkehr steht der Nachbar wieder da, jetzt sollte ich besonders lässig aussteigen. Ich fahre die leicht ansteigende Auffahrt hinauf, stelle den Motor ab, trete die anachronistische Fuß-Feststellbremse, öffne die Tür – und ärgere mich wieder mal über ein altes Mercedes-Problem: Warum kann die Tür nicht einfach offen bleiben? So steil ist der Berg hier auch nicht! Sie hält nicht einmal in der ersten Rasterstufe und fällt unablässig zu. Cool aussteigen also abgehakt. Vorerst. Es zahlt sich aus, diesen Auftritt zu üben…

Stephan Schätzl

Warum?

  • Das Monolithische dieses Mercedes-Coupés.
  • Die Souveränität, die den Fahrer ergreift (außer auf winterlichen Straßen).

Warum nicht?

  • Die Fahrerei – insbesondere die Lenkung -  ist für ein Coupé etwas zu indirekt.
  • Das Image, dass der Fahrer ein mehr als mittleres Alter erreicht hat.

Oder vielleicht …

  • … den 8-Zylinder mit 388 PS? Oder den 204-PS-Diesel mit 5,1 l/100 km Normverbrauch?
  • Wenn man ein Mercedes-Coupé will, stellt sich die Frage nach Audi A5 oder BMW nicht. Und nach anderen Marken erst recht nicht.
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(Bild: kmm)



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