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Huawei P20 Pro: Sind drei Kameras besser als eine?

Digital
20.04.2018 12:33

Der chinesische Mobilfunk-Riese Huawei hat mit seiner P-Serie seit Jahren taugliche Oberklasse-Smartphones im Sortiment. Der jüngste Familienzugang ist aber etwas ganz Besonderes, handelt es sich beim P20 Pro doch um das erste Smartphone mit KI-unterstützter Dreifach-Kamera. Aber sind drei Kameras wirklich besser als eine? Und was für eine Figur macht Huaweis Top-Gerät abseits seiner Fotoqualitäten? Wir haben es uns angesehen - und auch das eine oder andere Haar in der Suppe gefunden, das es bei den Vorgängern noch nicht gab.
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Drei gemeinsam mit Leica entwickelte Kameras, künstliche Intelligenz als Foto-Assistent: Huawei wurde vor der Markteinführung des P20 Pro nicht müde, die Fotoqualitäten seines neuen Android-Flaggschiffs zu betonen. Welchen Beitrag der KI-Koprozessor dabei leistet, ist zwar Gegenstand von Diskussionen.Tatsächlich hat es das P20 Pro aber im Kameravergleich der Spezialisten von DxOMark ganz an die Spitze der Smartphones geschafft. Das P20 mit „nur“ zwei Kameras kommt vor Samsungs Galaxy S9 Plus (ebenfalls zwei Kameras) auf den zweiten Rang.

Bevor wir uns eingehend der Kamera-Performance widmen, werfen wir zunächst einen Blick auf die im P20 Pro verbaute Hardware:

Huawei P20 Pro

CPU

HiSilicon Kirin 970: 4 x 2,36 + 4 x 1,8 GHz; „NPU“-Koprozessor für KI-Berechnungen

RAM

6 GB

Diagonale

6,1 Zoll

Auflösung

2240 x 1080 Pixel (AMOLED)

Speicher

128 GB

microSD-Slot

nicht vorhanden

Hauptkameras

40 Megapixel (F/1.8)
20 Megapixel (F/1.6, monochrom)
8 Megapixel (F/2.4, Dreifach-Zoom)
Kontrast-, Laser- & Phase-Detection-Autofokus; Optische Bildstabilisierung; Dual-LED-Blitz

Frontkamera

24 Megapixel (F/2.0)

Funk

LTE, Gigabit-WLAN, Bluetooth 4.2, NFC, Infrarot, GPS, GLONASS, BeiDou

Maße

155 x 73,9 x 7,8 Millimeter; 174 Gramm

Akku

4000 mAh

Extras

Wasserfest (IP67)
Glas-Metall-Chassis
Fingerscanner (vorne)
Stereolautsprecher
Dual-SIM

Software

Android 8.1

Preis

ca. 850 Euro


Der Kirin-970-Chip der Huawei-Prozessortochter HiSilicon macht im Alltag einen guten Job, stellt das Android-Betriebssystem flüssig dar, startet Apps schnell und gibt sich in Kombination mit dem großen Arbeitsspeicher auch beim Multi-Tasking keine Blöße. Der KI-Koprozessor ist ein nettes Extra, das vor allem beim Fotografieren praktische Features bereitstellt. Für Games ist der Kirin 970 ebenfalls gut geeignet, allerdings haben bei der 3D-Leistung die Rivalen von Qualcomm und Samsung knapp die Nase vorn.

Jagt man den Huawei-Chip durch den Benchmark-Belastungstest AnTuTu, kann er mit einem Ergebnis von knapp 210.000 Punkten nicht ganz mit Qualcomms Snapdragon 845 oder Samsungs Exynos 9 mithalten, die beide bei 250.000 Zählern und mehr zu liegen kommen. Wir sprechen hier freilich über Leistungsunterschiede, die bei der alltäglichen Nutzung kaum zu bemerken sind.

Tolle Tageslicht-Fotos, praktischer Zoom
Jetzt aber ans Eingemachte: die Foto-Performance. Hier erzielt Huawei mit seinem Dreifachkamera-Gespann mit Leica-Branding in der Tat sehr gute Ergebnisse. Bei Sonnenschein sowieso: Hier schafft das P20 Pro scharfe und detailreiche Schnappschüsse mit strahlenden Farben. Die zusätzlichen Kameras ermöglichen dabei hübsche Unschärfeeffekte, wie man sie von Systemkameras kennt. Durch die enorm hohe Auflösung von 40 Megapixeln lassen sich Bilder im Bedarfsfall noch gut zuschneiden. Will man weiter entfernte Objekte ablichten, ist die Kamera mit optischem Dreifach-Zoom (digital: Fünffach-Zoom) gefragt. Sie ist zwar nicht so auflösungs- und lichtstark wie ihre beiden Mitstreiter, dafür gleicht sie die Zoomschwäche, die heutige Smartphones plagt, geschickt aus.

Stark im Zwielicht, flotter Autofokus
Im Zwielicht liefert das P20 Pro unserem Empfinden nach trotz extragroßem Sensor nicht ganz so saubere Ergebnisse wie das noch lichtstärkere Samsung Galaxy S9 (Plus), das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Huaweis Dreifachkamera auch in der Dämmerung noch hinreichend helle und detailreiche Fotos macht. Für Nachtaufnahmen gibt es überdies einen speziellen Modus, bei dem lange Belichtungszeit mit KI-Bildverbesserung kombiniert wird. In nahezu völliger Dunkelheit stößt der zwar an seine Grenzen und produziert Nachbearbeitungsartefakte und vereinzelte Unschärfen, mit ruhiger Hand und bei ausreichend Restlicht gelingen damit aber schöne Bilder.

Gut gefallen an der P20-Pro-Kamera haben uns nebst ihrer Fotoqualitäten auch der flotte Autofokus, die Videoaufnahme inklusive leider etwas schwer im rechten Moment zu aktivierender 960-fps-Zeitlupe in 720p, ein Profi- und der Schwarzweißmodus. Dass der sich in der Kamera-App ein bisschen versteckt, ist angesichts der guten Ergebnisse der 20-Megapixel-Schwarzweißkamera, vor allem bei schlechtem Licht, unglücklich. Bei früheren P-Modellen war er leichter zu finden.

Motiverkennung und KI-Bildoptimierung
Eine praktische Dreingabe ist die Unterstützung durch den KI-Prozessor. Er verbessert Bilder etwa, indem er die Kontrastinformationen der Schwarzweißkamera mit den Aufnahmen der Farbkamera zu einem rauschärmeren Bild kombiniert, unterstützt die optische Bildstabilisierung im Kampf gegen Verwackler und bietet eine recht flotte und zuverlässige Motiverkennung, bei der das Gerät automatisch die korrekten Fotoeinstellungen trifft. Erkennt der KI-Chip ein Lächeln, kann man die Kamera automatisch auslösen lassen. Erkennt er ein Gruppenfoto, hilft er mit Hilfseinblendungen bei der Auswahl des optimalen Bildausschnittes. Insgesamt ist der KI-Chip sicher nicht allein verantwortlich für die insgesamt sehr gute Foto-Performance des P20 Pro, er ist aber eine nettes Extra.

Die Frontkamera mit ihren stattlichen 24 Megapixeln Auflösung macht ebenfalls einen weitgehend guten Job, neigt bei hellem Kunst- oder Tageslicht aber bisweilen zur Überbelichtung. Dafür knipst sie auch bei gedimmtem Licht noch gute Selfies - inklusive Weichzeichnungseffekt, wenn man mag.

Sehr gutes AMOLED-Display im 19:9-Format
Angesichts der insgesamt sehr guten Kamera ist es nur konsequent, dass Huawei dem P20 Pro auch ein ansprechendes Display spendiert hat. Über die Ästhetik der an Apples iPhone X erinnernde Aussparung an der Oberkante kann man debattieren, über die gute Bildqualität nicht. Dank AMOLED-Technologie bietet das P20-Pro-Display sattes Schwarz, viel Kontrast und strahlende, tendenziell eher warm dargestellte Farben. Die seitliche Ablesbarkeit überzeugt, die maximale Helligkeit sollte auch draußen ausreichen. Die Schärfe ist vollkommen ausreichend, man erkennt keine Einzelpixel. Durch die schmalen Ränder wird der verfügbare Platz optimal ausgenutzt, mit knapp über sechs Zoll Diagonale ist das P20 Pro aber nicht gerade handlich - trotz prinzipiell ergonomischem 19:9-Seitenverhältnis.

Rutschig in der Hand, beliebte Features fehlen
Die Handling-Problematik verschärft sich, weil das P20 Pro mit seiner Glasrückseite eher rutschig als griffig in der Hand liegt und somit im Alltag vermutlich gerne mal aus selbiger rutscht. Dann wird es schnell teuer: Weil Vorder- und Rückseite des P20 Pro aus Glas bestehen, ist ein Sturz mit ziemlicher Sicherheit mit einer Reparatur verbunden, die wiederum eher mühselig und nur vom Fachmann zu bewerkstelligen ist. Dass die Kamera sichtbar aus dem Gehäuse hervorsteht, könnte zudem Kratzer an den Linsen begünstigen.

Davon abgesehen ist das P20 Pro ein hübsches Gerät, das dank Stereolautsprechern gut klingt und dank zuverlässigem Fingerscanner flott entsperrt ist. Das wasserfeste Glasgehäuse mit seinem Metallrahmen ist steif, das spiegelnd-färbige Glas macht - wenngleich anfällig für Fingerabdrücke - viel her. Angesichts der Zerbrechlichkeit des Geräts sollte man allerdings trotzdem eine Hülle in Betracht ziehen.

Keine Audioklinke, keine Speicherkarten
Minuspunkte sammelt das Huawei P20 Pro bei der Ausstattung, hat man sich doch leider nicht nur bei der Displayaussparung an Apple orientiert, sondern auch in iPhone-Manier den Kopfhöreranschluss und den Speicherkarten-Slot gestrichen. Ein Adapter von USB-C auf 3,5-Millimeter-Klinke liegt zwar bei und der interne Speicher ist mit 128 Gigabyte Kapazität durchaus großzügig bemessen. Trotzdem dürfte das Fehlen dieser beiden Features manche Interessenten zum Rivalen Samsung treiben, wo sowohl Kopfhörerklinke als auch Speicherkartenslot nach wie vor angeboten werden.

Dicker Akku mit 4000 mAh Kapazität
Einen positiven Eindruck hinterlässt der dicke Akku des P20 Pro. Mit ihm sollten selbst Intensivnutzer durch den Tag kommen, die viel mit dem P20 Pro fotografieren. Sparsamere Naturen holen auch zwei Tage Betrieb aus dem Gerät. Die große Ausnahme bilden wie bei allen aktuellen Smartphones Vielspieler. Games à la „PUBG Mobile“ verlangen dem Gerät viel ab und leeren den Akku deutlich schneller. Wer mehrere Stunden pro Tag spielt, könnte also selbst mit dem dicken Akku des P20 Pro bisweilen zur Powerbank greifen müssen.

Software hinterlässt gemischten Eindruck
Bei der Software hat das P20 Pro einen gemischten Eindruck bei uns hinterlassen. Optisch operiert man prinzipiell nah am Android-Designstandard, bietet den Nutzern etwa die Möglichkeit, ein App-Menü zwecks besserer Übersicht zu nutzen. Es gibt nette Extras wie eine Universalfernbedienungs-App, die Gebrauch vom Infrarot-Sender an der Geräteoberseite macht.

Gleichzeitig hat Huawei allerdings auch über die notwendigen Anpassungen hinausgehende Bloatware vorinstalliert - etwa ein eigenes Übersetzungsprogramm und eine Video-App. Im Test verhinderte Huaweis Android-Interpretation bisweilen aus nicht nachvollziehbaren Gründen App-Installationen aus dem Google Play Store. Außerdem hat man die Menüstruktur stark modifiziert, weshalb selbst Android-Kenner bisweilen eine Weile suchen müssen, bevor sie die gewünschte Einstellung finden.

Fazit: Huaweis P20 Pro lockt mit einer ausgesprochen vielseitigen und mächtigen Kamera, mehr als genug Power, ansprechendem Äußeren, langer Laufzeit und einem sehr guten Display. Angesichts dieser Stärken ist es doppelt schade, dass Huawei wegen des fehlenden Kopfhöreranschlusses und Speicherkartenslots Punkte liegen lässt. Wer diese Features nicht vermisst, findet im P20 Pro eines der derzeit besten Android-Smartphones. Wer Wert darauf legt, wird bei der Konkurrenz aus Südkorea glücklicher.

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