Unruhen drohen

Libanon ohne politische Führung

Ausland
24.11.2007 10:03
Mit Ablauf der Amtszeit des syrientreuen Präsidenten Emile Lahoud (Bild) ist der Libanon ohne Staatsoberhaupt. Lahoud wurde am Freitag um Mitternacht in Beirut mit militärischen Ehren verabschiedet, ohne dass sich Regierung und Opposition auf seinen Nachfolger geeinigt hätten. Wenige Stunden zuvor hatte Lahoud erklärt, dass die Armee nun für die Sicherheit im Land verantwortlich sei. Die Regierung um den syrienkritischen Ministerpräsident Fuad Siniora hat die Anweisung für unrechtmäßig und nichtig erklärt. Beobachter fürchten, dass angesichts des Machtvakuums Unruhen ausbrechen.

Am Freitag hatten bereits Soldaten und Panzer an allen wichtigen Kreuzungen Stellung bezogen. Nach Angaben des Korrespondenten des Nachrichtensenders Al Jazeera sind 20.000 Soldaten im Einsatz. Die Präsidentenwahl im Parlament war am Freitag zum fünften Mal verschoben worden und ist nun für Freitag kommender Woche angesetzt.

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon mahnte beide Seiten zur Ruhe. Nach der erneuten Verschiebung der Wahl eines Präsidenten müssten nun alle Parteien ihrer Verantwortung gerecht werden und auf friedlichem wie demokratischem Wege nach einem Kompromiss suchen, teilte Bans Sprecherin am Freitagabend mit. Die Europäische Union rief die Konfliktparteien ebenfalls auf, die Blockade zu überwinden und sich auf einen Kompromisskandidaten für das Amt des Staatsoberhaupts zu einigen.

Libanon droht Ausnahmezustand
Nach der fünften Verschiebung der Präsidentenwahl im Libanon hat das scheidende Staatsoberhaupt Emile Lahoud die Verantwortung für die Sicherheit im Land der Armee übertragen. Es könnte der Ausnahmezustand ausgerufen werden müssen, begründete Lahoud am Freitagabend seine Entscheidung. Deshalb habe er das Militär damit beauftragt, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Das Kabinett hat dagegen angekündigt, gemäß der Verfassung die Aufgaben des Präsidenten zu übernehmen.

Parlamentspräsident Nabih Berri hatte die Wahl für einen neuen Präsidenten zuvor auf den 30. November vertagt, weil sich die pro-westlichen Kräfte um Ministerpräsident Siniora und das syrientreue Lager um die radikal-islamische Hisbollah nicht auf einen gemeinsamen Nachfolgekandidaten einigen konnten. Damit ist das Land für mindestens eine Woche ohne Staatsoberhaupt. Ohne einen Konsens der rivalisierenden Gruppierungen fürchten viele Libanesen ein Wiederaufflammen des Bürgerkriegs, der von 1975 bis 1990 in dem Nahost-Land tobte.

Lahoud ruft zur schnellen Einigung auf
Ex-Präsident Emile Lahoud hat inzwischen an seine Landsleute appelliert, die politische Krise im Land schnell zu überwinden. Die Libanesen müssten sich zügig auf ein neues Staatsoberhaupt einigen, da die bestehende Regierung illegitim sei, sagte Lahoud in der Nacht zum Samstag beim Verlassen des Präsidentenpalastes. Sollte es keine baldige Lösung geben, werde das Land einen hohen Preis zahlen, warnte der pro-syrische Politiker.

Das US-Außenministerium gab inzwischen eine offizielle Warnung für amerikanische Staatsbürger im Libanon heraus. Es sei "sehr wahrscheinlich", dass es zu Demonstrationen und möglicherweise auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen komme, hieß es am Freitag. Anzeichen dafür gab es zunächst aber nicht. 

Hisbollah spielt zentrale Rolle im Machtkampf
Die Hisbollah ("Partei Gottes") spielt eine zentrale Rolle im innerlibanesischen Machtkampf: Vor einem Jahr traten ihre fünf Minister aus dem Kabinett Sinioras zurück und brachten damit die delikate Machtbalance zwischen Christen sowie sunnitischen und schiitischen Muslimen im Libanon aus dem Lot. Lahoud hatte erklärt, dass Sinioras Regierung deswegen nicht mehr verfassungsgemäß sei.

Laut Verfassung muss im Libanon der Staatspräsident maronitischer Christ, der Ministerpräsident sunnitischer und der Parlamentspräsident schiitischer Muslim sein. Siniora will, dass der neue Präsident im Unterschied zu Lahoud auf Distanz zu Syrien geht. Die oppositionelle Hisbollah will jedoch nur die Wahl eines Kompromisskandidaten zulassen.

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