In Jugoslawien-Krieg

Bosnier an Massaker beteiligt: Zehn Jahre Haft

Österreich
06.07.2016 17:10

Ein Geschworenenprozess um ein Massaker an serbischen Zivilisten im Jugoslawien-Krieg am Landesgericht Linz hat am Mittwoch mit einem Schuldspruch und einer nicht rechtskräftigen Verurteilung zu zehn Jahren Haft für den 48-jährigen Angeklagten geendet. Dem inzwischen in Österreich eingebürgerten Bosniaken wird 16-facher Mord, dreifacher Mordversuch und Brandstiftung vorgeworfen.

Der Angeklagte leugnete bis zuletzt, an einem Überfall am 17. September 1992 auf das von Serben bewohnte Bauerndorf Serdari in der Provinz Kotor Varos in Bosnien beteiligt gewesen zu sein. Rund 20 (muslimische) Bosniaken haben dort offenbar sieben Männer, sieben Frauen und zwei Kinder getötet sowie sechs Häuser in Brand gesteckt. Motiv dürfte Rache für vorangegangene serbische Angriffe gewesen sein.

Vier mutmaßliche Haupttäter fassten 2014 in Sarajevo Haftstrafen zwischen neun und elfeinhalb Jahren aus, 2015 wurde der Spruch aber aufgehoben. In einem neuen Prozess wurde einer erneut zu elf Jahren verurteilt, zwei wurden freigesprochen, ein Vierter ist bereits gestorben. Im Verfahren tauchte auch der Name des nun in Linz angeklagten 48-Jährigen auf, was ihm schließlich eine Anklage eintrug.

Zeugenaussagen teils sehr vage
Der im Dezember vergangenen Jahres in Linz gestartete Prozess nahm 23 Verhandlungstage in Anspruch. Rund 30 Zeugen wurden befragt. Ihre Aussagen waren teils vage, viele konnten sich an die lange zurückliegenden Ereignisse nicht mehr genau erinnern. Es gab aber auch belastende Aussagen mit Widersprüchen in Details.

Die acht Geschwornen entschieden nach mehrstündiger Beratung einstimmig, dass der Angeklagte in allen Punkten der Anklage - teils versuchter, teils vollendeter Mord sowie teils versuchte, teils vollendete Brandstiftung schuldig sei. Ebenso einstimmig verneinten sie, dass die Taten verjährt seien. Außerdem wurden den Opfern des Überfalls, die überlebt hatten, tausende Euro an Schmerzensgeld, Trauerschmerzensgeld und für den Ersatz des Sachschadens zugesprochen. Weitergehende Forderungen wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Urteil nicht rechtskräftig
Verteidiger Jürgen Nowotny bezeichnete in einer Stellungnahme das Urteil als "unerwartet" und kündigte an, in der gesetzlichen Bedenkzeit von drei Tagen eine Anfechtung zu prüfen. Staatsanwältin Doria Fiala gab vor Gericht keine Erklärung ab. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.

Der Strafrahmen für die vorgeworfenen Delikte beträgt zwischen fünf und 20 Jahren Haft. Mildernd wurde dem Angeklagten unter anderem seine bisherige Unbescholtenheit angerechnet, erschwerend das Zusammentreffen vieler Verbrechen. Dass überhaupt in Linz verhandelt wird und nicht vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien (ICTY) in Den Haag, liegt daran, dass die österreichische Justiz den Überfall im Gegensatz zur bosnischen als Massaker und nicht als Kriegsverbrechen einstuft.

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