Unter den Augen riesiger, herrschaftlicher Gemälde begrüßte Seine Exzellenz Alberto Carnero die Runde mit den Worten "wir wollen Freunde für Spanien gewinnen" und pries die Vorzüge des Landes, das in Sachen Autoproduktion immerhin auf Platz zwei in Europa liegt.
Nicht zuletzt wegen Seat, dessen Vertriebs- und Marketingvorstand Andreas Offermann das "Momentum" der Marke beschwor - der wohl am häufigsten genannte Begriff des Abends. Die "Brand on the move" sei in drei Jahren um 25 Prozent gewachsen, 2015 werden mehr als 400.000 Autos ausgeliefert, die meisten davon in höheren Ausstattungsniveaus, was unterm Strich deutlich mehr bringt als Brot-und-Butter-Versionen. Der Absatz stieg um fünf, der Umsatz um 14 Prozent, und sogar ein paar Millionen Euro Gewinn sind dieses Jahr drin. Endlich "nah an der schwarzen Null" nennt Offermann das.
Damit es in dem Stil weitergeht, wird in den nächsten Jahren nicht nur das gesamte Modellprogramm erneuert, es kommen in den nächsten zwei Jahren auch drei komplett neue Baureihen dazu. Zunächst im Juli 2016 das brandneue A-Segment-SUV, das auf 35 Konkurrenten trifft, aber konkret den Nissan Qashqai als Benchmark anvisiert.
"Die Unterwäsche der Seats ist die gleiche wie bei VW oder Audi", plakatierte Offermann die technische Identität. Alles andere sei Image. Mit Charts belegt er, dass die Imagewerte der spanischen Marke gegenüber den direkten Konkurrenten (er nennt Renault, Peugeot, Fiat und Nissan) deutlich gestiegen sind. Es dauere zehn bis 20 Jahre, ein Image aufzubauen - ruiniert sei es hingegen sehr schnell, "wie wir gerade eindrücklich sehen".
Allgegenwärtig: Der Abgasskandal
Man könne nicht vor die Medien treten, ohne auch über das Thema Abgasskandal zu sprechen, zeigt sich Offermann realistisch. Als "unerhört und nicht zu entschuldigen" bezeichnet er die Manipulationen, die in Europa elf Millionen Autos des VW-Konzerns betreffen, davon 700.000 Seats. "Auch wenn es vielen zu lange dauert: Wir setzen alles daran, alles lückenlos aufzuklären." Es seien bereits einige Mitarbeiter entlassen worden, und zwar "nicht Indianer, sondern Häuptlinge".
Was jetzt konkret passiert
Kurz zusammengefasst: Vom NOx-Skandal betroffen sind nach der Abgasnorm EU 5 homologierte Dieselmotoren mit 1,2 Liter, 1,6 Liter sowie 2,0 Liter Hubraum. Die großen werden per Software-Update auf gesetzeskonformen Stand gebracht (halbe Stunde Arbeitszeit), die kleinen voraussichtlich auch, beim mittleren wird um ein paar Euro zusätzlich zum Update ein Gitternetz vor den Luftmengenmesser gesetzt (nochmals eine halbe Stunde). Auf die Frage, warum man das nicht von Anfang an so programmiert bzw. gebaut hat, weiß keiner der Anwesenden eine schlüssige Antwort. Technischer Fortschritt als Erklärung klingt wenig plausibel.
Der Aufwand für die Kunden ist jedenfalls relativ gering: Auto in der Werkstatt abgeben, "je nach Wunsch" (sagt Andreas Offermann) Gratis-Leihauto oder Öffi-Karte mitnehmen, Auto wieder abholen. Keine Kosten. Für den Autohersteller wird das alles "nur etwa vier Prozent des gesamten Service-Aufwands" ausmachen, wie Porsche-Austria-Sprecher Richard Mieling erklärt. Natürlich dürfen dazu nicht alle auf einmal in die Werkstatt kommen, daher werden die Kunden ab Jänner gestaffelt informiert, die gesamte Rückrufaktion soll sich über das ganze Jahr 2016 hinziehen.
Bis zu dreimal wird jeder Besitzer eines betroffenen Fahrzeugs angeschrieben. Sollte er dann noch immer nicht in die Werkstatt kommen, verliert er die Zulassung. Was das alles für Kunden bedeutet, die ihrem Motor ein Chiptuning verpasst haben (also bereits eine andere als die originale Software haben), darauf gibt es noch keine Antwort.
Vertrauensverlust durch CO2-Mogelei
Neben der NOx-Manipulation gibt es noch die Sache mit der Mogelpackung bei den Verbrauchs- bzw. CO2-Werten im VW-Konzern. Bei Seat sind die Modelle Ibiza, Leon und Toledo betroffen. Die Abweichungen seien gering, beschwichtigt Offermann, "zwischen 3 und 10 g/km CO2", also im Zehntelliterbereich beim Verbrauch. Hier ist die Lösung ganz einfach: Bisherige Motoren werden von Amts wegen einfach als in Ordnung angesehen, ab 7. Dezember 2015 gilt eine neue Homologation, der dann die höheren Werte zugrunde liegen.
Ganz so unproblematisch dürfte das Thema aber nicht sein. Nach Ansicht von VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh verunsichert der Verbrauchsbetrug die Kunden mehr als das NOx-Diesel-Debakel. "Es gibt schon eine Kaufzurückhaltung", sagte er am Freitag in Wolfsburg. Das gelte vor allem für Flottenkunden, die auch bei Seat einen immer größeren Anteil ausmachen.
Auch Seat wird sich also bemühen, alte Freunde zu halten und neue zu finden. Für die geladenen Journalisten in der spanischen Botschaft bedeutete dies eine Sherry-Verkostung, für Kunden hingegen einen Eintauschbonus für betroffene Fahrzeuge beim Kauf eines anderen Seat. Mal sehen, ob den Konzernmarken da noch mehr einfällt. Und vielleicht ist es für Seat ja gut, dass beim Thema Manipulation meist nur vom Mutterkonzern VW die Rede ist - aber kaum von Seat & Co.
Aus dem Video-Archiv: Seat Leon ST Cupra - Stärkster Kombi seiner Klasse
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