Im Netz radikalisiert

Urteil da: IS-Fan (15) bald wieder auf freiem Fuß

Gericht
21.07.2025 12:08

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wurde am Montag am Wiener Landl gegen einen 15-jährigen Anhänger der radikalen Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) verhandelt. Der zierliche, kindlich wirkende Bub hatte den Wiener Westbahnhof als Anschlagsziel im Visier. Dem 15-Jährigen wird eine hohe Gewaltbereitschaft attestiert – trotzdem wird er schon bald aus der Haft entlassen.

Seit seiner Festnahme am 10. Februar ist der junge Bursche in Einzelhaft, er sei „ein trauriges Beispiel für Radikalisierung“, erklärte der Staatsanwalt. Der Angeklagte war zu den Terror-Vorwürfen am Wiener Westbahnhof geständig. Einer IS-Kontaktperson habe er eine Umsetzung für den Sommer 2025 zugesichert. Laut dem Staatsanwalt wollte er „ein Blutbad anrichten“.

Bei der Urteilsverkündung fragte der Richter, wie man adäquat reagieren soll – der Strafrahmen betrug bis zu fünf Jahre Haft. Als strafmildernd räumte der Richter das umfassende Geständnis des IS-Fans ein, erschwerend war die Vielzahl an Vorwürfen gegenüber dem Teenager. Der 15-Jährige wird zu zwei Jahren Haft, davon acht Monate unbedingt, verurteilt.

Enthaftung im Oktober oder gar früher
Dies bedeutet, der Bub darf schon Anfang Oktober nach Hause. Sollte das Gericht die 2/3-Strafe annehmen, ist die Enthaftung laut Verteidigerin Mair auch schon früher, beispielsweise im August, möglich. Dies werde vom Gericht von Amtswegen geprüft. Fünf Monate verbüßte der Jugendliche bereits in Untersuchungshaft. Zur Strafe erhält er Auflagen in Form eines Deradikalisierungsprogramms, er muss weiters einer regelmäßigen Beschäftigung nachgehen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Bursch radikalisierte sich über TikTok
Besonders brisant ist der Einblick, den der heute 15-Jährige im Hinblick auf seinen Weg in die Radikalisierung gab. Vor Gericht erzählte er, wie junge Menschen via TikTok in Telegram-Gruppen gelockt und anschließend schrittweise radikalisiert werden. Vergangenen Sommer habe auch er sich über TikTok radikalisiert. Die Staatsanwaltschaft ortet beim Angeklagten eine „hohe Gewaltbereitschaft“ und auch seine Verteidigerin Anna Mair äußerte sich positiv über seine Festnahme, denn diese habe ihn aus „seinem verzerrten Bild herausgerissen“.

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Ich hatte Angst vor der Hölle. Das Gebet ist der Schlüssel zum Paradies. Dafür soll man auch ein Kämpfer sein.

Der mittlerweile 15-Jährige im Prozess

„Ich hatte Angst vor der Hölle. Das Gebet ist der Schlüssel zum Paradies. Dafür soll man auch ein Kämpfer sein“, berichtete der Bub in der Befragung durch den Richter.

Er sei von seinen Mitschülern gemobbt worden, sie sperrten ihn im Klo ein und filmten ihn beim Beten, schilderte der 15-Jährige, dessen Eltern keine streng gläubigen Muslime sind, vor Gericht seine Erlebnisse. Die Lehrer bemerkten die Radikalisierung: „Wir sind nicht in Saudi-Arabien, dass wir uns hier Tausend Mal hinknien und beten.“

Äußerungen gegen den Propheten machen den 15-Jährigen aggressiv. Das gibt er auch im Prozess zu. In Haft kam es deshalb auch zu einem Disput mit seinem Lehrer. 

Schusswaffe über Internet bestellt
Nachdem er sich mit 13 Jahren dem IS zugewandt und später im Internet eine Anleitung zum Bombenbauen gefunden und handschriftliche Notizen angefertigt hatte, bestellte der Bursch im November 2024 übers Internet eine Schusswaffe. „Die ist Gott sei Dank nicht geliefert worden“, führte der Staatsanwalt aus.

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Mein Mandant ist in diese Schiene gerutscht, weil er niemanden zum Reden hatte. Auf Jugendliche, die sich vergessen fühlen, zielt der IS ab.

Verteidigerin Anna Mair

„Wenn du so eine Operation machst, wirst du keinen Schmerz fühlen“, habe ihm sein Internet-Kontakt betreffend eines Anschlags gesagt. Ein „Typ“ aus Russland hätte ihm erklärt, wie man Bomben baut. Die Anleitung dafür hätte auf Bildern, die ihm zugeschickt wurden, „so leicht ausgesehen“. Aufgrund der nicht gelieferten Waffe hätte der Angeklagte im Jänner den Plan gefasst, einem Verkehrspolizisten die Dienstwaffe zu entreißen, diesen zu erstechen und damit Passanten zu erschießen.

Westbahnhof als „primäres Anschlagsziel“
Davon rückte der Schüler ab, nachdem er Ende Jänner über einen einschlägigen Chat in Kontakt mit einem namentlich bekannten IS-Kontaktmann gekommen war, dessen Identität jedoch noch nicht ausgeforscht werden konnte. Von diesem Zeitpunkt an sei der Westbahnhof als „primäres Anschlagsziel“ in den Fokus gerückt, stellte der Staatsanwalt fest. Die Pläne für den Anschlag habe man erst bei der Hausdurchsuchung entdeckt. Diese wurde durchgeführt, nachdem ein ausländischer Geheimdienst gemeldet hatte, dass der Angeklagte IS-Inhalte im Netz geteilt habe.

Der Staatsanwalt skizzierte den äußerlich noch sehr kindlich wirkenden Jugendlichen als einen immens gefährlichen und gewaltaffinen IS-Fanatiker. „Er ist sehr schnell gewaltbereit, wenn jemand den Propheten beleidigt. Da kann er sich nicht gut steuern.“ Außerdem ziele der IS genau auf Persönlichkeiten wie den Angeklagten ab. Er sprach von einem „verheerenden Gesamtbild“, das der körperlich schmächtige 14-Jährige abgebe, der mit schulterlangen schwarzen Haaren und in einem hellblauen Hemd die freundlich, ja beinahe zahm gestellten Fragen des vorsitzenden Richters beantwortete.

„Bin froh, dass ich es nicht gemacht habe“
„Es war ein sehr großer Fehler“, meinte der Angeklagte zu den Anschlagsplänen. Auf die Frage des Richters, ob er bereit gewesen wäre, für seine Pläne zu sterben, erwiderte der 15-Jährige: „Ich wäre nicht bereit. Ich hatte keinen Mut dazu. Ich bin froh, dass ich es nicht gemacht habe.“ Wenn er aus der Haft entlassen wird, so der Bursch vor Gericht, wolle er sich von TikTok und Instagram fernhalten und mehr Zeit mit seiner Familie verbringen.

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