Brief an Brüssel

Strompreise: Das fordert Regierung jetzt von EU

Innenpolitik
16.12.2025 20:31

In einer Sondersitzung am Dienstag hat der Nationalrat die Senkung der Elektrizitätsabgabe beschlossen. Im Vorfeld verfasste die Regierung einen Brief an die EU-Kommission, in dem eine spezielle Änderung für den gesamten Strommarkt gefordert wurde. 

Konkret fordern die Regierungsparteien ÖVP, SPÖ und NEOS ein Ende des Merit-Order-Prinzips am Strommarkt. Damit will man erreichen, dass der Strompreis künftig nicht mehr durch die teuersten (oft fossilen) Kraftwerke bestimmt wird. Aktuell würden nämlich noch immer fossile Energieträger den Marktpreis bestimmen, kritisierte Kanzler Christian Stocker (ÖVP).

Erneuerbare Energie im Fokus
Ziel sei es, das Merit-Order-Prinzip so abzuwandeln, dass sich hohe Anteile an erneuerbarer Energie auch in den Strompreisen der jeweiligen Länder entsprechend widerspiegeln sollen. In dem Brief nach Brüssel wolle man „auf die besonderen Umstände und Herausforderungen des gemeinsamen Strommarktes aufmerksam machen und auch konkrete Vorschläge unterbreiten“, führte Stocker aus.

„Irrsinniges Prinzip“
Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) bezeichnete das Merit-Order-Prinzip unterdessen als ein „irrsinniges Prinzip“. Weil man sich nicht allein auf die Geschwindigkeit der EU verlassen könne, setze man jetzt nationale Maßnahmen um.

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Neben den Maßnahmen auf nationaler Ebene müssen auch europäische Initiativen ergriffen werden, wie etwa die Reform des Merit-Order-Prinzips. 

NEOS-Chefin und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger

Auch FPÖ-Chef bringt Ausstieg ins Spiel
Laut Meinl-Reisinger wird man bei der EU-Kommission auch für einen „solidarischen Ausgleich“ bei den Netzkosten eintreten. Österreich sei als Transitland für Strom überproportional von steigenden Netzausbaukosten betroffen. Meinl-Reisinger bemängelte weiters: „Von der hierzulande günstiger produzierten erneuerbaren Energie können die Österreicher nicht ausreichend profitieren.“ Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl brachte am Dienstag einen Ausstieg aus der Merit-Order ins Spiel. 

So funktioniert das Mertit-Order-Prinzip
Beim Merit-Order-Prinzip wird der Strompreis immer von der Anlage bestimmt, die zur Deckung des Strombedarfs notwendig ist. Das hat im Zuge der Energiekrise in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass der teuer produzierte Strom aus Gaskraftwerken den gesamten Strompreis in die Höhe getrieben hat. Das Merit-Order-Prinzip wurde in dem Kontext auch bereits auf europäischer Ebene in Frage gestellt – am Ende aber beibehalten.

Merit-Order-Prinzip

  • Österreich greift die Diskussion um die Merit-Order (Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit oder Günstigkeitsprinzip) wieder auf – also jenen am Spotmarkt im europäischen Strom-Großhandel geltenden Preisfindungsmechanismus.
  • Dabei wird zuerst das günstigste Kraftwerk eingeschaltet, dann das zweitgünstigste und so weiter, bis letztlich genügend Strom zur Verfügung steht. Das letzte zugeschaltete Kraftwerk, im Winter oft ein Gaskraftwerk, bestimmt dann den Preis aller.
  • Durch die Berechnung des Strompreises anhand des zuletzt zugeschalteten Kraftwerks hat der Betreiber des günstigsten Kraftwerks den höchsten Gewinn. Die Merit-Order sorgt also dafür, dass jeder Betreiber bemüht ist, über möglichst günstige und effiziente Kraftwerke zu verfügen. Damit wird der Umstieg auf Kraftwerke mit erneuerbarer Energie forciert.
  • Der Nachteil: Wenn die übrigen Kraftwerkskapazitäten nicht reichen, lässt bei hohen Gaspreisen bereits ein kleines Gaskraftwerk den Strompreis in die Höhe schnellen.
  • Im Frühjahr 2024 wurde auf EU-Ebene die letzte große Strommarktreform beschlossen. Auch damals stand ein Ende des Merit-Order-Prinzips zur Debatte – am Ende hat man sich aber dagegen entschieden. Die erst kürzlich vom Nationalrat verabschiedete nationale Strommarktreform (auch „Günstiger-Strom-Gesetz“ genannt; Anm.) geht noch zum Teil auf die EU-Richtlinie zurück und setzt deren Maßnahmen in nationales Recht um. 

Als weitere Maßnahme zur direkten Strompreissenkung beschloss der Nationalrat am Dienstag mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen die Senkdung der Elektrizitätsabgabe (von aktuell 1,5 Cent/kWh auf 0,82 Cent/kWh für 2026). Die FPÖ stimmte dagegen. 

Senkung der Elektrizitätsabgabe kostet 500 Millionen Euro
Kosten soll das gesamte Vorhaben rund eine halbe Milliarde Euro. Das Geld soll aus staatsnahen Betrieben kommen, konkret 200 Millionen Euro vom Verbund, 200 Millionen Euro von der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und 100 Millionen Euro aus einem noch nicht an den Bund ausgeschütteten Bilanzgewinn aus Dividendenerträgen der Staatsholding ÖBAG.

Windräder als erneuerbare Energiequelle
Windräder als erneuerbare Energiequelle(Bild: APA/HARALD SCHNEIDER)

Jene 200 Millionen Euro, die aus der BIG kommen sollen, würden allerdings das ohnehin schon hohe Budgetdefizit weiter erhöhen, weshalb laut der ORF-Nachrichtensendung „Zeit im Bild“ statt der BIG doch noch andere Unternehmen, die nur zum Teil dem Staat gehören, um Geld gebeten werden sollen. Das Finanzministerium verspricht eine budgetneutrale Lösung.

Senkung der Elektrizitätsabgabe: Wirtschaft will weitere Maßnahmen
Unternehmensvertreter loben die geplante Senkung der Elektrizitätsabgabe, forderten aber zugleich weitere Schritte ein. Die Wirtschaftskammer (WKO) spricht sich für eine Verlängerung der Strompreiskompensation bis 2030 aus. Aktuell sei diese Maßnahme, die besonders energieintensiven Betrieben zugute kommt, bis Ende 2026 befristet.

In ein ähnliches Horn bläst die Industriellenvereinigung (IV). „Vor dem Hintergrund der angespannten budgetären Situation wären stärker fokussierte Maßnahmen vorzuziehen“, wird IV-Generalsekretär Christoph Neumayer in einer Aussendung zitiert. Österreichs E-Wirtschaft begrüßt die rasche Senkung der Stromkosten, bemängelt aber das „rigide zeitliche Ablaufdatum“ mit Ende 2026. Strom könnte Anfang 2027 wieder inflationstreibend wirken, wenn die Maßnahme ausläuft.

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