Der Rücktritt von Harald Mahrer als Präsident der Wirtschaftskammer und des Wirtschaftsbunds hat die ÖVP vorerst politisch entlastet – doch die Krise, die ihn ausgelöst hat, ist längst nicht vorbei. Zehn Tage hielt die Debatte über interne Entscheidungen der Kammer die Republik in Atem. Am Ende stand ein Rückzug unter massivem Druck, der nicht nur Mahrers Zukunft, sondern auch die Stabilität der Volkspartei betraf.
In den vergangenen Tagen war der Druck auf Mahrer stetig gewachsen – von hochrangigen ÖVP-Politikern über Unternehmer bis zu Kammerfunktionären. Am frühen Donnerstagabend erklärte er schließlich per Videobotschaft seinen Rücktritt. Er sehe „keine Möglichkeit, verantwortungsvolle Beiträge für eine positive Zukunftsentwicklung zu leisten“, sagte er. Zugleich beklagte er „Populismus und persönliche Ressentiments“.
Rücktritt ein Schutzwall für die Partei
Offiziell folgten aus der ÖVP-Spitze anschließend Lob und Dank – Bundeskanzler Christian Stocker würdigte Mahrers Verdienste und forderte von der Kammer „eine rasche Neuaufstellung“. Doch parteiintern war klar: Der Rücktritt war auch ein Schutzwall für die ÖVP, weil die Causa längst auf die Partei übergegriffen hatte.
PR-Beraterin und ÖVP-Kennerin Heidi Glück analysierte in der ORF-„ZiB 2“ die politische Dimension. Mahrer war nicht nur Kammerpräsident, sondern zugleich Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes – der wichtigsten Teilorganisation der Partei und zugleich Mitglied des Parteivorstands. Diese Personalunion mache die Verknüpfungen „evident“. Viele Mitglieder der Wirtschaftskammer seien zudem klassische ÖVP-Wähler.
„Lame duck“ wäre zu gefährlich gewesen
Genau deshalb reagierten die mächtigen Landesobleute rasch: Sie erkannten, dass die Affäre die Volkspartei zusätzlich schwächen könnte – in einer Phase, in der es ohnehin „nicht in allen Dingen sehr rund läuft“. Ein Wirtschaftsbund-Chef, der politisch zur „lame duck“ wird, wäre für die ÖVP ein strategisches Risiko gewesen, so Glück.
Glück kritisierte auch die Vorgeschichte, insbesondere die Erhöhung der Zulagen für Funktionäre. Diese seien im Sommer überdurchschnittlich angehoben worden – in Zeiten von Sparpaketen und Forderungen nach Zurückhaltung bei Kollektivvertragsverhandlungen. Dass man glaubte, dies werde „geheim bleiben“, sei eine „fatale Fehleinschätzung“.
Politische Debatte bleibt bestehen
Transparenz wäre aus ihrer Sicht entscheidend gewesen. Die mangelhafte Kommunikation und fehlende Argumentation hätten die Krise verschärft und das Vertrauen beschädigt. Dieses wieder herzustellen sei für die Nachfolge eine zentrale Aufgabe.
Nach Mahrers Rücktritt bleibt jedoch eine weiterreichende politische Debatte bestehen: die Forderung nach einer Reform des Kammerapparats. Glück sprach von einer Struktur, die sich über Jahrzehnte zu einem „relativ aufgeblasenen Apparat“ entwickelt habe. Unternehmerverbände wie UNOS oder Grüne Wirtschaft kritisierten ebenfalls Kosten und Strukturen, FPÖ und NEOS fordern die Rücknahme der erfolgten Erhöhungen.
Aufpassen, dass daraus keine „Causa ÖVP“ wird
Die ÖVP wiederum muss aufpassen, dass aus der „Causa Mahrer“ keine „Causa ÖVP“ wird. Denn der Wirtschaftsbund ist die stärkste Fraktion innerhalb der Kammer – und innerhalb der Partei politisch zentral.
Vorübergehend übernimmt Vizepräsidentin Martha Schultz. Bereits am Freitag beraten die Landespräsidenten über die weitere Vorgangsweise. Wer Mahrers Nachfolge langfristig antritt, ist noch offen. Für die Volkspartei steht dabei mehr auf dem Spiel als nur die Besetzung des Kammerchefs: Es geht um Stabilität im eigenen Machtgefüge. Für Mahrer selbst dürfte die politische Karriere, so meint Glück, vorbei sein.
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