Nach der Freilassung aller Geiseln durch die Hamas hoffen viele auf ein Ende der Gewalt im Nahen Osten. Doch wie stabil ist die Lage wirklich? Im Gespräch mit krone.tv analysiert Walter Posch vom Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Landesverteidigungsakademie die aktuelle Situation – und sieht verhaltenen Optimismus.
„Das wäre ohne Trump sicherlich nicht gegangen“, so Posch. Beide Seiten seien nach monatelangen Kämpfen „erschöpft“ und hätten erkannt, dass die Gewalt keine Lösung bringe. „Nur der Friede ist die einzige Lösung - und erstmals gibt es einen Pfad dazu“, betont der Experte.
„Ohne Hamas wird es nicht gehen“
Besonders skeptisch zeigt er sich jedoch gegenüber Forderungen nach einer vollständigen Entwaffnung der Organisation: „Die Entwaffnung zu fordern, ohne einen klaren politischen Prozess vorzulegen, ist eine reine Verhandlungsposition. Man muss sich fragen: Wer soll künftig im Gazastreifen die Polizei stellen oder die Sicherheitskräfte bilden? Das wird ohne Hamas-Mitglieder nicht gehen. Müssen die dann auch in der Befehlskette der Hamas stehen? Wohl eher nicht.“ Gleichzeitig sei auch klar „Die Hamas wird nie wieder die Fähigkeiten haben, Israel so anzugreifen, wie sie es angegriffen haben.“
Während arabische Staaten und die Türkei derzeit eine aktive diplomatische Rolle einnehmen, sei Europas Einfluss im Nahen Osten massiv geschrumpft, meint Posch. „Die Zeiten, in denen die Europäer Initiativen gesetzt und inspiriert haben, sind vorbei“, erklärt er. Während arabische Staaten und die Türkei sowohl mit Israel als auch mit der Hamas sprechen können, seien die Europäer „mehr Zaungäste“.
„Achse des Widerstands ist Geschichte“
Die sogenannte „Achse des Widerstands“ - also das Bündnis aus Iran, Hisbollah, Hamas und den Huthi im Jemen – war laut Nahost-Experte Walter Posch „immer mehr Propaganda als Realität“. „Ja, sie hatte Erfolge – sie hat die Israelis unter Druck gesetzt“, sagt Posch, „aber das Kernelement war immer Syrien. Und Syrien ist gefallen.“ Damit seien die strategischen Grundlagen dieser Allianz zerbrochen. „Diese sogenannte Achse des Widerstands gehört mittlerweile in die Geschichtsbücher. Es wird noch Nostalgiker geben, die sie wiederbeleben wollen - aber im Moment ist das vorbei.“
Was passiert mit Gaza?
Zur Zukunft des Gazastreifens und der immer wieder diskutierten Zwei-Staaten-Lösung bleibt Posch skeptisch. Zwar sei diese Lösung „völkerrechtlich der Ausgangspunkt für Verhandlungen“, doch ihre Umsetzung sei weiterhin schwierig – insbesondere im Westjordanland, das als Schlüsselregion gelte.
Für den Gazastreifen erwartet er zunächst eine streng überwachte Zone mit geschwächter militärischer Infrastruktur: „Da wird es wieder zurückgehen – diesmal mit besseren Überwachungsmethoden.“
„Riviera in Gaza war erstes konstruktive Konzept“
Posch sieht den eigentlichen Weg zu Stabilität in wirtschaftlichem Wiederaufbau und langfristigen Perspektiven: „Was den Menschen in Gaza wirklich nützt, sind konkrete Aufbaupläne. So ironisch es klingen mag: Trumps Idee einer ,Riviera in Gaza‘ war das erste positive, konstruktive Konzept überhaupt.“
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