Kurz mit Rundumschlag

„Europäer glauben immer noch, es sei möglich …“

Innenpolitik
06.08.2025 12:18

Altkanzler Sebastian Kurz meldet sich mit einem harten Rundumschlag zurück. In einem aktuellen Interview schießt der nach wie vor im Visier von Korruptionsjägern stehende 38-Jährige gegen Journalisten, die „Justiz als politische Waffe“ und die europäische Migrationspolitik.

Der Vorwurf der Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss ist mittlerweile vom Tisch. Gegen Kurz wird aber weiterhin ermittelt – Stichwort: Umfrageaffäre, wegen der er 2021 als Kanzler zurücktrat. Kurz wird verdächtigt, mit Steuergeld geschönte Umfragen erkauft zu haben. Auch dieses Verfahren werde nicht mit einem Schuldspruch für ihn enden, gab sich Kurz bereits überzeugt: „Es gibt immer noch mehr und mehr an Vorwürfen, aber es wird am Ende alles in sich zusammenfallen.“

In einem großen Interview mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ (hier geht‘s zur Vollversion) rechnet Österreichs einst jüngster Bundeskanzler nun ab. „Wir erleben in Österreich, was weltweit stattfindet: Die Justiz wird als politische Waffe missbraucht“, wird Kurz am Titelblatt zitiert und zieht diesbezüglich Vergleiche zu Marine Le Pen und Donald Trump, die trotz (oder wegen) ihres großen Erfolges bei der Wählerschaft juristisch bekämpft würden. Aber: „Entscheiden sollten schon noch immer die Wähler an der Urne.“ 

Angriffiges Interview: Sebastian Kurz
Angriffiges Interview: Sebastian Kurz(Bild: Eva Manhart)

Auch die Medien bekommen ordentlich ihr Fett weg. „Wenn den Journalisten das Wahlergebnis gefällt, dann ist es Demokratie, wenn ihnen das Wahlergebnis nicht gefällt, dann ist es Populismus. Dieses permanente Moralisieren und Emotionalisieren tut uns nicht gut.“

„Man erhält den Eindruck, etwas Dramatisches sei passiert“
Der Ibiza-Skandal sei hier ein gutes Beispiel: „In Österreich werden Dinge medial so aufgeblasen, dass man den Eindruck erhält, etwas unglaublich Dramatisches sei passiert.“ Zur Erinnerung: Der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sprach in einem Video in benommenem Zustand über seine Bereitschaft zur Korruption, illegaler Parteienfinanzierung und zur Neubesetzung von Medien. Aufgedeckt wurde die Affäre von „Süddeutscher Zeitung“ und „Spiegel“. Doch Kurz sieht hier lediglich „unpassende Formulierungen“. Und ergänzt: „In meinem Fall gab es über zehntausend Medienartikel darüber, dass ich im Parlament gelogen hätte – vier Jahre später dann ein paar Artikel, dass alles ein Schwachsinn war.“

Den Ibiza-Skandal sieht Sebastian Kurz lediglich aufgebauscht. Strafrechtlich sei „überhaupt ...
Den Ibiza-Skandal sieht Sebastian Kurz lediglich aufgebauscht. Strafrechtlich sei „überhaupt nichts hängen geblieben von all diesen Vorwürfen“.(Bild: APA/Harald Schneider/Spiegel/SZ)

Der ehemalige ÖVP-Politiker, der ein Comeback bisher immer ausgeschlossen hat, schießt sich schließlich auf die Migrationspolitik ein – sein ehemaliges Steckenpferd. „Die Europäer glauben immer noch, es sei möglich, einen Wohlfahrtsstaat zu haben und gleichzeitig unbeschränkte Zuwanderung ins Sozialsystem“, das könne nicht funktionieren. „Weil ich gegen Merkels Willkommenskultur war, wurde ich dargestellt, als sei ich ein Rechtsradikaler“, betont er. „Aber Überraschung: Es gibt Menschen, die sind gegen ungehinderte Massenmigration. Das ist eine normale Haltung.“

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Die Europäer glauben immer noch, es sei möglich, einen Wohlfahrtsstaat zu haben und gleichzeitig unbeschränkte Zuwanderung ins Sozialsystem.

Sebastian Kurz warnt vor einer katastrophalen Sicherheitssituation.

In Europa verharre man aber weiterhin in Rechtsstrukturen, die nicht mehr zeitgemäß seien. „Die Regelungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und vieler anderer europäischer Gesetze führen dazu, dass die EU handlungsunfähig ist. Wir können uns nicht aussuchen, wer zuwandern darf und wer nicht. Solange wir diese Entscheidung aber Schleppern überlassen, sind wir verloren.“ Kurz ortet aber eine „Furcht vieler Politiker, die notwendigen Entscheidungen zu treffen“.

Aus dem Archiv: Zehn Jahre nach dem Beginn der Massenflucht nach Europa (hier der Grenzübergang ...
Aus dem Archiv: Zehn Jahre nach dem Beginn der Massenflucht nach Europa (hier der Grenzübergang Spielfeld im Oktober 2015) sucht die Politik weiterhin nach Lösungen.(Bild: APA/Erwin Scheriau)

Der langjährige ÖVP-Politiker scheint hier auch Parteikollegen in die Pflicht zu nehmen. Mit Ex-Finanzminister Magnus Brunner wurde erst heuer ein Österreicher zum EU-Migrationskommissar ernannt. Ex-Kurz-Vertraute und -Integrationsministerin Susanne Raab wurde kürzlich zur Generaldirektorin des International Centre for Migration Policy Development. Auch der aktuelle Innenminister Gerhard Karner setzt sich für eine härtere Gangart bei der Migration ein – zuletzt sah er bei vielen Partnern in der EU „ein Umdenken, dass wir auch europäisch härter werden müssen“.

Angesprochen auf die AfD, sagt Kurz: „Die Situation in Deutschland unterscheidet sich sehr von der in Österreich. Die AfD ist wesentlich radikaler als die FPÖ. Was sowohl den rechten als auch den linken Parteien guttun würde, wäre eine konsequentere Abgrenzung von den extremistischen Rändern.“ Lobend erwähnt wird in diesem Zusammenhang übrigens Giorgia Meloni: Sie sei von den Medien „als Faschistin verteufelt“ worden, jetzt wird sie „allseits gelobt und führt eine verlässliche und stabile Regierung“.

„Keine Rechtfertigung für Angriffskrieg“
Zum Thema Ukraine stellt der heutige Unternehmer, Berater und Investor mit Fokus Europa und Naher Osten klar: „Putin glaubt, er habe das Recht darauf, zu entscheiden, wie sich ehemalige Sowjetstaaten in der Nachbarschaft Russlands heute politisch entwickeln. Dieses Recht hat Russland aber nicht. Er hat sich auch mir gegenüber über die NATO-Osterweiterung beklagt. Aber diese kann keine Rechtfertigung für diesen brutalen Angriffskrieg sein.“

Der österreichische Ex-Kanzler hofft aber, dass dennoch auf Dialog gesetzt und es bald eine Lösung am Verhandlungstisch geben wird. Denn „auf dem Schlachtfeld wird es keinen Sieger geben“.

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