Einige Verletzte in Russland, lokale Überschwemmungen, Aufrufe zur Evakuierung: Die Schäden des Erdbebens vor der russischen Halbinsel Kamtschatka samt Tsunami-Alarm blieben glücklicherweise überschaubar – und das beim sechsstärksten Beben der Messgeschichte. Warum ist das so?
Bei vielen Menschen in Südostasien dürften die Tsunami-Warnungen am Mittwoch schlimme Erinnerungen wachgerufen haben. Am 26. Dezember 2004 hatte ein gewaltiges Seebeben vor der Küste von Sumatra eine gigantische Flutwelle ausgelöst. Neben Indonesien gab es damals auch zahlreiche Opfer in anderen Ländern, von Thailand über Indien bis Tansania. Geschätzt kamen 230.000 Menschen ums Leben. Die genaue Zahl der Toten wird nie festgestellt werden können.
Stärkstes Beben seit Fukushima-Katastrophe
Die Magnitude beim Beben im Indischen Ozean lag bei 9,1 und war damit das drittstärkste je gemessene. Bei dem Erdbeben vor Kamtschatka lag die Magnitude nach Messungen in den USA und Deutschland bei 8,8. Es war das stärkste seit der folgenreichen Katastrophe von Fukushima im März 2011, war aber längst nicht so verheerend. Mittlerweile wurden die Tsunami-Warnungen wieder aufgehoben.
Gigantische Energie in kürzester Zeit freigesetzt
Auslöser für das Mega-Beben war die Pazifische Platte, die sich vor Kamtschatka unter die Ochotsk-Platte schiebt. Das Gebiet ist Teil des Pazifischen Feuerrings – auch der am Mittwoch in Folge des Bebens ausgebrochene Vulkan Kljutschewskoj gehört dazu. Beim Aufeinandertreffen der tektonischen Platten entsteht Reibung, die sich über Jahrtausende aufbauen, dann aber plötzlich innerhalb von Minuten ihre Energie freisetzen kann.
Die plötzliche Bewegung der Platten setzt das Wasser darüber in Bewegung, das dann als Tsunami in Richtung Küste wandern kann. In der Tiefsee können diese besonders langen Wellen mit über 800 km/h so schnell wie ein Passagierflugzeug werden. Sobald der Tsunami in Küstennähe auf flachere Gewässer trifft, verlangsamt er sich auf etwa 50 km/h. Die Distanz zwischen den Wellen wird kürzer, die einzelnen Wellen höher (siehe Grafik unten).
Wellen „nur“ vier Meter hoch
Es ist aber nicht unbedingt so, dass ein besonders schweres Beben auch besonders hohe Wellen erzeugt. Laut den Behörden im Osten Russlands wurden die Wellen dort vier Meter hoch. Kein Vergleich zum Tsunami in Indonesien 2004: Dort gab es Wellen mit 30 Metern Höhe.
„Die Höhe der Tsunami-Welle wird auch dadurch beeinflusst, wie der Meeresboden nahe der Küste und das Land, auf der sie auftrifft, beschaffen ist“, erklärte Lisa McNeill, Professorin für Tektonik an der Universität von Southampton gegenüber der BBC.
Wie ernst die Folgen eines Tsunamis sind, hängt auch davon ab, wie viel Menschen an der Küste leben, an der die Wellen ankommen. Die Region Kamtschatka ist mit 0,7 Einwohnern pro Quadratkilometer extrem dünn besiedelt.
Stephen Hicks, Seismologe am University College in London, nennt einen weiteren möglichen Grund, warum die Katastrophe ausblieb: Die Tsunami-Modelle könnten die Erdbebentiefe besonders konservativ geschätzt haben. Erste Berichte der zuständigen US-Behörde USGS verorteten das Epizentrum des Bebens nur 20,7 Kilometer unter der Erdoberfläche. Eine solch geringe Tiefe könne zu einer stärkeren Verschiebung des Meeresbodens und damit zu einer größeren Tsunami-Welle führen. Ein Epizentrum nur 20 Kilometer tiefer würde die Amplitude „erheblich verringern“, so Hicks zur BBC.
Lebensrettende Frühwarnsysteme
Ein weiterer Grund sind die Frühwarnsysteme, die es nun in vielen Ländern entlang des Pazifischen Feuerrings gibt. 2004 gab es keinerlei solche Systeme in den betroffenen Ländern, den Menschen blieb kaum Zeit zum Reagieren. Jetzt schlagen Tsunami-Zentren Alarm, woraufhin zu Evakuierungen aufgerufen werden kann. Und die Behörden bleiben in erhöhter Alarmbereitschaft: Der Geophysische Dienst der Russischen Akademie der Wissenschaften verzeichneten Mittwochnacht auf Kamtschatka innerhalb von nur 30 Minuten bereits vier Nachbeben.
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