Die griechische Insel Kreta wird ein immer stärker frequentiertes Ziel von Flüchtlingsbooten aus Libyen. Im ersten Halbjahr 2025 sind bereits 7300 Menschen angekommen, das ist ein Anstieg um 350 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Warum das so ist, hat nun Migrationsforscherin Judith Kohlenberger analysiert.
„Die Küste Libyens ist seit Jahren als Teil der Schmugglerroute bekannt. Das Land ist gefährlich für Migranten, niemand möchte in Libyen bleiben“, sagte sie zur Nachrichtenagentur APA. Die Migrantinnen und Migranten reisen über die östliche Mittelmeerroute, die alle Bewegungen nach Zypern, an die griechischen See- und Landgrenzen sowie an die bulgarische Landgrenze zur Türkei umfasst.
„Es gäbe die Möglichkeit, die jetzt in Kreta ankommenden Menschen in ganz Griechenland und in der EU zu verteilen. Das sieht ja auch der Solidaritätsmechanismus vor, der (...) bis Mitte 2026 umgesetzt werden soll“, sagte Migrationsforscherin Kohlenberger. Stattdessen werde versucht, durch Zeltlager und Bilder einer überlasteten Urlaubsinsel das Narrativ einer Krise zu erzeugen. Damit lasse sich leichter für mehr Grenzschutz und Zurückweisungen argumentieren, was aber bisher zu keinen nachhaltigen Lösungen geführt habe.
„Menschen fliehen auch ohne Seenotrettung“
„Nationale Regierungen versuchen zu suggerieren, dass die Seenotrettung ein Pull-Faktor für Flüchtende darstellt – man werde ja sowieso gerettet. Das Problem: Menschen würden trotzdem fliehen, auch wenn es keine Seenotrettung gäbe. Es würde dann mehr Tote geben“, sagte Kohlenberger. Mit Pull-Faktoren sind in der Migrationsbewegung Ursachen gemeint, die Menschen anziehen. Das Gegenteil sind Push-Faktoren.
„Im Schnitt stirbt derzeit alle acht Stunden ein Mensch auf der Fluchtroute über das zentrale Mittelmeer“, sagte der humanitäre Berater bei Ärzte ohne Grenzen, Marcus Bachmann. Laut UNO-Angaben sind seit Jahresbeginn bereits 517 Menschen bei der Überfahrt nach Europa entweder gestorben oder werden noch vermisst. „Migrationsrouten verlagern sich immer mehr auf den Seeweg, weil diese nicht so stark bewacht werden können wie die Landgrenzen. Sie sind aber viel riskanter“, sagte Kohlenberger.
Autoritäre Regime wissen Europas Migrationspanik zu nutzen, um ihre Interessen für viel Geld durchzusetzen. Sie haben erkannt, dass die Uneinigkeit darüber, wie man mit Geflüchteten rechtskonform umgehen soll und kann, die EU spaltet.
Migrationsforscherin Judith Kohlenberger
„EU lässt sich auf Erpressungsversuche ein“
„Die EU lässt sich im Grunde auf die Erpressungsversuche Libyens ein. Autoritäre Regime wissen Europas Migrationspanik zu nutzen, um ihre Interessen für viel Geld durchzusetzen. Sie haben erkannt, dass die Uneinigkeit darüber, wie man mit Geflüchteten rechtskonform umgehen soll und kann, die EU spaltet. Aus dieser Spaltung wollen sie profitieren“, hielt die Wissenschaftlerin zu den Verhandlungen der EU mit Libyen fest. Eine Alternative wären faire Verfahren und die Verteilung der Migrantinnen und Migranten.
Eine EU-Delegation, darunter Migrationskommissar Magnus Brunner, hatte sich am 8. Juli in Tripolis mit dem libyschen Premierminister Abdulhamid Dbeibah getroffen – unter anderem auch, um über den Kampf gegen Menschenschmuggel zu sprechen.
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