BMW zelebriert den klassischen luft(öl-)gekühlten Boxer weiter und bringt ihn in einer Art Neuauflage der legendären BMW R 80 G/S aus dem Jahr 1980 in der brandneuen R 12 G/S. Die begeisterte bei ersten Testfahrten offroad und auf der Straße, was exakt dem Kürzel G/S entspricht. Oder doch nicht?
Kurze Antwort: Doch, es stimmt. G steht hier für Gelände, S für Straße, so war das bereits bei der R 80 G/S. Lange Antwort: Es ist etwas komplizierter und hängt vom Bindestrich ab. Aber der Reihe nach:
Bei der Fahrpräsentation entbrannte eine Diskussion über die Bedeutung, als „Zonko“ Fritz Triendl (Kennern der Szene wird das Urgestein des Motorrad-Journalismus ein Begriff sein) einwarf, er könne sich erinnern, dass das S zunächst kurzzeitig für Sport stand. Tatsächlich ist das in manchen Quellen so nachzulesen. Da kamen auch die Kommunikatoren des Herstellers ins Grübeln und begannen zu recherchieren, ob das damals und bis heute richtig war und ist. Denn sie behaupteten steif und fest: Von Anbeginn bis zur heutigen R 1300 GS steht das S für Straße. Und da irrten sie.
Die Aufklärung ist ebenso einleuchtend wie logisch: Seit der 1988 gibt es keinen Bindestrich mehr zwischen G und S, seither steht das S für Sport. GS also für Gelände Sport. Analog bedeutet RS Reise Sport und ST Sport Tourer.
Fakt ist: Auch die Zuschreibung Gelände/Sport wäre für die R80 G/S als vierfache Dakar-Siegerin zumindest faktisch nicht weit hergeholt, heutzutage pocht BMW aber auf Gelände/Straße.
Aber jetzt zum Motorrad!
Anders als in den aktuellen Boxermodellen kommt in der R-12-Reihe nicht der mittlerweile 1300 ccm große „Wasserboxer“ zum Einsatz, sondern die 1170 ccm große Luft-Öl-gekühlte, prinzipiell schon recht alte Version (aus der 1200er-GS, aber auf Euro-5+ getrimmt). Die kommt zwar auf „nur“ 109 PS und 115 Nm (bei 6500/min.), besticht aber mit ihrem ganz eigenen Charakter, wohligen Vibrationen und sattem Klang. Emotional können die neuen Großen und Starken (145 PS, 149 Nm bei 6500/min.) nicht mithalten.
Fürs Gelände besser aufrüsten
Das Vorderrad misst 21 Zoll, 45-mm-USD-Gabel sowie Paralever-Schwinge (mit wegabhängiger Dämpfung und hydraulischem Endanschlag) sind voll einstellbar und im Vergleich zum Rest der R12-Familie ist die Lenkkopfpartie etwas höher ausgeführt sowie der Lenkkopf weiter vorne platziert.
Wer wirklich vorhat, mit der R 12 G/S ernsthaftes Gelände unter die Räder zu nehmen, sollte sich ein paar Dinge aus der Aufpreisliste gönnen. Da bietet sich das Enduro Paket Pro mit 18- statt 17-Zoll-Hinterrad an, das die Bodenfreiheit von 240 auf 255 mm anhebt (Federweg bleibt bei 200/210 mm). Dazu kommen Geländebereifung, Enduro-Fußrastenanlage, großer Motorschutz, Handprotektoren, und vor allem die Lenkererhöhung um 20 mm, die das Fahren im Stehen extrem erleichtert. Außerdem lässt sich der Lenker optional um 10 Grad drehen, wodurch die Griffposition etwas nach vorn und oben wandert. Im Modus Enduro Pro lässt sich das ABS am Hinterrad abschalten.
Damit war die R 12 G/S bestens gerüstet für einen ausgiebigen Ausflug kreuz und quer durch den BMW-Enduropark im deutschen Hechlingen (sehr zu empfehlen: ein Offroad-Training dort!) und auf Offroad-Strecken außerhalb. Mit 120 km/h über Schotter zu dübeln, ist ein besonderer Spaß mit der Neuauflage und eine Gelegenheit, die BMW Trainingsteilnehmern generell ermöglicht (dank Absprache mit den Eigentümern der umliegenden Ländereien). 229 kg fahrfertig sind zwar nicht wenig für eine Enduro, aber kein Hindernis auch auf heftigen, langsamen Passagen, weil das Bike (nicht zuletzt wegen des boxertypisch tiefen Schwerpunkts) sehr handlich ist – und der Motor kaum abzuwürgen ist.
Ein Gedicht auf der Straße
Die Handlichkeit bereitet auch auf kurvigen Landstraßen höchste Freude, die R 12 lenkt derart freudig ein, dass man sich über das Gewicht, das in den Papieren steht, wundern mag. Der optionale Quickshifter arbeitet in beide Richtungen sehr gut, nur bei geringen Drehzahlen wird man den Kupplungshebel bemühen. Sogar herunterschalten mit aufgezogenem Gashahn ist kein Problem. Gute Schräglagenfreiheit, ausreichend aktive Sitzposition – eine Großenduro wie ein Naked Bike. Vor allem auf der Straße freut man sich über die serienmäßige dynamische Traktionskontrolle, das Schräglagen-ABS und die Motorschleppmomentregelung. Die serienmäßigen Metzeler Karoo Street sorgen für Vetrauen.
Optik wie das Vorbild
Je nach gewählter Farbkombination wirkt die R 12 ihrer Ahnin R80 G/S wie aus dem Tank geschnitten, das Weiß mit blauen Akzenten und roter Sitzbank ist Heritage pur. Schwarz ist die Basisfarbe. Das Braun gehört zur Variante 719 Aragonit.
Preise? Je nachdem …
Ab 19.590 Euro steht die BMW R 12 G/S in der Preisliste. Sie ist schon in der Basis gut ausgestattet, allerdings kostet sogar die Möglichkeit, einen Sozius mitzunehmen, 236 Euro extra. Und auch sonst wird man um weitere Kreuzerl respektive Klicks nicht herumkommen, auch wenn man sich die 345 Euro für die klassische Farbkombi oder die über 2000 Euro für die Option 719 samt Frästeilen & Co spart.
1163 Euro kostet das Komfortpaket mit Heizgriffen, Schaltassistent Pro, Tempomat und Hill Start Control, 236 Euro das adaptive Kurvenlicht (LED-Lichter sind Serie). Und dann gibt es da noch den digitalen Tacho statt des Rundinstruments, die Halterung für ein integriertes Smartphone, goldene Kreuzspeichenräder, das Enduro-Paket Pro oder auch die 2 cm höhere Rallye-Sitzbank. Titantopf (1143 Euro) und weitere Schmankerl bis hin zu vorgesehenem Customizing sollen auch nicht unerwähnt bleiben.
Fahrzit
Ist das jetzt die beste GS überhaupt? Für viele vielleicht, denn die R 12 G/S hat Charakter, einen einzigartigen Motor, feine Fahreigenschaften und ein passables Gewicht. Für die Reise gibt es zwar keine Koffer, aber immerhin Taschen. Zu den vielen typischen BMW-Eigenschaften gehört leider auch der Preis - aber auch das wird den Erfolg nicht verhindern. Trotzdem wird das S für manchen Motorradfan eine eigene Bedeutung haben: Schade.
Warum?
Charakterstarker Motor
Tolle Fahreigenschaften
Viele Optionen, um sie den eigenen Bedürfnissen an zupassen
Warum nicht?
Da kann man eigentlich nur den Preis nennen, wenn man sie nicht mit einer Hard Enduro oder einem Reiseschiff vergleicht.
Oder vielleicht …
… eine 1200er-GS?
Kommentare
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.