„Fatal und peinlich“ sind aus Sicht von Michael Dittrich, Sprecher der Vorarlberger Armutskonferenz, die Sparmaßnahmen auf Bundes- und Landesebene, denn materiell und sozial benachteiligte Menschen sind davon nicht ausgeschlossen. Wie sehr deren Zahl gestiegen ist, zeigt ein Blick auf die Statistik.
Kaum Veränderungen gegenüber dem Vorjahr zeigt die jüngst von der „Statistik Austria“ veröffentlichte Erhebung zu Einkommen, Armut und Lebensbedingungen in Österreich. 14,3 Prozent der Bevölkerung und damit 1,29 Millionen Menschen hatten demnach im Jahr 2024 ein niedriges Haushaltseinkommen mit weniger als 60 Prozent eines mittleren Einkommens. Damit gelten sie als armutsgefährdet.
Entwicklung „hat einen Boden gefunden“
Von absoluter Armut betroffen waren 2024 exakt 16,9 Prozent der österreichischen Bevölkerung – hierzu zählen Haushalte mit weniger als 60 Prozent eines mittleren Einkommens. Im Vergleich zum Vorjahr gab es ebenfalls kaum Veränderungen. „Man könnte sagen, dass die Entwicklung der Armutsgefährdung in Österreich einen Boden gefunden hat, der irgendwo zwischen 14 und 15 Prozent der Bevölkerung liegt“, analysierte Michael Dittrich. Ebenso könnte man daraus schließen, dass die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen während der Pandemie und der hohen Teuerungsphase Menschen mit geringem Einkommen weitestgehend vor finanziellen und sozialen Abstürzen geschützt hätten.
Gleichbleibend hohe absolute Armut
Sorgen macht Michael Dittrich aber die Konstanz bei den von absoluter Armut betroffenen und erheblich materiell und sozial benachteiligten Menschen. Deren Anteil hatte sich 2023 fast verdoppelt und ist 2024 gleich hoch geblieben. Rund 336.000 Menschen gelten demnach als „absolut arm“. Sie können sich mindestens sieben von 13 EU-definierten Merkmalen und Aktivitäten des alltäglichen Lebens nicht leisten. Dazu zählen beispielsweise unerwarteten Ausgaben in Höhe von 1390 Euro, ein Urlaub pro Jahr oder auch eine warme Wohnung.
„Das bedeutet, dass diese Gruppe am unteren Ende der sozialen Pyramide schlecht durch die Krisen der vergangenen Jahre gekommen ist und stark zugenommen hat ist“, erklärt Michael Dittrich. Die Unterstützungsmaßnahmen hätten für sie nicht ausgereicht. Die Krisenfolgen bei den vulnerablen Gruppen, darunter Personen mit geringem Einkommen, von Arbeitslosigkeit betroffene Haushalte oder Ein-Eltern-Haushalte, seien immer noch spürbar.
Keine Fortschritte bei Armutsbekämpfung im Ländle
Was die Zahlen im Ländle angeht, bleibt Vorarlberg sowohl bei der reinen Armutsgefährdung als auch bei der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung deutlich abgeschlagen auf dem vorletzten Platz aller Bundesländer, nur Wien ist noch schlechter aufgestellt. Man hat in etwa wieder das Niveau des Jahres 2014 erreicht (16,6 Prozent Armutsgefährdung und 20,1Prozent Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung). „Das bedeutet, dass man in Vorarlberg bei der Armutsbekämpfung in zehn Jahren kaum vorangekommen ist und die hehren Ziele sowohl im Regierungsprogramm 2014 als auch in dem von 2019 deutlich verfehlt hat“, kritisiert der Sprecher der Armutskonferenz.
Weil das Bundesland zu klein ist, können für Vorarlberg keine statistisch relevanten Aussagen zum Anteil der von absoluter Armut Betroffenen gemacht werden. Es sei allerdings davon auszugehen, dass die Entwicklung im Westen nicht viel anders ist als im Bund. Sollte dies zutreffen, müsste man von rund 15.000 Menschen in absoluter Armut in Vorarlberg ausgehen.
Sparmaßnahmen mit Sorge betrachtet
Die derzeit auf Bundes- wie auch Landesebene angekündigten Sparmaßnahmen nach dem Motto, jeder müsse einen Beitrag leisten, sieht Dittrich als völlig falschen Ansatz. „Das untere Drittel der Bevölkerung und insbesondere die mit erheblichen sozialen und finanziellen Benachteiligungen können keinen Beitrag leisten. Vor diesem Hintergrund ist es fatal, dass Arbeitslosengeld und Notstandshilfe nicht indiziert wurden und stattdessen auch noch die Zuverdienstmöglichkeiten beim Arbeitslosengeld gestrichen werden.“ Ein Viertel der Arbeitslosen lebe in absoluter Armut. Sparmaßnahmen bei Arbeitslosen seien ideologiegetriebener Unfug, der angesichts der angeführten Zahlen an Realitätsverweigerung grenze und schnellstens geändert werden sollte!“
Auch bei Unterstützungsmaßnahmen für den Wohnbedarf inklusive des Energiebedarfes gibt es aus Sicht von Michael Dittrich nichts zu sparen, sondern nachzubessern. „Auf Bundesebene halten wir die Abschaffung des Klimabonus für die unteren Einkommensgruppen für grundfalsch. Auf Landesebene müsste zum einen der Heizkostenzuschuss zumindest wieder auf das Niveau während der Teuerungsphase erhöht werden. Zum anderen müssten schnellstens die Vorarlberger Sätze für den Wohnbedarf in der Sozialhilfe an die Realität angepasst werden“, fordert Dittrich. Diese seien seit 2022 nicht mehr an die Inflation bzw. Preisentwicklung angepasst, sodass sie heute nicht einmal mehr die Kosten für eine neue gemeinnützige Wohnung decken. „Das ist fatal und peinlich!“
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