"Ein Militärputsch"

Mursi am Ende: Präsident von Armee abgesetzt

Ausland
04.07.2013 11:26
Ägyptens Armee hat Präsident Mohammed Mursi (Bild) nach Ablauf eines Ultimatums am Mittwochabend abgesetzt und festgenommen. Nach dem Aufstand des Militärs gegen den Präsidenten ist die Verfassung vorübergehend außer Kraft gesetzt. Das Land solle nun eine Regierung aus Technokraten bekommen. Mursi will den Putsch nicht wahrhaben und betonte in einer Fernsehansprache, er sei weiterhin "der gewählte Präsident Ägyptens" und das Volk müsse seine "Legitimität verteidigen".

Auf einer der offiziellen Twitterseiten des Staatsoberhauptes hieß es am Mittwochabend, das Vorgehen des Militärs werde von allen freien Menschen, die für ein ziviles, demokratisches Ägypten gekämpft hätten, abgelehnt. Zugleich rief er die Ägypter auf, friedlich zu bleiben und ein Blutvergießen zu vermeiden.

"Es gibt einen Militärputsch"
Mursis Sicherheitsberater Essam al-Haddad warf der Armee einen Staatsstreich vor. "Im Interesse Ägyptens und für die historische Genauigkeit, lasst uns das, was passiert, beim Namen nennen: ein Militärputsch", erklärte al-Haddad via Facebook. "Während ich diese Zeilen schreibe, bin ich mir vollkommen bewusst, dass es vielleicht die letzten sind, die ich auf dieser Seite veröffentlichen werde", schrieb Mursis Berater weiter.

Militär: "Wir wollen nicht an der Macht bleiben"
Das Militär versicherte, "nicht an der Macht bleiben" zu wollen. Vielmehr sollen nach einer kurzen Interimsphase unter der Führung des Verfassungsgerichtspräsidenten Adli Mansour als Staatschef - der bereits als Übergangspräsident vereidigt wurde (siehe Video in der Infobox) - Wahlen stattfinden. Armeechef Abdel Fattah al-Sisi (kl. Bild) kündigte die Bildung einer Regierung aus Fachleuten an. Die islamistisch geprägte Verfassung soll außer Kraft gesetzt und überarbeitet werden.

Zehntausende Demonstranten auf dem Tahrir-Platz jubelten nach Bekanntwerden des Machtwechsels. Feuerwerksraketen stiegen in den Himmel, hupende Autokorsos kreuzten durch die Stadt. Bei Zusammenstößen zwischen enttäuschten Anhängern Mursis und Sicherheitskräften in mehreren Städten wurden in der Nacht auf Donnerstag mindestens sieben Menschen getötet.

Militär sichert wichtige Infrastruktur
Am Abend, nach Ablauf des Ultimatums (siehe auch Infobox), hatten bereits Soldaten mit Barrieren und Stacheldraht die Kaserne abgeriegelt, in der sich Mursi aufhielt. Panzer und Soldaten bezogen nahe einer Demonstration von Mursi-Anhängern in Kairo Stellung. Aus Militärkreisen verlautete, es gebe ein massives Truppenaufgebot in den Vierteln Nasr City, Heliopolis und in der Nähe der Universität. Die staatliche Zeitung "Al-Ahram" berichtete, die Panzer seien ausgerückt, "um Gewaltakte zu verhindern, die die nationale Sicherheit bedrohen könnten". Auch Rundfunkanstalten wurden vom Militär besetzt.

Mursi "vorsorglich" festgehalten
Donnerstag früh teilte ein ranghoher Armeevertreter mit, dass Mursi "vorsorglich" festgehalten werde. Dies könnte darauf hindeuten, dass eine Strafverfolgung des abgesetzten Präsidenten geplant ist. Die Sicherheitskräfte nahmen zudem den Führer der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit - des politischen Arms der Muslimbrüder -, Saad al-Katatni, sowie den stellvertretenden Chef der Muslimbrüder, Rashad Bajumi, fest. Laut "Al-Ahram" wird noch nach 300 Mitgliedern und Führern der Muslimbruderschaft gefahndet.

Die Staatskrise in Ägypten hatte sich am Mittwoch zugespitzt. Ägyptens Armee wollte einen letzten Versuch unternehmen, die dramatische Lage zu entschärfen. Die Konfliktparteien wurden in Kairo zu einem Krisentreffen einberufen. Die Muslimbrüder wollten daran aber nicht teilnehmen und erklärten ihre Absage damit, dass das Militär kein politischer Akteur sei und damit nicht in der Position, solche Verhandlungen zu führen.

Mursi: "Werde mich dem Druck nicht beugen"
Mursi, der seine religiösen und politischen Wurzeln in der Muslimbruderschaft hat, hatte sich bis zuletzt nicht kompromissbereit gezeigt. Er sei auf legitime Weise gewählt und werde sich dem Druck nicht beugen, sagte er in der Nacht auf Mittwoch in einer Fernsehansprache. Der Sprecher der regierenden Muslimbruderschaft, Gihad al-Haddad, bekräftigte den Widerstand der Islamisten gegen eine Entmachtung Mursis. "Der einzige Plan, den die Menschen angesichts eines Putschversuchs haben, ist, sich vor die Panzer zu stellen", erklärte er am Mittwoch.

Obama "zutiefst besorgt"
US-Präsident Barack Obama zeigte sich "zutiefst besorgt" angesichts der Entmachtung Mursis. Die Regierung in Washington werde mögliche Auswirkungen auf US-Hilfen für Ägypten prüfen. Obama warnte vor "willkürlichen Festnahmen" Mursis und seiner Anhänger. Die USA ordneten die Evakuierung ihrer Botschaft in Kairo an und rieten US-Bürgern von Reisen nach Ägypten ab.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich besorgt über das Eigenreifen der ägyptischen Armee in die Politik. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte rasche Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sowie die Verabschiedung einer Verfassung. Die Übergangsregierung in Kairo müsse alle politischen Strömungen mit einschließen und Menschenrechte sowie rechtsstaatliche Prinzipien achten, erklärte Ashton.

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