Touristen in Venedig
„Ich bin genervt – aber ich versteh‘ es!“
Samstagmorgen in Venedig, Tag drei der Testphase für Eintrittsgebühren in die Stadt der Gondeln und der Brücken. Am Bahnhof Santa Lucia wird in wenigen Minuten der Nightjet aus Wien eintreffen. Die „Krone“ ist mit dabei und hat sich angeschaut, wie es in „Venezialand“ abläuft.
Kontrolleure in ihren orangen Westen stehen bereit. Sie werden überprüfen, ob die Touristen, die der Zug gleich ausspucken wird, sich registriert oder bezahlt haben. An insgesamt 15 Kontrollpunkten quer durch die Lagunenstadt ist das möglich. Einer der größten befindet sich bei Santa Lucia, ganz in der Nähe ist auch die Endstation des Flughafenbusses.
Jeder hier hat sein Handy in der Hand, manche sind besser vorbereitet als andere. An einem überdachten Schalter werden jene empfangen, die keinen Code haben. Links warten Kassiere auf Tagesbesucher, rechts stehen Automaten und Drucker für Ausnahmen.
„Salzburg diskutiert das auch“
Frau Elizabeth hat Glück. Sie ist schon vor dem Start der Eintrittsgebühren und Registrierung in Venedig angekommen. Für sie geht es heute wieder zurück nach Schlierbach: „Salzburg diskutiert das auch“, erinnert sie sich. „Die Tagestouristen kommen, bringen den Müll und gehen dann wieder, ich verstehe das schon.“ Ob die Erlöse der Stadt auch was bringen werden? „Bei den Millionen müsste ja was zusammenkommen.“
Allerdings: In den ersten zwei Tagen waren es knapp 200.000 Euro an Gebühren, die Venedig als erste Stadt der Welt jetzt einhebt. Mit zirka 14 Millionen Besucher pro Jahr könnte es ein Neuanfang sein. Denn die Stadt versinkt im Wasser, viele der Palazzi und Häuser sind renovierungsbedürftig – bis jetzt hat dafür immer das Geld gefehlt.
Ernst aus dem Salzkammergut ist mit seiner Gattin nach Venedig gereist. Das Pensionistenpaar ist nicht zum ersten Mal in der Gondelstadt. Den Preis für den Tagesausflug findet er mehr als gerechtfertigt. „Skifahren gehen in Österreich ist viel teurer.“ Die Auswirkungen des Massentourismus kennt er nur zu gut. „Die Touristen in Hallstadt kommen in den Garten und schauen bis in das Schlafzimmer hinein. Wo hört das auf? Irgendwann ist es einfach zu viel. Natürlich ist der Tourismus ein wichtiges Geschäft, aber es gibt Grenzen.“
„Bin genervt – aber es muss ja was getan werden“
Sybille ist mit dem Zug aus Berlin angereist. Die Anmeldung für ein Tagesticket erstellt sie am Handy während unseres Gesprächs. „Sie sehen, ich bin genervt“, lacht sie. Im Endeffekt überwiegt bei ihr Verständnis für das Experiment. „Es muss ja was getan werden. Alles kostet Geld. Es müssen nicht so viele Touristen hier sein. Ich bin kein touristischer Mensch, fünf Euro find’ ich gut, damit die Stadt etwas für die Umwelt tun kann. Die Organisation ist vielleicht ein bisschen nervig, bei all den Daten, die man angeben muss.“ Sie tippt ein letztes Mal auf ihr Handy. „Jetzt aber!“
Der Bürgermeister von Venedig hat sich für organisatorische Pannen in den ersten Tagen bereits entschuldigt.
Gegenüber am Canal Grande tuckeln Gondeln durch die Wasserstraßen, dazwischen sieht man Boot-Taxis und Vaparettos. Lorenzo und seine Freundin aus Verona sind ebenfalls mit Code unterwegs. „Es ist besser so für die Stadt, vielleicht für die Besucher nicht, aber man hat ja die Wahl.“ Wer ohne QR-Code durch die Stadt marschiert, muss mit Strafen zwischen 25 und 300 Euro rechnen.
50.000 Einwohner gegen 14 Millionen Touristen
Claudio, der mit seiner Frau am Piazzale Roma auf Freunde wartet, macht sich Sorgen, ob die Stadt das eingehobene Geld auch richtig einsetzen wird, und ist skeptisch. „Ich hoffe wirklich, dass dieses Geld in die Erhaltung von Venedig investiert wird, und nicht auf andere Art und Weise verloren geht.“
70 Infoboxen weisen auf die neue Maßnahme hin, täglich sind 130 Mitarbeiter der Stadt im Einsatz, geben Informationen, kontrollieren und scannen die QR-Codes. Venedig wehrt sich – den 50.000 Einwohnern stehen 14 Millionen Touristen pro Jahr gegenüber.
„No grandi Navi“ – „Keine großen Schiffe“ liest man immer wieder auf Graffitis oder Fahnen, die Bewohner gehisst haben. Sie sind eine Anspielung auf das Verbot für das Anlegen von Kreuzfahrtschiffen, die seit 2021 die Stadt nicht mehr direkt anfahren dürfen. Denn die von den Riesendampfern verursachten Wellen bedrohten die Fundamente der alten Gebäude.
Auch Bürgerproteste forderten ein Ende dieses Massentourismus. Mit den fünf Euro pro Tagestourist hat die meistbesuchte Stadt der Welt ein neues Kapitel aufgeschlagen.
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