Seit 40 Jahren werden im Wiener AKH Herzen verpflanzt. Verglichen mit damals sind die heutigen Umstände „ein Wunder“, wie Österreichs ältester Mensch mit Spenderherz meint. Alltag sind die Operationen allerdings auch heute noch nicht – weder für die Mediziner noch für die Patienten.
Auch für Chef-Intensivmedizinerin Edda Tschernko ist es jedes Mal aufs Neue „mystisch und sehr schön, wenn ein Herz in einem neuen Körper zu schlagen beginnt“. Dabei findet im Wiener AKH im Schnitt fast jede Woche eine Herztransplantation statt, und das seit exakt 40 Jahren. Operiert werden Patienten „vom Neugeborenen bis ins hohe Alter“, so Daniel Zimpfer, Leiter der Herzchirurgie am AKH – und das mit immer besseren Resultaten.
Ein „ganz normales“ zweites Leben
1783 Operationen waren es bisher, die letzte an einem Kind erst in der Nacht vor der Jubiläums-Pressekonferenz. Der dort ausgestellte Transportcontainer (Bild unten) für das Spenderherz war immer noch kühl. Patient Nummer fünf im Jahr 1985 war Walter Weiss. Er lebt seit 39 Jahren wieder „ein ganz normales Leben, würd‘ ich sagen – ich kann Rad fahren, ich kann wandern, ich habe Europareisen gemacht mit dem Campingbus, bis ans Nordkap.“ Nun müsse er sich aber langsam einschränken. Das liege wohl am Alter. Deshalb habe er sich nun ein E-Bike gekauft. Im Mai wird Herr Weiss 80 Jahre alt.
Für Herrn Weiss ist sein Leben mit Spenderherz bis heute „ein Wunder“, vor allem dank der medizinischen Fortschritte in den letzten vier Jahrzehnten. Musste er anfangs noch umständlich Medikamente mit schweren Nebenwirkungen selbst anmischen – „das war nicht angenehm“ – , gibt es heute relativ gut verträgliche Tabletten. Andreas Zuckermann, Leiter des Herztransplantationsprogramms am AKH, bestätigt, dass es in den letzten vier Jahrzehnten die größten Fortschritte in diesem Bereich gab: „Abstoßungsreaktionen sind heute de facto kaum mehr ein Thema.“
Medizinischer Fortschritt lässt hoffen
Auch die Zukunft der Transplantationsmedizin liegt aus Zuckermanns Sicht in immer besseren Medikamenten gegen Abstoßungsreaktionen: mit künftig vielleicht personalisierten Medikamenten, die von künstlicher Intelligenz auf den Patienten persönlich „maßgeschneidert“ werden. Doch auch bei der Bewahrung von Spenderherzen gibt es Fortschritte. Noch im April beginnen im AKH Tests mit einem Container, der ein Spenderherz künstlich am Schlagen hält und deshalb auch längere Transportwege erlaubt.
1985 war Herr Weiss die Ausnahme, heute sind erfolgreiche Operationen die Regel: Drei Viertel der Patienten wird inzwischen mit Transplantationen für mindestens zehn Jahre ein neues Leben geschenkt. Staunend sinniert Herr Weiss darüber, dass er sich damals gedacht habe, dass er seinen dreijährigen und seinen elfjährigen Sohn nie groß werden sehen würde: „Heute sind das auch schon ältere Herren.“ Bei einem Symposium, mit dem das AKH auf 40 Jahre Herztransplantationen zurückblickt, wird er demnächst auch seine beiden Operateure von damals wiedersehen.
Bis heute werden die Transplantationen immer auch psychologisch begleitet, da es jedes Mal um Herzen geht, die in jemandes anderem Körper zu schlagen aufgehört haben. Der Umgang mit Angehörigen sei extrem heikel, bestätigt Intensivmedizinerin Tschernko. Auch die Empfänger bekommen psychologische Betreuung: Nicht nur ihr Körper, sondern auch ihre Seele muss das neue Herz annehmen – auch wenn sich da ebenfalls die Zeiten geändert haben: Inzwischen weiß kein Patient mehr, von wem sein Herz kommt. Bei Herrn Weiss war das anders: Er ist sich bewusst, dass in seiner Brust das Herz einer 26-jährigen Frau schlägt, deren Leben 1985 endete.
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