Lange Wartezeiten auf Termine, Ärzte am Limit - mehr und mehr Beitragszahler fühlen sich im Stich gelassen, schließen Privatversicherungen ab.
Wochenlange Wartezeiten für einen Termin beim Kassenarzt trotz quälender Schmerzen oder verdächtiger Symptome – endlich im Wartezimmer angelangt, wird der Patient in ein paar Minuten abgefertigt, fühlt sich allein gelassen, obwohl er einen beachtlichen Teil seines Lohns Monat für Monat in die Kassa der Sozialversicherung einzahlt.
Unser Gesundheitssystem, einst Meilenstein österreichischer Sozialpolitik, pfeift aus dem letzten Loch. Schon jetzt spüren die Beitragszahler, dass immer mehr Leistungen gestrichen werden. Denn steigende Ausgaben stehen bedingt durch den demografischen Wandel sinkenden Einnahmen gegenüber. Das lässt wiederum die Privatversicherungen jubeln.
Denn das Interesse an privater medizinischer Vorsorge steigt – früher eher etwas für Menschen mit Topeinkommen, heute immer mehr von Durchschnittsverdienern unter 35 Jahren gewählt. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Umfrage der Wiener Städtischen, durchgeführt vom Gallup Institut.
Hier sehen Sie eine Grafik zu den Gründen für eine private Gesundheitsvorsorge.
Während im Vorjahr noch 32 Prozent eine private Versicherung strikt abgelehnt haben, sind es 2023 nur noch 26 Prozent. Mittlerweile hat knapp jeder Zweite eine Privatarzt- oder Sonderklasseversicherung, viele sogar beides. Denn das Vertrauen der Österreicher in das staatliche Gesundheitswesen sinkt rapide, die Angst der Bürger steigt.
Großes Vertrauen in die asiatische Heilkunst
Selbst die klassische Schulmedizin muss Federn lassen. So sehen mittlerweile drei von vier Befragten die Alternativ- beziehungsweise Komplementärmedizin als Teil der gesundheitlichen Versorgung in unserem Land. Mehr als die Hälfte hat bereits Erfahrungen mit Behandlungen dieser Art, knapp ein Fünftel hat eine innerhalb der vergangenen 12 Monate in Anspruch genommen.
Bei 37 Prozent der Befragten ist das Interesse am Abschluss einer Privatversicherung in den vergangenen zwölf Monaten gestiegen.
Sonja Steßl, Vize-Generaldirektorin der Wiener Städtischen
Bild: MARLENE FROEHLICH LUXUNDLUMEN
Die Mehrheit davon sieht Akupunktur, Homöopathie, Bachblüten oder TCM als optimale Ergänzung zur Schulmedizin. Ein Sechstel zieht überhaupt die alternativen Heil- oder Präventionsmethoden den klassischen Behandlungen vor.
Doch es gibt einen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Während Frauen eher zu homöopathischen Mittelchen oder Bachblüten greifen, setzen Männer auf Reize durch Nadelstiche. Sie bevorzugen die Akupunktur.
Männer holen bei gesunder Ernährung und Sport auf
Am häufigsten wird bei Nacken- und Rückenproblemen ein Komplementärmediziner konsultiert, gefolgt von Stressauswirkungen und Magen- und Darmbeschwerden. Bei Kindern vertrauen vor allem Mütter auf alternative Heilmethoden, speziell dann, wenn es um Allergien ihrer Sprösslinge geht. Das starke Geschlecht holt seit der Corona-Pandemie übrigens in Sachen Gesundheitsbewusstsein auf. Dazu gehören gesunde Ernährung und Sport.
Zurückhaltung bei mentalen Problemen
Insgesamt fühlen sich Herr und Frau Österreicher körperlich fit. Immerhin bewerten 60 Prozent der Studienteilnehmer ihren aktuellen physischen Gesundheitszustand mit Sehr gut oder Gut. Geht es um mentale Probleme, sind die Österreicher zurückhaltend. Immer noch fällt es ihnen leichter, über einen gebrochenen Fuß zu sprechen als über psychische Probleme. Dabei herrscht die Ansicht: Das kann ich selbst regeln.
Kinder sind durch die Auswirkungen der Pandemie weiter mental belastet. Der Anteil der Mädchen und Buben, die aus Sicht ihrer Eltern aktuell psychisch belastet sind, beträgt 39 Prozent.
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