Kurz vor Haftantritt

Neonazi in Frauenkleidern plötzlich verschwunden

Ausland
02.09.2025 22:22

Der Fall um einen deutschen Neonazi in Frauenkleidern hat eine dramatische Wendung genommen: Die rechtsextreme Person Marla Svenja Liebich, vormals Sven, ist plötzlich auf der Flucht. Ihr Abtauchen wurde groß inszeniert – und stellte die Behörden einmal mehr bloß ...

Liebich erschien nicht zu ihrem Haftantritt im Frauenknast Chemnitz, wo sie eine 18-monatige Freiheitsstrafe wegen zweifacher Volksverhetzung verbüßen sollte. Stattdessen wurde am Freitag bei einer Versammlung ihrer rechtsextremen Anhänger vor der Haftanstalt eine Sprachnachricht abgespielt, die ihre Flucht verkündete.

Ein Sprecher der Polizei in Chemnitz bestätigte wenig später vor Journalisten den Sachverhalt. Aus der Nachricht gehe hervor, „dass die Person, die die Haft antreten sollte, sich unpässlich fühlt und in ein Drittland abgesetzt hat“. Die angemeldete Kundgebung ihrer Unterstützer wurde daraufhin aufgelöst.

Eigene Flucht groß inszeniert
Auch auf Liebichs Account im Onlinedienst X, der laut dortigen Angaben von mehreren Personen bedient wird, wurde das Untertauchen angedeutet. In einer kryptischen Botschaft hieß es: „Alle Augen werden auf die Kulisse gelenkt, während das Objekt im Schatten verschwindet.“ In dem Beitrag wurde zudem Empörung darüber geäußert, dass nun per internationalem Haftbefehl nach ihr gesucht werde.

Liebich trat früher als Sven auf.
Liebich trat früher als Sven auf.(Bild: Heiko Rebsch / dpa / picturedesk.com)
Jetzt trägt die umstrittene Persönlichkeit Ohrringe und Lippenstift.
Jetzt trägt die umstrittene Persönlichkeit Ohrringe und Lippenstift.(Bild: Sebastian Willnow / dpa / picturedesk.com)

Die Behörden wurden offenbar völlig überrascht. Die Polizei rechnete wegen der relativ kurzen Haftstrafe (18 Monate) offenbar nicht mit einer Flucht, berichten deutsche Medien übereinstimmend. Weder Familie noch Anwalt seien über die Pläne informiert gewesen.

Die Causa Liebich ist vor allem deshalb so brisant, weil sie aktuell eine Debatte über das neue deutsche Selbstbestimmungsgesetz befeuert. Kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes hatte die bis dahin als Sven Liebich bekannte Person ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern lassen. Der Verdacht steht seither im Raum, dass die Rechtsextremistin, die nun mit Lippenstift, goldenen Ohrringen und Oberteilen im Leopardenmuster auftritt, die Gesetzesänderung nur ausgenutzt habe, um die Justiz zu verhöhnen und ihre Haftbedingungen zu beeinflussen.

Hintergrund

  • Das von der früheren deutschen Ampelkoalition verabschiedete Selbstbestimmungsgesetz vereinfacht eine Änderung des Geschlechtseintrags.
  • Eine persönliche Erklärung beim Standesamt ist ausreichend, um Vorname und Geschlecht anpassen zu lassen – ohne ärztliche Atteste oder Gerichtsentscheidungen.
  • Bürgerrechts- und Transsexuellenorganisationen vermuten hinter Liebichs Vorgehen eine gezielte Provokation, da Homosexuellen- und Transfeindlichkeit zentrale Mobilisierungsthemen der rechtsextremen Szene sind.

Konkret ging es um die Frage, ob sie in einem Frauen- oder Männergefängnis untergebracht werden würde. Das sächsische Strafvollzugsgesetz sieht zwar eine getrennte Unterbringung vor, eine Neuregelung von 2024 erlaubt aber in Einzelfällen Ausnahmen unter Berücksichtigung der „Persönlichkeit und der Bedürfnisse der Gefangenen“.

Ein bekannter Neonazi in Frauenkleidern
Liebich ist eine überregional bekannte Figur der rechtsextremen Szene in Deutschland. Sie ist bereits mehrfach einschlägig vorbestraft, wurde bisher aber nur zu Geld- oder Bewährungsstrafen verurteilt. So erhielt sie 2022 eine Bewährungsstrafe wegen Volksverhetzung und Verleumdung der Grünen-Politikerin Renate Künast und des früheren SPD-Chefs Martin Schulz.

In Sachsen-Anhalt fiel Liebich in der Vergangenheit vor allem durch ihre Auftritte bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen sowie durch die Verbreitung prorussischer Propaganda nach Beginn des Ukraine-Kriegs auf. Sie wird auch in Verfassungsschutzberichten wiederholt erwähnt.

Rechtskräftig verurteilt
Die nun zur Vollstreckung anstehende Haftstrafe von eineinhalb Jahren ohne Bewährung wurde im Juli 2023 vom Amtsgericht Halle verhängt. Die Verurteilung erfolgte wegen zweifacher Volksverhetzung, übler Nachrede und Billigung eines Angriffskriegs. Das Landgericht Halle bestätigte die Entscheidung, wobei der Angeklagte damals noch als Sven Liebich auftrat.

Das Oberlandesgericht Naumburg hob zwar den Teil des Urteils bezüglich der Billigung eines Angriffskriegs aus verfahrenstechnischen Gründen auf, bestätigte aber die für die Haftstrafe maßgebliche Verurteilung wegen zweifacher Volksverhetzung. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

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