Erdogan-Siegesfeiern mitten in Wien stehen für Bürgermeister Michael Ludwig in einer Kategorie mit Anti-Corona-Demos. Die Feiern seien „laut, aber friedlich“ gewesen, resümiert er.
Dass Favoriten am Sonntagabend von Fans des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan lahmgelegt wurde und auch in anderen Teilen Wiens lautstark Erdogans Wahlsieg gefeiert wurde, sieht Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) nicht als Zeichen eines Integrationsproblems. „Das war eine Veranstaltung, die zwar sehr laut, aber friedlich abgelaufen ist. Es hat Verwaltungsübertretungen gegeben. Die Wiener Polizei hat das sehr genau geprüft, und in Einzelfällen hat es auch Anzeigen gegeben", resümierte Ludwig. Inhaltlich wollte er die Kundgebungen nicht bewerten.
Ich kommentiere keine Wahlergebnisse in anderen Ländern. Ich würde mir auch verbitten, wenn andere Länder Wahlergebnisse in Wien kommentieren. Das ist eine Entscheidung der türkischen Bevölkerung.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig
Bild: APA/GEORG HOCHMUTH
Erdogan-Feiern wie Anti-Covid-Demos?
Zu den Erdogan-Kundgebungen nahm Ludwig während der Präsentation des „Städtebarometers“ Stellung. Das besagt unter anderem, dass sich ein Drittel der Stadtbevölkerung „nicht von der Gemeinschaft angenommen“ fühlt. Dass die Erdogan-Feiern auch ein bewusstes Zeichen der Positionierung gegen die Mehrheitsgesellschaft waren, will Ludwig nicht ausschließen, zieht aber Parallelen zu anderen Demonstrationen: „Wir waren in Wien lange Zeit hindurch konfrontiert mit Aufmärschen, wo aus anderen Bundesländern viele Menschen mit Bussen gekommen sind, um ihre aus verschiedenen Gründen gespeiste Unzufriedenheit zu dokumentieren. Davon waren die wenigsten Wienerinnen und Wiener. Also zeigt sich, dass das ,sich nicht angenommen Fühlen‘ unterschiedliche Gründe haben kann.“
Die Wiener ÖVP sah in Ludwigs Aussagen einen Beleg dafür, dass „die SPÖ sich im absoluten Negieren der massiven Integrationsprobleme in Wien übt“. Es gehe nicht um eine „friedliche Feier“, sondern um „importierten Nationalismus“, so Parteichef Karl Mahrer.
Rekordbeteiligung bei Wahl unter Türken in Österreich
Rund 108.000 Türken in Österreich waren bei der Stichwahl vergangenes Wochenende wahlberechtigt. Knapp 40 Prozent leben in Wien. Beim ersten Wahlgang haben 62.349 Türken ihre Stimme auch abgegeben. In Österreich wurde dabei eine Rekordbeteiligung von 56,17 Prozent verbucht, um gut sieben Prozent mehr als vor fünf Jahren.
Im Rennen um die türkische Präsidentschaft fallen ihre Stimmen zwar nur wenig ins Gewicht, die symbolische Wirkung ist aber um ein Vielfaches höher. Österreich ist fest in der Hand Erdogans. Doch die türkischen Spuren in Österreich gehen wesentlich tiefer. Denn mit Stichtag 1. Jänner 2023 lebten 161.078 in der Türkei Geborene in Österreich - 65.646 alleine in Wien. Bereits 14 Prozent der zwei Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich haben türkische Wurzeln, und rund 59% der Bevölkerung mit Migrationshintergrund aus der Türkei sind österreichische Staatsangehörige.
Jedoch: Bei Türken mit einer längeren Migrationsgeschichte kommen enge Freunde überwiegend aus dem eigenen Herkunftsland. Paradox: Ein Viertel der Zugewanderten aus der Türkei fühlt sich von Politikern im Herkunftsland besser vertreten als von österreichischen Politikern. Das geht aus dem aktuellen Bericht zum gesellschaftlichen Zusammenhalt hervor.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.