Nach Nehammer-Vorstoß

So wirksam sind Zäune an den Grenzen wirklich

Ausland
10.02.2023 21:58

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wurde zuletzt nicht müde zu betonen, dass es in der EU eine Kehrtwende in Sachen Migrationspolitik brauche und forderte gar einen Zaun an den EU-Außengrenzen. Doch handelt es sich dabei nur um reine Symbolpolitik oder können Mauern und Zäune wirklich einen Effekt bei illegaler Migration haben? Migrationsexperte Florian Trauner klärt auf.

Die EU-Staaten haben sich beim großen Migrationsgipfel in Brüssel auf einen schärferen Kampf gegen irreguläre Migration und Schlepperei an den Außengrenzen geeinigt. Der zuvor von Nehammer geforderte Zaun fand in der Schlusserklärung jedoch keine konkrete Erwähnung, wie sich der Kompromiss der Staaten nun in politische Maßnahmen umsetzen lassen wird, muss sich erst zeigen.

Während die Meinungen in der Migrationsthematik, aber auch unter den EU-Staaten teils diametral auseinandergehen, versucht der Migrationsforscher Trauner konkrete Fakten in die so breit diskutierte Forderung nach einer Festung Europas zu bringen.

Zahl der Grenzbarrieren stark gestiegen
Während es etwa im Jahr 1989 nur sechs Grenzmauern weltweit gab, schnellte die Zahl mittlerweile auf 74 hinauf, wie Trauner auf Twitter ausführt. So gab es etwa im vergangenen Jahr in der EU derartige Begrenzungen an rund 1500 Kilometern der Außengrenze - das entspricht etwa 13 Prozent der Gesamtlänge.

Zäune werden eher länger als kürzer
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sich diese Zahl „möglicherweise erheblich“ erhöhen, so Trauner. Denn Finnland hat bereits angekündigt, an den wichtigen Abschnitten seiner Landgrenze zu Finnland ebenfalls Grenzzäune bauen zu wollen - die betroffene Grenze ist 1300 Kilometer lang. Auch im nun oft als Beispiel genannten Bulgarien gibt es bereits eine 237 Kilometer lange Mauer zur Türkei - ebendiese soll nun laut der österreichischen Forderung mit zwei Milliarden Euro aus EU-Mitteln verstärkt werden.

Trauner hält dies jedoch für eine „symbolische“ Forderung - schließlich würden derartige Anlagen bereits jetzt auch ohne EU-Gelder finanziert, etwa auch durch Unterstützung anderer Staaten. So hat beispielsweise Tschechien einen Beitrag zur Grenzmauer von Litauen geleistet.

Zur Person

Florian Trauner ist Direktor des Forschungszentrums für Migration, Diversität und Justiz und Inhaber des Jean-Monnet-Lehrstuhls für Professoren oder sonstige angesehene Hochschullehrer, die sich auf EU-Studien spezialisiert haben.

Trauners Forschungsarbeiten befassen sich mit dem europäischen Integrationsprozess, wobei sein Schwerpunkt auf der Asyl-, Migrations-, Grenzkontroll-, Rückkehr- und inneren Sicherheitspolitik der EU liegt.

Mauern haben vor allem lokalen Effekt
Tatsächlich haben Mauern einen Effekt, führt Trauner weiter aus. So sind sie einerseits eine „gut sichtbare und symbolische Maßnahme für eine restriktive Haltung gegenüber Migration“, so der Experte. Außerdem führen sie tendenziell zu einem Rückgang der Migrationszahlen an jenen Abschnitten, an denen die Mauern befestigt werden.

Man muss aber auch die negativen Nebeneffekte dieser Anlagen berücksichtigen: So bekämpfen sie nicht die Ursachen für den Migrationsdruck, sie wirken sich oft negativ auf die lokalen Ökosysteme und die Tierwelt aus. Außerdem unterbrechen sie den wirtschaftlichen und sozialen Austausch auf lokaler und nationaler Ebene, erklärt Trauner.

Zu kurz gedacht?
Vor allem aber lenken sie die Migrationsströme nur auf gefährlichere Routen (etwa auf die Seewege) um, weshalb in weiterer Folge die Zahl der Todesfälle auf der Flucht steigt. Dies hätte sich etwa bei der Schließung der westlichen Balkanroute auf dem Landweg im Jahr 2015 gezeigt, erinnert Trauner.

So wurden im Juli 2016 auf der zentralen Mittelmeerroute in einem Monat mehr als 3000 Todesfälle registriert - ein Anstieg von 50 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor.

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