Quantencomputer-Bau

Raumfahrtzentrum DLR setzt auf Know-how aus Tirol

Elektronik
03.11.2022 16:00

Das Innsbrucker Unternehmen Parity Quantum Computing GmbH (ParityQC) ist Teil eines Konsortiums, das für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Quantenrechner konstruieren und bauen wird. In den nächsten vier Jahren werde man unter anderem mit dem Chiphersteller NXP und der deutschen Firma eleQtron Teile des insgesamt 208,5 Millionen Euro schweren Auftrages abwickeln, erklärten ParityQC-Mitgründer Magdalena Hauser und Wolfgang Lechner am Donnerstag.

Mit der Planung und dem Bau von Quantencomputern beschäftigen sich zahlreiche Forschungsgruppen weltweit - es sei ein regelrechtes Rennen entbrannt, hieß es. Das Ziel ist, mit Hilfe quantenphysikalischer Phänomene bestimmte Rechenaufgaben um ein Vielfaches schneller als herkömmliche Computer zu lösen. Anders als die kleinste Informationseinheit (Bit) eines konventionellen Computers, die nur exakt zwei Zustände (0 und 1) einnehmen kann, können die Qubits genannten Informationseinheiten des Quantencomputers mehrere Zustände gleichzeitig darstellen. Qubits können auf verschiedene Weise realisiert werden, etwa mit Ionen, Atomen, Photonen oder supraleitenden Schaltkreisen.

Physiker der Universität Innsbruck und vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben in den vergangenen Jahren auf Basis von Ionen, die in Fallen gehalten und mit Lasern manipuliert werden können, große Erfolge in der Umsetzung programmierbarer Quantencomputer erzielt. Mit der unternehmerischen Verwertung der Erkenntnisse aus dem universitären Umfeld heraus beschäftigt sich unter anderem ParityQC.

Einer der bisher größten Quantencomputer-Aufträge
Der DLR-Auftrag sei den Recherchen des Unternehmens zufolge einer der größten, die in dem Bereich bisher vergeben worden seien, sagte Hauser. Insgesamt fünf Quantencomputer sollen in den kommenden Jahren in Hamburg entstehen. An zwei sind die Innsbrucker beteiligt. Wie viel der Gesamtauftragssumme nach Tirol fließen wird, dürfe man aus vertraglichen Gründen in Abstimmung mit dem DLR nicht sagen, so Hauser, die für das Unternehmen auch durch diesen „sehr gut finanzierten Auftrag“ für das Jahr 2023 einen Gewinn erwartet.

Knapp 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten aktuell in der Tiroler Landeshauptstadt an der Weiterentwicklung des Ansatzes. Dabei handle es sich um eine spezielle Herangehensweise zur Konstruktion von Quantencomputern, die man als künftigen Standard etablieren möchte. Man liefere jedenfalls keine Hardware für die Rechner, sondern Baupläne, Algorithmen sowie Betriebssysteme, erklärte Lechner, der neben der „Quantenarchitekturfirma“ auch am Institut für Theoretische Physik der Uni Innsbruck tätig ist. Die Grundlagen dafür wurden im Rahmen von langjährigen Forschungsarbeiten von Lechner und seinen Innsbrucker Kollegen Philipp Hauke und Peter Zoller entwickelt und patentiert.

Heimische Forscher bei Quantencomputern vorn dabei
Im großen internationalen Rennen zu Quantencomputern, mit denen sich tatsächlich „Industrie-relevante“ Fragen lösen lassen, hätten Österreich und Europa eine gute Ausgangsposition durch bahnbrechende Grundlagenforschung - etwa durch Zoller, den ebenfalls in Innsbruck tätigen Rainer Blatt oder Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger. Bei der kommerziellen Umsetzung hinke man aber hinter den USA und China her, sagte Hauser. Der DLR-Auftrag könne aber eine Art Initialzündung für Europa in dem Bereich sein. Laut Lechner wäre es „ein Skandal“, wenn Europa hier den Anschluss verlöre.

Zusammen mit den Partnerfirmen werde ParityQC innerhalb eines Jahres einen „Quantencomputer-Demonstrator“ mit zehn Ionenfallen-Qubits konzipieren. Der soll als eine Art Übungsplattform fungieren, auf dem Forscher etwa nach Wegen suchen, allgemeine Probleme wie die Zerlegung von Primzahlen am besten abzuarbeiten. Dann soll ein aus vielen einzelnen Modulen zu je zehn Qubits bestehendes System folgen, dessen Aufbau auf die Lösung speziellerer Probleme abgestimmt ist, erklärte Lechner.

Er sei überzeugt davon, dass die ersten größeren, wirtschaftlich relevanten Fragen, die mit Quantencomputern gelöst werden, Optimierungsprobleme sein werden. Dazu zählen etwa Logistikprobleme, wie die Frage, in welcher Reihenfolge eine Lkw-Flotte möglichst treibstoffsparend eine bestimmte Route abfahren muss. Herkömmliche Supercomputer stoßen hier bald an ihre Grenzen, Quantencomputer jedoch nicht. Seitens des DLR werde man dann zum Beispiel berechnen, wie Satellitenflotten positioniert werden müssen, um die maximale Abdeckung zu erreichen, sagte der Physiker.

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