Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller über den Kampf um die Aufmerksamkeit in Partnerschaften.
Wenn Menschen in einer Liebesbeziehung miteinander Zeit verbringen, erwarten sie sich Aufmerksamkeit. Melanie, eine junge Frau Anfang 30, hatte extra einer Freundin abgesagt, um den Abend mit ihrer Partnerin zu verbringen. Aber diese wusste offenbar von nichts und starrte seit 45 Minuten auf ihr Smartphone. „Leg‘ bitte endlich das Handy weg!“ Den Abend zu zweit hatte sich Melanie anders vorgestellt.
Die Forschung zeigt, dass eine übermäßige Handy-Nutzung die Zufriedenheit in der Partnerschaft unterminiert. Das liegt vor allem daran, dass die Qualität der Kommunikation leidet. Wer abgelenkt ist vom Handy, beteiligt sich nicht mit voller Aufmerksamkeit an einem Gespräch. Das merkt man, vor allem in intimen Beziehungen.
Allerdings gibt es hier auch Unterschiede. Unter Jugendlichen ist eine entspannte Handy-Nutzung neben einer anderen Person durchaus eine akzeptierte Form, gemeinsam Zeit zu verbringen. Ihre Eltern sehen das jedoch meist anders. Auch Menschen, die von Bindungsängsten geplagt werden, leiden besonders, wenn sie mit dem Smartphone um die Aufmerksamkeit des Partners kämpfen müssen. Ignoriert zu werden bedeutet für sie eine Abwertung ihrer Person. Wie lange kann ein Mensch mit geringem Selbstwert den Entzug von Intimität aushalten? Es dauert meist nicht lange, bis es zu einem Konflikt kommt.
Wie in Melanies Beziehung ist „Handy&Chill“ der Liebestöter Nr. 1 so mancher Partnerschaft geworden. Eine Abstimmung der Erwartungen kann helfen: Was möchtest du tun, wenn wir gemeinsam Zeit verbringen? Ist es möglich, für eine bestimmte Zeit deine uneingeschränkte Aufmerksamkeit zu erhalten? Für die Dauer des Abendessens zumindest? Vielleicht könnte man gemeinsam die so faszinierenden Inhalte am Smartphone ansehen und darüber sprechen? Vielleicht versuchen Sie es auch einmal mit Sexting aus dem Nebenzimmer.
Egal, wie die Lösung aussieht: Vermutlich werden Sie nicht so schnell das Medienverhalten ihres Partners ändern können. Aber zumindest gibt es wieder einen Raum für Gemeinsames. Wenn auch das nicht mehr möglich ist, sollte man sich ehrlich fragen: Bin ich bereit, mein Sexleben auf Vibrationsanrufe umzustellen?
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