Das große Interview

Der tägliche Kampf gegen Diskriminierung in Tirol

Tirol
20.04.2022 19:00

Wer diskriminiert oder ungleich behandelt wird, kann sich in Tirol an die Stelle für Antidiskriminierung und Gleichbehandlung wenden. Die „Krone“ sprach dazu mit Leiterin Isolde Kafka. Sie weiß auch, wie viele Lifte in Tirol für gehörlose Menschen ausgestattet sind. Die Zahl macht einen nachdenklich. 

Krone: Wie viele Personen wenden sich pro Jahr an Ihre Stelle?
Isolde Kafka: Sowohl im Bereich Gleichbehandlung als auch Antidiskriminierung sind es rund 100 Personen. Im Bereich Antidiskriminierung ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen recht ausgewogen, bei der Gleichbehandlung sind es zwei Drittel Frauen.

Was sind denn die häufigsten Anliegen?
Bei der Antidiskriminierung sind die häufigsten Anfragen im Bereich Behinderung, wo es häufig um Barrieren geht. Darunter wird nicht nur die Barrierefreiheit im Bau, sondern auch im Internet verstanden. Die Anmeldetools von „tirolimpft“ und „tiroltestet“ zum Beispiel waren am Anfang nicht barrierefrei gestaltet. Mittlerweile sind wir beim Krisen- und Katastrophenschutz stärker eingebunden.

Ein spannendes Beispiel zur baulichen Barrierefreiheit: Personen, die gehörlos sind und im Lift stecken bleiben, drücken auf den Notfallknopf, wissen aber natürlich nicht, wenn sich jemand meldet. Meines Wissens gibt es in ganz Tirol nur einen einzigen Lift, der dafür mit einem Display ausgestattet ist. Er befindet sich im Zentrum für Gehörlose.

Wie sieht die Vorgehensweise bei der Bearbeitung der Anliegen aus?
Zuerst schauen wir uns den rechtlichen Hintergrund an und ob es in unsere Zuständigkeit fällt bzw. in die des Bundes, Landes oder der Gemeinde. Es gibt sieben Diskriminierungsgründe: Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung, ethnische Herkunft, Religion, Weltanschauung und Behinderung. Wenn sich beispielsweise jemand aufgrund seines sozialen Status diskriminiert fühlt, kann das zwar stimmen, aber wir können dann nichts tun.

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In Österreich gibt es bei Barrieren keinen wirklichen Anspruch auf deren Beseitigung.

Isolde Kafka

Trotzdem schauen wir in diesen Fällen aber, wohin wir sie übermitteln können. Es ist also oft sehr komplex. In manchen Fällen können die Betroffenen nach unserer Beratung ihr Anliegen auch selber klären. Ansonsten treten wir mit der Einrichtung in Kontakt und versuchen, die Sache zu klären. Es kam aber sogar schon auch zu Klagen.

Wo stoßen Sie an Grenzen?
Am häufigsten sind sie gesetzlicher Natur. In Österreich gibt es bei Barrieren keinen wirklichen Anspruch auf deren Beseitigung. Ein theoretisches Beispiel: Wenn ein Kind nicht in die gewünschte Schule gehen kann, weil es im Rollstuhl sitzt, gibt es im Ernstfall nur einen Schadensersatz für die erlittene Diskriminierung. Eine bauliche Maßnahme muss aber nicht vorgenommen werden.

Auf welchen Fall, in dem Sie helfen konnten, sind Sie besonders stolz?
Früher war die Schulstarthilfe vom Land nur für EU-Staatsbürger zugänglich. Auch weitere Hürden kamen noch hinzu. Es folgten lange politische Verhandlungen, bis schließlich ein Betroffener geklagt hat und Recht bekam. Seither haben mehr Kinder Anspruch darauf.

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Die Politik sollte das Verbindende betonen, anstatt weitere Gräben aufzureißen und Personen gegeneinander auszuspielen.

Isolde Kafka

Wo sehen Sie die Politik noch besonders gefordert?
Die Politik sollte das Verbindende betonen, anstatt weitere Gräben aufzureißen und Personen gegeneinander auszuspielen. Eine Forderung, die wir schon lange gestellt haben, ist, dass in Bauverfahren Sachverständige für Barrierefreiheit einbezogen werden. Im Architekturstudium ist das leider noch kein Pflichtfach.

Fakten

Isolde Kafka ist seit 1998 Gleichbehandlungsbeauftragte für Frauen und Männer in Tirol. Diese Aufgabe erfüllte sie mehrere Jahre neben ihrer Tätigkeit als Naturschutzfachverständige. Seit 2006 ist Kafka zudem Antidiskriminierungsbeauftragte und Leiterin der beiden Stellen. Sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen der Tirolerin bei der Bearbeitung der Anliegen.

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