Beschwerde abgewiesen

Islam-Landkarte: Datenschutz wurde nicht verletzt

Politik
10.02.2022 17:50

Viel Wirbel hat es vergangenes Jahr um die „Islam-Landkarte“ der Dokumentationsstelle Politischer Islam gegeben, in der online Standorte und Informationen zu islamischen Vereinen und Moscheen veröffentlicht wurden. Die Muslimische Jugend Österreichs (MJÖ) legte deshalb Beschwerde bei der Datenschutzbehörde ein, weil sie das Recht auf Geheimhaltung verletzt sah. Die Behörde sah keine Verletzung: Wissenschafts- und Meinungsfreiheit wiegen in diesem Fall schwerer als die Geheimhaltung personenbezogener Daten, urteilte sie jetzt. Trotzdem bleibt die MJÖ bei ihrem Standpunkt. Sie will gegen den Bescheid vorgehen.

Laut Beschwerde der MJÖ werden bei den Informationen, die auf der Website der Landkarte abrufbar sind, auch einige nicht allgemein zugängliche Daten wie Privatanschriften von Vereinsfunktionären offengelegt. Einige der Beschwerdeführer hätten aber ein besonderes Interesse an der Geheimhaltung, weil sie als muslimische Jugendorganisationen „islamophoben Anfeindungen ausgesetzt“ seien und „eine reale Gefährdung in Form physischer Angriffe gegen ihre Einrichtungen“ bestehe.

Dazu komme, dass aus Sicht der MJÖ auf der Landkarte die Einrichtungen „pauschal als gefährlich und verdächtig hingestellt“ würden. Das habe etwa dazu geführt, dass rechtsextreme Provokateure in Wien nach Veröffentlichung der Landkarte mit Warnschildern auf dort vermerkte Standorte hingewiesen hätten. Dieser politische Zweck sei mit wissenschaftlicher Forschung nicht vereinbar und habe zu einem Missbrauch jener Daten durch Dritte geführt, so die MJÖ.

Behörde: Landkarte ist von allgemeinem Interesse
Die Datenschutzbehörde hält in ihrem Bescheid von Mittwoch nun fest, dass das Grundrecht auf Wissenschafts- und Meinungsfreiheit im Fall der „Islam-Landkarte“ höher zu gewichten sei als das Recht der MJÖ auf Geheimhaltung ihrer personenbezogenen Daten. Die von der Dokumentationsstelle Politischer Islam zusammen mit der Uni Wien erstellte Karte liefere einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, da Themen rund um den Islam regelmäßig Gegenstand medialer Berichterstattung seien.

Bereits vergangenes Jahr hatte der Islam-Experte Heiko Heinisch, der im Beirat der Dokumentationsstelle sitzt, gegenüber krone.at darauf hingewiesen, dass die Adressen auf der Islam-Landkarte aus öffentlich zugänglichen Quellen wie dem Vereinsregister stammen. Weder aus diesem noch aus den Informationen der „Islam-Landkarte“ zur MJÖ und deren Landesgruppen sei ersichtlich, dass hinter den Vereinsadressen private Adressen stecken, urteilte die Datenschutzbehörde. Eine Abklärung dieser Frage würde aber eine „vernünftigerweise zu erwartende Anstrengung“ übersteigen.

Recht auf Geheimhaltung nicht verletzt
Weil personenbezogene Daten von MJÖ-Vertretern nicht verarbeitet wurden, könnten diese zudem nicht in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden sein. Den Ausführungen der MJÖ, wonach sie und ihre Landesgruppen durch die Listung auf der „Islamlandkarte“ pauschal als Einrichtungen des „politischen Islams“ dargestellt würden, kann die Datenschutzbehörde nicht folgen.

Für die Dokumentationsstelle Politischer Islam zeigt der Bescheid der Datenschutzbehörde „die große Bedeutung der wissenschaftlichen Freiheit“, hieß es in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Datenschutzrechtliche Anliegen würden stets wahrgenommen, einzeln geprüft und entsprechend umgesetzt. Die Entscheidung der Datenschutzbehörde bestätige, dass die Universität auch in diesem Fall die datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten habe, hieß es aus dem Rektorat der Uni Wien auf APA-Anfrage.

MJÖ will gegen den Bescheid vorgehen
Die MJÖ nahm die Entscheidung der Datenschutzbehörde zwar zur Kenntnis. Aber „wir stehen nach wie vor zu unserem rechtlichen Standpunkt und sehen eine Rechtsverletzung“. Deshalb werde man „jedenfalls gegen den Bescheid vorgehen“, kündigte Bundesvorsitzender Adis Serifovic in einem schriftlichen Statement an.

Wissenschaftler wurden bedroht
Die „Islam-Landkarte“ sorgte seit ihrer Präsentation im Mai 2021 wiederholt für Aufregung. Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), Ümit Vural, sprach von einem „massiven Sicherheitsrisiko“ für Muslime. Kritik kam auch von Kardinal Christoph Schönborn und dem evangelisch-lutherischen Bischof Michael Chalupka. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) wurde ebenso wie die daran beteiligten Wissenschaftler Mouhanad Khorchide und Projektleiter Ednan Aslan bedroht.

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