Es sollte ein Neuanfang werden: Drei hochrangige Sony-Manager verbeugten sich am Sonntag bei einer Pressekonferenz, um sich für die schwere Datenpanne bei den Online-Diensten PlayStation Network und Qriocity zu entschuldigen. Mehr Sicherheit und kostenlose Spiele - so sollten die Millionen Nutzer besänftigt werden. Doch dem japanischen Konzern gelang es nicht, die Negativ-Schlagzeilen aus der Welt zu schaffen. Die große Geste verpuffte, als Sony am Montag einräumte, dass die Eindringlinge auch Daten bei Sony Online Entertainment (SOE) stehlen konnten.
"Unglückliches Timing" verärgert Nutzer
Bei Sony selbst spricht man von einem "unglücklichen Timing": "Der Angriff war so gut getarnt, dass er bei einer ersten Untersuchung nicht entdeckt worden ist, sondern erst bei einer tiefgehenden Revision", erklärte das Unternehmen. Die Plattform ist derzeit vom Netz, Nutzer müssen auf Online-Spiele wie "Everquest" oder "Free Realms" verzichten.
Die Ankündigung kommt zur denkbar ungünstigsten Zeit, zumindest ein Teil der Spieler ist stinksauer. "So ganz langsam sollten sich die Damen und Herren bei Sony mal Gedanken machen, wie sie die ganze Geschichte weiter den Nutzern verkaufen wollen!", meint einer im Forum der Website ps3-talk.de. "Irgendwann laufen dem Konzern alle Kunden weg, und die lockt man dann nicht mehr mit ein paar kostenlosen Zugaben von der Konkurrenz weg."
Politik für strengeren Datenschutz
Da überrascht es nicht, dass sich die Politik zu Wort meldet. EU-Kommissarin Viviane Reding etwa kündigte am Mittwoch an, die Hersteller von Hard- und Software künftig zu mehr Datenschutz verpflichten zu wollen, während die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Sony aufforderte, die Datenpannen so schnell wie möglich aufzuklären.
"Es ist beunruhigend, dass Sony nur wenige Tage, nachdem einer der größten Datenskandale der Geschichte bekannt geworden ist, bereits die nächste schwere Panne einräumen muss", sagte die Politikerin dem "Handelsblatt" vom Mittwoch. Der Konzern müsse vor allem erklären, wie derartige Pannen zukünftig verhindert werden sollen, forderte die Politikerin. Sensible persönliche Daten müssten gesichert und vor dem Zugriff Dritter geschützt werden.
Schwere Versäumnisse bei IT-Sicherheit
Auch in Fachkreisen wird Kritik laut. Der deutsche IT-Sicherheitsexperte Holger Heimann findet die Informationspolitik des Unternehmens "nicht besonders vertrauenserweckend". So habe Sony sich unterschiedlich dazu geäußert, wie die Kreditkarteninformationen gesichert waren. "Gerade bei sensiblen Daten sollte man hier aber schnell zu eindeutigen Aussagen in der Lage sein", sagte Heimann. Auch im jüngsten Fall - dem Diebstahl bei SOE - habe Sony noch nicht mitgeteilt, ob die Kreditkartendaten verschlüsselt gewesen seien.
Dass Sony nach dem millionenfachen Datendiebstahl bessere Sicherheitsmaßnahmen wie zusätzliche Firewalls ankündigte und zudem versprach, dass sich in Zukunft ein "Chief Information Security Officer" um die IT-Sicherheit kümmern werde, stimmt Heimann wenig versöhnlich. Die angekündigten Schritte deuteten schmerzlich darauf hin, wie wenig sich Sony bisher um die IT-Sicherheit gekümmert habe: "Das, was eingeführt wird, sollte eigentlich Standard sein", betonte Heimann, der das Unternehmen it.sec leitet. Bis die jetzt angekündigten Schritte wirkten, könnten noch viele Monate vergehen.
Digitale Gesellschaft fordert Beweisumkehr
Auch die kürzlich unter dem Namen Digitale Gesellschaft gegründete Interessenvertretung deutscher Internetnutzer übt Kritik an Sony und fordert eine Beweisumkehr für diesen und künftige Datendiebstähle. Einzelpersonen könnten kaum nachweisen, dass Betrugsfälle beispielsweise mit gestohlenen Kreditkartendaten tatsächlich auf Datenlecks bei Firmen zurückzuführen seien. Daher müssten die Unternehmen den Betroffenen das Gegenteil beweisen, verlangt der Verein. "Es kann nicht sein, dass die Nutzer das Risiko für die Datenschutzschlampereien großer Firmen tragen."
Verstöße gegen Datenschutz und Datensicherheit seien "nach wie vor billiger, als sich anständig um diese Themen zu kümmern", erklärte die Digitale Gesellschaft. "In unserer Gesellschaft von Morgen sind Daten zu wichtig, um Datenlecks wie kleine Schönheitsfehler zu behandeln." Politik und Wirtschaft hätten auf die Probleme, die mit der "fortschreitenden Digitalisierung aller Lebensbereiche" einhergingen, noch keine guten Antworten gegeben, hieß es.
Die Digitale Gesellschaft fordert außerdem, Sammelklagen für Verbraucher zu ermöglichen. Die Klagehürden seien für Einzelne oft zu hoch. "Wenn 77 Millionen Betroffene sich zusammenschließen, muss Sony mit empfindlichen Kosten rechnen und es lohnt sich mehr, in die Sicherheit der Daten zu investieren, statt die Nutzerinnen und Nutzer entschädigen zu müssen." Betroffene müssten zudem individuell benachrichtigt werden, wenn ihre Daten verloren gegangen seien.
Hacker haben "erfolgreich die Ignoranz von Sony bloßgestellt"
Inzwischen haben Datenschutz-Behörden in mehreren Ländern Ermittlungen gegen den japanischen Elektronikriesen eingeleitet. Viele Kunden machen ihrem Frust über Sony in Internet-Foren Luft. "Auch wenn die Hacker eine kriminelle Tat begangen haben - sie haben sehr erfolgreich die Ignoranz von Sony bloßgestellt", schrieb ein Nutzer namens Tokyo Guy auf der Technologie-Webseite "Engadget". "Man muss doch mal Folgendes klarstellen: Wenn Sony wirklich so inkompetent ist, geschieht es ihnen ganz recht, jetzt verklagt zu werden und ihr ganzes Geld zu verlieren. Es ist einfach erbärmlich."
Anleger fordern Rücktritt von Sony-CEO Stringer
Viele Anleger drängen indes auf einen Führungswechsel an der Spitze des Konzerns: "Wie Sony mit der ganzen Angelegenheit umgegangen ist, zeigt, dass dem Konzern die Fähigkeit fehlt, Krisen zum meistern", sagte Fondsmanager Michael On von Beyond Asset Management in Taipei und forderte zugleich den Rücktritt von Firmenchef Howard Stringer. "Der CEO sollte zurücktreten - wegen der Hacker-Probleme und den vergeblichen Versuchen, wettbewerbsfähige Produkte auf den Markt zu bringen", forderte On.
Der 69-jährige Sony-Chef hat sich ungeachtet der internationalen Welle der Empörung bisher noch nicht zu der Datenpanne geäußert. Stattdessen schickte er am Sonntag die Nummer zwei des Konzerns, Kazuo Hirai, vor, um sich vor der Presse zu entschuldigen. "Die Führung von Sony befindet sich derzeit in einer sehr unangenehmen Position. Dies könnte zu dem Rücktritt von Stringer führen", sagte ein weiterer Fondsmanager, der ungenannt bleiben wollte. Die Affäre könnte gleichzeitig die Chancen von Hirai schmälern, Stringers Nachfolger zu werden, fügte er hinzu.
"Die schwimmen irgendwie"
Laut Frank Roselieb, Direktor des Instituts für Krisenforschung in Kiel, fehlt es dem Konzern an einem öffentlich sichtbaren Krisenmanager. "Wenn man liest, was Sony von sich aus sagt, hat man das Gefühl, die schwimmen irgendwie." Trotz aller Kritik an seiner Kommunikationspolitik muss der global bekannte Konzern nach Ansicht des PR-Profis jedoch nur bedingt um seinen Ruf fürchten. "Sony hat Chancen, diese ganze Sache einigermaßen gut zu überstehen, weil sie eine unglaublich starke Marke haben."
Gamer werden ungeduldig
Wie die Millionen Nutzer reagieren, lässt sich zwar schwierig vorhersagen. Mancher scheint aber tatsächlich bereit zu sein, über den Datenverlust hinweg zu sehen - wenn die Dienste nur bald wieder laufen. "Bin ich froh, wenn dieser Hacker-Krieg endlich mal vorbei ist, wann immer das sein wird", schreibt ein Spieler im Forum von play3.de: Dann könne man endlich wieder seinem Hobby nachgehen.
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