Blutige Reaktion

Kasachstan: Dutzende Protestierende „eliminiert“

Ausland
06.01.2022 11:29

Im zentralasiatischen Kasachstan werden die regierungskritischen Proteste offenbar blutig niedergeschlagen. Dutzende Unruhestifter seien in der Metropole Almaty „eliminiert“ worden, teilte die Polizei am Donnerstag mit. Sie sprach von „extremistischen Kräften“, die versucht hätten, Verwaltungsgebäude und Polizeistationen zu stürmen. Augenzeugen hatten zuvor von Zusammenstößen und Schüssen im Zentrum von Almaty berichtet. Ein von Russland geführtes Militärbündnis entsandte auf Bitten des kasachischen Präsidenten die ersten „Friedenstruppen“ in das Land.

Die Soldaten des Militärbündnisses Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) sollten für einen begrenzten Zeitraum im Einsatz sein, „um die Lage in dem Land zu stabilisieren und zu normalisieren“, hieß es in einer OVKS-Mitteilung, die am Donnerstag vom russischen Außenministerium auf Telegram veröffentlicht wurde.

Wie viele Soldaten nach Kasachstan geschickt wurden, war unklar. Unter ihnen waren demnach auch Mitglieder der russischen Luftlandetruppen. Hauptaufgaben der Truppen seien „der Schutz wichtiger staatlicher und militärischer Einrichtungen und die Unterstützung der Ordnungskräfte bei der Stabilisierung der Lage sein“. Das russische Verteidigungsministerium veröffentliche Bilder von Soldaten, die Flugzeuge besteigen.

„Terroristen“ sollen Flugezeuge gekapert haben
Nach Angaben von Staatschef Kassym-Jomart Tokajew befand sich die kasachische Luftwaffe am Donnerstag in einem „hartnäckigen Kampf“ mit „Terroristen“, die fünf Flugzeuge gekapert hätten. Medienberichten zufolge wurden im Zuge der Unruhen zwölf Mitglieder der Sicherheitskräfte getötet. Mehr als 350 weitere Einsatzkräfte wurden demnach verletzt. Eine der Leichen sei mit abgetrenntem Kopf aufgefunden worden, berichtete der Sender Chabar-24.

Viele Tote und Verletzte
Bei den massiven Protesten wurden laut Behördenangaben bereits dutzende Demonstranten getötet und mehr als 1000 verletzt. Fast 400 Verletzte würden in Spitälern versorgt, 62 Menschen befänden sich auf der Intensivstation, sagte der stellvertretende Gesundheitsminister Aschar Guinijat am Donnerstag dem TV-Sender Chabar-24. Proteste, die sich zunächst gegen steigende Gaspreise richteten, weiteten sich binnen weniger Tage zu regierungskritischen Massenprotesten im ganzen Land aus. Um die Lage zu beruhigen, kündigten die kasachischen Behörden eine regionale Senkung der Energiepreise an.

Präsident Tokajew behauptete, die hinter den Protesten stehenden „Terrorgruppen“ würden „im Ausland“ ausgebildet. Auch der aktuelle OVKS-Präsident, Armeniens Premier Nikol Paschinjan, erklärte, die Unruhen seien durch „äußere Einmischung“ ausgelöst worden. In Russland waren zuvor Vorwürfe laut geworden, dass die USA bei den Protesten eine Rolle spielten. US-Regierungssprecherin Jen Psaki wies dies als „absolut falsch“ und „eindeutig Teil des russischen Drehbuchs für Desinformation“ zurück. Die USA forderten eine friedliche Beilegung der Proteste in Kasachstan.

Internet abgeschaltet
Die Behörden schalteten indes offenbar neuerlich das Internet im Land ab, um die Protestbewegung zu schwächen. So waren die Internetseiten des Präsidialamts und anderer Regierungsbehörden in der Nacht auf Donnerstag ebenso wenig zu erreichen wie jene von Flughäfen und Polizeibehörden, meldete die russische Staatsagentur Tass. In der Millionenstadt Almaty gebe es einen kompletten Internetausfall. Schon am Mittwoch war das Internet in dem autoritär regierten Land stundenlang ausgeschaltet gewesen - vermutlich, um die Organisation neuer Versammlungen über soziale Medien zu erschweren.

Kasachischen Behördenangaben zufolge sind bereits mindestens acht Polizisten und Soldaten getötet worden. Ein Video der Agentur Tass zeigt schießende Soldaten (siehe Tweet unten). Mehrere kasachische Telegram-Kanäle veröffentlichten in der Nacht auf Donnerstag Videos, die militärisches Vorgehen gegen Demonstranten auch im Stadtgebiet der Wirtschaftsmetropole Almaty zeigen sollen. Auf den Aufnahmen sind Schussgeräusche zu hören sowie schreiende Menschen.

Proteste entzündeten sich an Wut über Teuerung
Die beispiellosen Proteste in Kasachstan waren aus Unmut über deutlich gestiegene Preise für Flüssiggas an den Tankstellen ausgebrochen. Viele Kasachen tanken dieses Gas, weil es billiger ist als Benzin. Viele Demonstranten richteten ihren Unmut auch gegen die Regierung und machten sie für ihre schlechte Lebenslage verantwortlich, weil der Alltag wegen hoher Inflation teurer wurde.

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