„Krone“-Interview

Bill Frisell: Der stille Weltstar kommt nach Wien

Wien ist leiwand
01.01.2022 14:00

Von Ginger Baker über Charles Lloyd bis hin zu Marianne Faithfull hat Bill Frisell schon mit Dutzenden Größen der internationalen Musikszene gespielt. Der US-Amerikaner ist Grammy-Gewinner, Jazz-Legende und Film-Soundtrack-Arrangeur und trotzdem einer der Stillsten seiner Zunft. Vor seinem Auftritt im Wiener Porgy & Bess sprachen wir mit dem 70-Jährigen über seine Bescheidenheite, die Kraft der Musik und weshalb er sich als ewig Lernender sieht.

Wer schon einmal Zeuge seines Spiels wurde weiß ganz genau, warum man Bill Frisell gerne den „Gitarren-Flüsterer“ nennt. Gemeinsam mit John Scofield, Mike Stern und Pat Metheny prägte er das jazzige Gitarrenspiel der 80er- und frühen 90er-Jahre, ließ sich aber niemals von der künstlerischen Endlosigkeit seines Hauptgenres einnehmen. Frisell arbeitete im Laufe seiner Karriere nicht nur mit Jazz-Größen wie Charles Lloyd oder Dave Douglas, sondern findet sich auch im Pop-Bereich zurecht. Mit Langzeitfreund Elvis Costello arbeitete er erst 2020 am Album „Hey Clockface“, aber auch Marianne Faithfull, Burt Bacharach oder das exzentrische Genie Ginger Baker griffen gerne auf seine Fertigkeiten zurück.

Stiller Teamplayer
Nebenbei hat er auch noch die Originalmusik zu Filmen wie Wim Wenders‘ „Das Millionen Dollar Hotel“, das Remake von „Psycho“ oder „Forrester - Gefunden!“ kreiert und als Adelung seiner einzigartigen Vita 2005 für das Album „Unspeakable“ noch den Grammy für das „Jazzalbum des Jahres“ eingeheimst. Doch der 70er-jährige Frisell aus Baltimore in Maryland hat sich seine Meriten weder durch die großen Erfolge, noch durch das stargespickte Name-Dropping erarbeitet. Er gilt als stiller Tüftler im Hintergrund. Als Teamplayer, der lieber die Kunst als den verbalen Krach für sich sprechen lässt und der gerade durch seine fühlbare Unsichtbarkeit eine musikalische Kraft entfacht, die ihresgleichen sucht.

Sich mit anderen zu messen käme für Frisell nicht in Frage. „Scofield, Metheny und Stern sind meine Freunde, keine Konkurrenten“, erzählt er uns im Interview, „mit Mike Stern habe ich früher stundenlang in derselben Wohnung gejammt, bis wir nicht mehr konnten. Wir tauchten alle vier zu einer ähnlichen Zeit auf der musikalischen Landkarte auf, drückten uns aber komplett anders aus. Jeder hat seine eigene Stimme in seinem Instrument gefunden, was ich sehr spannend finde.“ Ruhe und Bedächtigkeit strahlt er auch im Gespräch aus. Kein Wort zu viel, keine Antwort unüberlegt. Seine Aussagen fließen flüsternd ins Aufnahmegerät. „In der Musik geht es immer um die kleinen Schritte. Um Geduld und Beharrlichkeit.“

Hartnäckigkeit
Geduld und Beharrlichkeit unterlagen bei Frisell einem Lernprozess. Dass man in der Musik im Allgemeinen und im Jazz im Speziellen niemals die Ziellinie erreicht, das dämmerte dem Amerikaner erst im Laufe seiner Karriere. „Einmal hatte ich diesen glasklaren Moment, in dem ich wusste, dass ich niemals aufgeben würde, auch wenn ich manche Ziele nicht erreichen könnte. Vielleicht geht es auch weniger um Geduld und mehr um die Hartnäckigkeit im Leben.“ Frisell ist ein musikalischer Formenwandler, der so behände und geschickt zwischen Bluegrass, Folk, Country, Jazz, Rock und Pop springt, dass es einem schwindlig werden kann. Durch die Offenheit und Grenzenlosigkeit gegenüber allem, was sich in Töne gießen lässt, erarbeitete sich der 70-Jährige einen Sonderstatus in der Musikerszene.

„Es gibt da draußen immer Musiker, die mich begeistern. Je älter ich werde, umso mehr interessiere ich mich für die jungen Talente, die neue Terrains erforschen. Ich habe Schubladen noch nie wirklich verstanden. Ich stoße mich einfach selbst furchtbar gerne in neue und ungewohnte Situationen und versuche dann diesen Situationen mein Spiel überzustülpen.“ Frisell richtet sich nicht nach dem Genre, das jeweilige Genre richtet sich nach Frisell - freilich in der größtmöglichen Bescheidenheit. „Es geht immer um den nächsten Schritt. Musik ist in der Unendlichkeit gefangen, man wird nie fertig. Als ich jünger war dachte ich, ich müsste nur sehr viel lernen, um die Musik verstehen zu können. In der Realität läuft es aber nicht so.“

Live in Wien
Am 7. Jänner kehrt Frisell nur wenige Monate nach seinem letzten Auftritt ins Wiener Porgy & Bess zurück, um im Trio mit Bassist Thomas Morgan und Schlagzeuger Rudy Royston mit leicht verändertem Programm für Begeisterung zu sorgen. Keine Selbstverständlichkeit für ein amerikanisches Trio in Tagen wie diesen. „Wir spielen schon länger zusammen und haben unter anderem mein letztes Album ,Valentine‘ im Gepäck. Die Musik an einem Konzertabend geht aber weit darüber hinaus, jeder Abend klingt anders. Egal welche Ideen mir in meiner Fantasie kommen, auf der Bühne wirkt es so, als hätten die anderen im Voraus meine Gedanken gelesen.“

Klar, dass sich der größte Star des Trios auch hier betont in den Hintergrund stellt. „Für mich sind Thomas und Rudy meine Lehrer, bei denen ich jeden Abend dazulerne. Das ist für mich das Tolle an der Musik. Ich bin offiziell der Bandleader und darf mir meine Musiker aussuchen. Ich schätze mich unheimlich glücklich, dass ich mit Menschen arbeiten kann, die mich jeden Tag weiterbringen.“ Unter www.porgy.at gibt es die Karten und alle Infos zu den Beginnzeiten und gerade gängigen Covid-Bestimmungen für das Bill Frisell Trio, das am 7. Jänner in Wien zu Gast sein wird. Leise Töne mit umso lauterer Wirkung.

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