Drehort Österreich

Kassenschlager für die Wirtschaft

Wirtschaft
02.11.2021 06:00

Film- und TV-Produktionen boomen. Noch nie wurde so viel gedreht. Österreich hat dabei aber maximal einen Gastauftritt. Der Wirtschaft entgehen so viele Millionen Euro pro Jahr.

Streaming-Gigant Netflix hat angekündigt, in den kommenden Jahren bis zu 500 Millionen Dollar in Produktionen alleine im deutschsprachigen Raum zu investieren. Nach Österreich werden davon vermutlich nur wenige Dollar fließen. Denn die Alpenrepublik spielt international als Drehort nur eine Nebenrolle.

„Österreich ist eine einzigartige Kulisse. Internationale Produktionen weichen dennoch nach Ungarn und Tschechien aus, wenn sie diese Settings suchen. Im schlimmsten Fall wird im Film dann Prag oder Budapest als Wien verkauft“, erzählt Ishvinder Maddh. Mit seiner Firma unterhält er beste Kontakte nach Bollywood und bringt indische Filmemacher nach Österreich. So wurde erst vor wenigen Wochen der aktuelle Actionfilm „Tiger 3“ mit den Superstars Salman Khan und Katrina Kaif teilweise in Österreich gedreht. Schauplätze waren Wien und das Salzkammergut. „Ein gewaltiger Werbewert für Österreich“, so Maddh. Dennoch ist das eine Ausnahme, ähnlich der James-Bond-Produktion zu „Spectre“, die unser Land ebenfalls prominent in Szene setzte. „Österreich könnte noch viel mehr Produktionen anziehen.“

Kaum öffentliche Gelder für Produktionen
Das liegt am heimischen Incentive-Modell, das quasi nicht vorhanden ist. International ist es üblich, dass Film- und Fernsehproduktionen von Städten und Ländern finanziell unterstützt werden. Als Gegenwert winkt weltweite Aufmerksamkeit. In Ungarn werden die Ausgaben bei Dreharbeiten im eigenen Land mit bis zu 37 Prozent der Gesamtkosten unterstützt. In Griechenland sind es sogar 40 Prozent, in Tschechien noch immer 30 Prozent. Die Fördertöpfe sind teilweise mit bis zu 40 Millionen Euro pro Jahr gefüllt. In Österreich stehen dafür 1,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Peanuts für internationale Produktionen aus Hollywood oder Bollywood. Zum Vergleich: So spülten alleine die Dreharbeiten für „Spectre“ in Tirol knapp 16 Millionen Euro in die Kassen rot-weiß-roter Unternehmen. „Mit den 1,5 Millionen können wir also nur minimale Anreize bieten“, erklärt Maddh und ist sich sicher, „das ist extrem kurzsichtig. Denn Studien zeigen, dass jeder in die Filmwirtschaft investierte Euro um ein Vielfaches zurückkommt. Unsere Nachbarländer freuen sich. Es muss sich etwas ändern, denn das Interesse, in Österreich zu drehen, ist gewaltig.“

Mit dieser Forderung steht Maddh auch nicht alleine da. In die gleiche Kerbe schlägt Arie Bohrer von „Location Austria“. Die Abteilung der Austrian Business Agency berät internationale Filmproduktionen aus den Bereichen Kino, TV und Werbung zu Förderungen, Drehorten oder bei arbeits- und steuerrechtlichen Fragen. Bohrer: „Im Regierungsprogramm wurde die Forcierung des Filmstandorts Österreich zwar vereinbart, passiert ist bisher aber nichts.

Ein modernes Incentive-Modell sei für österreichische Produzenten unerlässlich, um ihre Position für europäische Koproduktionen zu stärken. „Wenn hier nicht bald Maßnahmen gesetzt werden, dann entgehen der heimischen Wirtschaft und somit dem Finanzministerium viele Millionen Euro.“

Von Filmproduktionen profitieren Unternehmen und Staat Jahrzehnte
„Wenn es nötig ist, können sie auch die U-Bahn sprengen“ - das soll Wiens Bürgermeister Helmut Zilk in den 1980ern der Filmcrew rund um „James Bond - Der Hauch des Todes“ anlässlich der Drehortsuche zugesichert haben. Wiens Altbürgermeister hat schon damals auf die Macht der Bilder von Kinoproduktionen gesetzt. So flossen alleine während der 31 Drehtage zu „James Bond - Spectre“ 15,8 Millionen Euro in die heimische Wirtschaft.

Die Tiroler Hotellerie verzeichnete durch Cast und Crew 30.000 zusätzliche Nächtigungen. 250 Filmschaffende und 210 Zulieferfirmen aus Österreich konnten sich über Aufträge freuen. Und das sind nur die Primäreffekte. Auch der Tourismus profitiert. 2017 wurden 22 Minuten des Bollywood-Streifens „Tiger 2“ in Österreich gefilmt. Das Video zum in Tirol gedrehten „Liebes-Song“ aus dem Film hat auf YouTube mittlerweile über 699 Millionen Zugriffe! Die Nächtigungszahlen von indischen Touristen schossen danach um 76 Prozent nach oben.

Auch der Langzeitnutzen sollte nicht unterschätzt werden. So hat die Consultingfirma „Paul und Collegen“ berechnet, dass alleine aufgrund von „Sound of Music“ jährlich 350.000 Touristen Salzburg besuchen - selbst 60 Jahre nach dem Filmerfolg. Die Wertschöpfung von Dreharbeiten in Österreich ist also gewaltig.

„Ungarn hat ein Konsulat für Express-Visa“
Der Wiener Ishvinder Maddh ist per du mit den Größen Bollywoods und lotst sie nach Österreich.

„Krone“: Wie sind Sie mit Bollywood in Berührung gekommen?
Maddh: Ich war lange im Tourismus tätig und hab 2014 die Vermarktung Österreichs in Indien begonnen. Da habe ich schnell gemerkt: Wollen wir die Masse ansprechen, dann müssen wir Bollywood nach Österreich bringen. Seit 2014 haben wir nun fünf große Produktionen nach Österreich gelotst.

Mit welchem Erfolg?
Wir haben die Nächtigungszahlen von Indern in Österreich in dieser Zeit mehr als verdoppelt.

Von welchem Markt in Indien sprechen wir hier?
Bollywood-Filme sind nicht nur in Indien erfolgreich. Sie werden von bis zu 500 Millionen Menschen weltweit gesehen. Trailer und Songs haben auf YouTube teilweise über 700 Millionen Zugriffe. Alleine 120 Millionen Inder könnten sich einen Urlaub in Österreich leisten.

Und wie kommt Österreich in Bollywood an?
Die Produzenten lieben Österreich. Sie haben hier ideale Kulissen und bei den Filmen spielt Österreich auch immer eine Rolle. Indische Crews werden auch sehr gut aufgenommen, aber es besteht Aufholbedarf. Viele große Produktionen verlieren wir zum Beispiel an Ungarn. Dort werden die Produktionen besser unterstützt. So hat Ungarn zum Beispiel eine eigene Außenstelle für Express-Visa direkt in Mumbai.

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