Urteil in Straßburg

Wegen „Likes“ entlassen: Putzfrau erhält 2000 Euro

Web
15.06.2021 15:29

Die Türkei hat mit der Entlassung einer Putzfrau des Bildungsministeriums wegen mehrerer Facebook-Likes gegen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung verstoßen. Zu diesem Schluss gelangte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg am Dienstag. Die türkischen Behörden haben demnach keine ausreichenden und relevanten Gründe für die fristlose Kündigung der Vertragsarbeiterin gegeben. Die Türkei muss der Frau nun 2000 Euro zahlen.

Kern des Rechtsstreits waren mehrere Postings auf Facebook, die die Frau mit einem „Like“ als Symbol der Zustimmung versehen hatte. Darin wurde dem Gericht zufolge unter anderem zu Protesten aufgerufen und Missbrauch an Schülern angeprangert. Nachdem Ermittlungen gegen die Frau eingeleitet worden waren, wurde sie in diesem Zusammenhang wegen Verstößen gegen Arbeitsvereinbarungen als Putzkraft im Bildungsdirektorat Seyhan entlassen. Die Inhalte der Postings würden wahrscheinlich den Frieden des Arbeitsplatzes stören, befand ein Arbeitsgericht und lehnte ihre Berufung ab.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sah das anders und urteilte, dass die fraglichen Postings sich auf Themen von öffentlichem Interesse bezogen und Eingriffe in das Recht auf Meinungsfreiheit hier nur sehr begrenzt zu rechtfertigen seien. Die Behörden hätten es außerdem verfehlt, den potenziellen Einfluss der „Likes“ zu beurteilen. Wegen ihrer Position habe die Klägerin wohl nur wenig Einfluss an ihrem Arbeitsplatz gehabt.

(Bild: stock.adobe.com)

Türkei auch in weiterem Fall verurteilt
Auch in einem weiteren Fall von Meinungsfreiheit wurde die Türkei am Dienstag verurteilt. Das Menschenrechtsgericht befand, dass ein Student zu Unrecht für negative Kommentare über den damaligen Premierminister und heutigen Staatschef Recep Tayyip Erdogan in einer öffentlichen Debatte zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Dass Staatsbedienstete durch ein Gesetz zu Beleidigungen einen höheren Schutz als Privatpersonen hätten, entspreche nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat. Gemeinsam kümmern sich die beiden Institutionen um den Schutz der Menschenrechte in den 47 Mitgliedstaaten. Sie sind keine Organe der Europäischen Union.

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