Keine Grenzen mehr?

Lukaschenko schafft mit Entführung Präzedenzfall

Ausland
29.05.2021 06:02

Dass Geheimdienste einen langen Arm haben, ist kein Phänomen jüngerer Vergangenheit. Neu ist, dass ein internationales Verkehrsflugzeug gekapert wird, um einen Oppositionellen in Haft zu nehmen, wie es nun Belarus-Diktator Alexander Lukaschenko gemacht hat. Und die autoritären Führer dieser Welt blicken nun mit Argusaugen auf den Westen. Von dessen Reaktion hängt es ab, ob dieses Beispiel Schule machen wird. Im Zentrum des Geschehens steht Russland.

Selbst wenn die gesellschaftlichen Werte unterschiedlich sind, gibt es einige Regeln, die alle respektierten. „Das Seerecht oder die unabhängige Luftfahrtkontrolle“, so die Historikerin Anne Applebaum. „Piloten jeglicher Nationalität, von Caracas bis Pjöngjang, hatten keinen Grund zu der Annahme, dass die Boden-Anweisungen politisch motiviert oder betrügerisch sind. Oder einem anderen Zweck dienen, als einer sicheren Landung.“ Lukaschenko hat einen Präzedenzfall geschaffen. Unter dem Schutzschirm von Russland.

Die jüngsten Ereignisse sind fatal: vergiftete russische Ex-Agenten in England, Morde an dem Journalisten Jamal Khashoggi in der saudi-arabischen Botschaft in Istanbul (als exterritoriale Botschaft hatte das NATO-Land Türkei dazu keinen Zugang) und iranische Dissidenten in der Türkei und den Niederlanden. Mutmaßlich oder tatsächlich dafür verantwortlich: die herrschenden Autokraten der Herkunftsländer.

Anders als Saudi-Arabien, der Iran oder eben Russland, hat Weißrussland international keinen Einflussbereich und kein Druckmittel. „Die Gretchenfrage ist letztlich die Neuausrichtung der europäischen Politik gegenüber Russland“, sagt Paul Schmidt von der Gesellschaft für Europapolitik. „Der Klotz am Bein der EU ist die Einstimmigkeit bei Fragen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Hier braucht es eine Umstellung auf Mehrheitsentscheidungen.“

Russland: Jeder hat seine eigenen Interessen
Bezüglich Russland kocht jedes EU-Mitglied seine eigene Suppe. Zypern blockierte schon einmal Sanktionen, Österreich gilt in Brüssel als „Putin-Versteher“, Deutschland hat mit der Pipeline Nord Stream 2 wirtschaftliches Interesse an einem guten Verhältnis zu Moskau. „Die USA hätte einen stärkeren Hebel“, sagt der Politologe Reinhard Heinisch. Keine Energieabhängigkeit, finanzielle Druckmittel. „Aber kurz vor dem Gipfel mit Putin wird Biden die Situation nicht eskalieren lassen. Nicht wegen Lukaschenko“, so Heinisch.

Historikerin Applebaum meint: „Wenn Belarus damit davonkommt, haben Diktatoren gerade ein neues Druckmittel für ihre Widersacher erhalten: grenzenlosen Zugriff.“

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