Mitte dieser Woche hätte es mich fast vom Stuhl gehaut: Da besucht EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den türkischen Präsidenten Erdogan und wird von diesem diplomatisch düpiert. Der Präsident bietet der Präsidentin demonstrativ keine Sitzgelegenheit an, sie muss somit abseits aufs „Bankerl“. Eine Provokation, die hohe Symbolkraft besitzt: Die EU-Präsidentin, die Erdogans Türkei mit sechs Milliarden Euro alimentiert, damit sich Ankara weiterhin um die Flüchtlingsproblematik kümmert, zahlt, schafft aber nicht an. Statt klare Grenzen zu setzen, lässt sie sich vorführen - und vollführt damit schleichend die Entwicklung von einer starken Handelsunion zu einer handlungsunfähigen Union. Weitere Beispiele gefällig?
Bei der Impfstoffbeschaffung zeigen nicht nur Serbien, die Schweiz und Israel, sondern auch die vor 100 Tagen ausgetretenen Briten der schwachen EU die lange Nase. Bei der Schuldenpolitik lachen sich die hoch verschuldeten Südeuropäer ins Fäustchen, weil sie für die 1350 Milliarden Euro Corona-Hilfsgelder, die zu einer Umverteilung (und irgendwann zu einer Geldentwertung und EU-Verarmung) führen werden, keine Sicherheiten hinterlegen müssen. Und beim Beschluss des EU-Budgets blockieren uns große EU-Netto-Empfänger-Staaten, die selbst mit den Medien und der Justiz hart ins Gericht gehen.
Wo hilft uns jetzt die EU? De facto machen nur starke Vereinigte Staaten von Europa Sinn oder eine direkte Demokratie à la Schweiz.
Christian Baha, Kronen Zeitung (Gastkommentar)
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