"Es muss eine Art Eingebung gewesen sein", sagt Stangl. "Mittwoch früh bin ich plötzlich aus dem Schlaf geschreckt und hab' den Fernseher eingeschaltet. Gerade rechtzeitig, um die Bergung des ersten chilenischen Kumpels miterleben zu können." Er schämt sich auch nicht zu sagen, dass ihm dabei die Tränen gekommen sind.
"Irgendwie war's bei uns noch emotionaler"
"Ich hab' den Jubel gesehen, die glücklichen Menschen. Zur Freude über die geglückte Rettung ist aber auch wieder Wehmut gekommen. Ich hab' die Gesichter unserer Kumpel gesehen - da waren viele gute Freunde dabei. Die liegen jetzt irgendwo dort unten." Er hat sich aber auch an die Freude erinnert, die Lassing weltweit bekannt gemacht hat, als Georg Hainzl, der einzige Überlebende der Lassing-Katastrophe, nach zehn Tagen total erschöpft und voller Dreck nach oben gebracht wurde. "Irgendwie war's bei uns noch emotionaler als in Chile. Die geretteten Kumpel haben dort recht frisch und fröhlich gewirkt. Sie haben ja schon länger gewusst, dass es ein Happy End geben könnte. Beim Hainzl war's anders."
"Man geht sensibel mit damaligen Geschehen um"
Dieser hatte sich nach dem Schlammeinbruch in die Jausenkammer gerettet. Per Telefon hatte er anfangs seine Position bekannt geben können, dann war's total stumm und stockdunkel dort unten. 240 Stunden lang. Das verändert einen Menschen. Stangl: "Er lebt noch in Lassing, hat sich ein Haus gebaut, geheiratet und ist jetzt zweifacher Vater. Er mischt sich aber kaum unter die Leute. Fragen nach dem Horrorerlebnis werden ihm keine gestellt. Man geht hier sehr sensibel mit dem damaligen Geschehen um. Anfangs hat man es irgendwie verdrängt, jetzt wird es an Stammtischen manchmal als allerletztes Thema vor dem Heimgehen hervorgekramt. Mehr als zwei Dutzend Menschen im Ort haben ja einen Angehörigen verloren. Die Kinder von damals sind heute zwölf Jahre älter, teils erwachsen."
Durch Chile-Medien-Hype in Vergangenheit katapultiert
Aber jetzt wird man durch den Chile-Medien-Hype wieder in die Vergangenheit katapultiert. Hier, in Lassing, hat man noch stärker als sonstwo im Land mitgebangt. Aber reden will man darüber nicht. Schon gar nicht mit der Presse. Fritz Stangl ist - wie früher - ihre Art Mediensprecher. "Man kann live miterleben, wie dort einer nach dem anderen ans Tageslicht kommt", sagt er. Und: "Nein, Neid ist's keiner, aber man stellt sich schon die Frage, warum unsere zehn Leute dieses Glück nicht hatten." Mit Gott hat man nicht gehadert. "Viele Angehörige haben danach den Trost in der Kirche gesucht und sind heute vielleicht gläubiger als damals."
Freude und Schmerz
Die zehn Männer waren oben in Sicherheit, aber sie sind trotzdem in die Grube eingefahren, um Hainzl zu retten. "Wahrscheinlich hat es sie im Aufzug erwischt und sie sind sofort gestorben", sagt Stangl. "Wir hoffen, dass sie nicht allzu lange leiden mussten." Die Lassinger haben auch ihre Helden - aber es sind leider tote Helden. Verständlich, dass es sie schmerzt, wenn sie die lachenden Gesichter der chilenischen Helden sehen. Aber freuen können sie sich darüber auch...
von Werner Kopacka, "Steirerkrone"
Großes Bild: Am 17. Juli 1998 stürzte in Lassing die Talk-Grube ein.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.