Wieder wilde Proteste!

Notre-Dame-Inferno konnte Frankreich nicht einen

Ausland
20.04.2019 21:07

Nicht einmal der Brand ihrer heiligen Notre Dame konnte die Franzosen einen. Denn bereits wenige Tage nach dem Inferno machte sich ein Streit im Land breit. So warfen etwa Anhänger der „Gelbwesten“-Bewegung den Großspendern - darunter die reichsten Unternehmer und Familien Frankreichs - vor, statt Wohltätigkeit nur gute PR im Sinn zu haben. Am Samstag gingen schließlich wieder landesweit 28.000 Menschen auf die Straße, in Paris kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, die Tränengas einsetzte. Und die Feuerwehrleute, die vor wenigen Tagen noch gegen das Feuer in der Kathedrale kämpften, löschen nun brennende Motorräder, Autos und E-Roller auf den Straßen. Mehr als 200 Menschen wurden festgenommen.

Es war die erste „Gelbwesten“-Kundgebung seit dem Brand der Kathedrale von Notre Dame. Der Bereich unmittelbar um die gotische Kirche war für die Demonstranten gesperrt. Während in Paris deutlich mehr Menschen als vor einer Woche auf die Straße gingen, sank die Teilnehmerzahl landesweit nach Angaben des Innenministeriums.

Auch Francois ist mittendrin. „Jetzt laufen wir seit fünf Monaten auf die Straße. Und Frankreich ist noch immer in der Misere!“, sagt der Pensionist zu „Krone“-Reporter Christian Mayerhofer, der derzeit aus Paris berichtet. Francois kam mit Kollegen per Bus von Vittel: „Diesmal wurden wir schon vor Paris gefilzt.“

„Notre-Dame-Spenden sind eine gute Sache, aber ...“
Das Feuer und die anschließend eingegangenen Spenden für den Wiederaufbau von Notre Dame beschäftigten auch die Demonstranten. „Das Geld für Notre Dame ist eine gute Sache“, sagte ein Pensionist, der früher bei der Eisenbahn gearbeitet hatte, der Nachrichtenagentur AFP. „Aber wenn man sieht, was man innerhalb weniger Stunden an Geld locker machen kann ...“ Auf einem Transparent war in Anspielung auf den Autor des Romans „Der Glöckner von Notre-Dame“ zu lesen: „Victor Hugo dankt euch für Notre-Dame de Paris, aber vergesst nicht die Elenden.“

Kulturgut-Beauftragter verteidigte hohe Spenden
Frankreichs Regierungsbeauftragter für Kulturgüter hat in der Debatte um hohe Spenden für den Wiederaufbau von Notre-Dame zu mehr Gelassenheit aufgerufen. „Man kann nicht schockiert sein von der Tatsache, dass die Menschen das Gefühl haben, dass Notre-Dame de Paris etwas ist, das die Seele Frankreichs ist“, sagte Stephane Bern dem Sender Franceinfo am Samstag. „Ich würde mir wünschen, dass man zwei Milliarden gibt, damit niemand mehr auf der Straße schlafen muss“, betonte er. Gleichzeitig müsse man aber bedenken, dass Spenden eine freiwillige Angelegenheit sind. Er wies darauf hin, dass keiner der Großspender für Notre-Dame nach einem Spendenbeleg gefragt habe. „Es ist reine Philanthropie. Sie sind bewegt, von dem, was sie sehen“, sagte Bern.

Die Demonstration der „Gelbwesten“ am Samstag hatte zunächst relativ ruhig begonnen. Ein kleinerer Protestzug, der an der Basilika Saint-Denis begann, verlief nach Polizeiangaben ohne Zwischenfall. Zu den ersten Zusammenstößen kam es dann am frühen Nachmittag in der Nähe des Bastille-Platzes. 227 Menschen wurden nach Angaben der Pariser Präfektur vorläufig festgenommen. 178 Menschen kamen nach Angaben der Pariser Staatsanwaltschaft in Polizeigewahrsam, darunter sechs Minderjährige. Die Polizei führte Tausende Personenkontrollen durch.

Demonstranten zündeten Motorroller an
In der Innenstadt setzten Sicherheitskräfte Tränengas gegen die „Gelbwesten“ ein, wie AFP-Reporter berichteten. Demonstranten zündeten Motorroller an und warfen Flaschen und Gegenstände auf die Polizei. Zudem gab es aus den Reihen der Teilnehmer den Sprechchor „Bringt euch um, bringt euch um“ - eine Anspielung auf eine Reihe von Selbstmorden unter Polizisten seit Beginn des Jahres an. Auch Mülleimer, Absperrungen und Autos standen in Flammen.

Die Pariser Polizei hatte vor dem Beginn der Proteste befürchtet, dass unter den Demonstranten „ein radikaler Block von 1500 bis 2000 Menschen“ sein würde, der Chaos in der Hauptstadt verbreiten könnte. Bei früheren „Gelbwesten“-Protesten waren Gebäude angezündet, Fenster eingeworfen und Geschäfte geplündert worden.

Frankreichs Innenminister Christophe Castaner ließ darum landesweit mehr als 60.000 Mitarbeiter von Polizei und Gendarmerie mobilisieren. Er erwarte Krawallmacher in Toulouse, Montpellier, Bordeaux und „vor allem in Paris“, sagte Castaner.

Macron präsentiert seine Reformpläne
Es ist bereits das 23. Protestwochenende der „Gelbwesten“-Bewegung - und das letzte, ehe Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag seine Reformpläne vorstellt, die er unter dem Druck der anhaltenden Demonstrationen entwickelt hat.

Die „Gelbwesten“ protestieren seit fünf Monaten für mehr soziale Gerechtigkeit und niedrigere Steuern. Im Dezember hatte Macron zunächst Zugeständnisse im Umfang von rund zehn Milliarden Euro angekündigt, unter anderem einen höheren Mindestlohn. Von Mitte Jänner bis Mitte März ließ der Präsident die Bürger zudem im Rahmen einer „großen nationalen Debatte“ befragen, um „die Wut in Lösungen zu verwandeln“.

Kronen Zeitung/krone.at

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