Das Eiskar

Ein Gletscher als Familien-Mitglied

Bergkrone
13.10.2018 14:09

Versteckt im Schatten der Karnischen Alpen liegt der Eiskar-Gletscher, der seit 26 Jahren von der Villacher Familie Hohenwarter beobachtet wird.

Mit Bleistift trägt Gerhard Hohenwarter Daten und Zahlen in sein Buch ein. Besser gesagt ist es ein kleines Heftchen, das Papier bereits leicht wellig und dennoch von unbezahlbarem Wert für die Gletscherforschung in Österreich. Denn seit 26 Jahren beobachtet und dokumentiert der pensionierte Schulprofessor das Eiskar, den südlichsten Gletscher Österreichs, der zwischen 2115 und 2370 Meter Seehöhe in den Karnischen Alpen dem Klimawandel trotzt, was diesen Gletscher einzigartig in Kärnten macht.

Mittlerweile hat der 70-Jährige seine Aufgabe an Sohn Gerhard Hohenwarter jun. übertragen, der als bergbegeisterter Meteorologe das Lebenswerk seines Vaters fortsetzt. Trotzdem lässt es sich der Professor - der schon mehr als 100 Mal im Eiskar war - nicht nehmen, bei den alljährlichen Vermessungen dabei zu sein.

Der Aufstieg ist weit, beschwerlich, teils gefährlich. „Der Gletscher ist 16 Hektar groß“, verrät der topfitte 70-Jährige beim Aufstieg; die „BergKrone“ durfte mit dabei sein. Hohenwarter: „Der Gletscher hat eine lange Messgeschichte. 1897 wurde er erstmals von Italienern vermessen.“

Eine Schönheit ist das Eiskar im Sommer zwar nicht, denn es liegt sehr viel Schutt auf dem Eis. Kaum zu glauben, dass der Gletscher hier an seiner dicksten Stelle noch stolze 40 Meter stark ist. „Der Schutt wirkt konservierend, denn in den Lufträumen zwischen den Steinen hält sich die kühle Luft und eine mächtige Moräne hält das Eis oben in der Karmulde fest “, erzählt Hohenwarter junior.

Deshalb gilt’s bei der Gletschervermessung, schon mal kräftig anzupacken und auch schwere Steine zu schleppen, wenn man etwa den versteckten Eisrand des Gletschers unter dem Schutt finden will.

Interessiert und begeistert hat das Eiskar den Villacher Professor eigentlich schon immer. „Mein Vater hat bei einem Professor in Graz studiert, der damals die Pasterze vermessen hat“, schildert Hohenwarter junior. Doch das Eiskar war nie das Liebkind der Grazer Forscher. „Ich habe 1992 mit einem messenden Professor in Graz telefoniert und habe gefragt, wie es mit dem Eiskar aussieht. Er hat gesagt, da gehen wir nicht mehr hinauf, der Weg ist zu beschwerlich. Wollen sie das machen? Und ich habe gesagt, ja gern, aber ich kann nicht messen“, schildert der Senior der „BergKrone“, während er weitere Daten aufzeichnet.

Österreichs Gletscher-Experte Gerhard Lieb zeigte daraufhin dem Villacher, wie’s gemacht wird und mittlerweile ist das Eiskar seit 26 Jahren auch Teil des Österreichischen Gletschermessdienstes des Alpenvereines. „Dafür fiel damals ein kleiner Gletscher in den Hohen Tauern aus dem Programm“, schmunzelt sein Sohn Gerhard junior.

Seither zieht es die Villacher Familie regelmäßig in den Schatten der mächtigen, 2724 Meter hohen Kellerwand in den Karnischen Alpen. „Immer wieder begleiten uns bei unseren Messungen Freunde, Bekannte oder Familienmitglieder, wie Onkels, Tanten, meine Mama, meine Schwester oder meine Cousins. Und auch die örtliche Bergrettung unterstützt uns immer wieder“, erzählt Gerhard Hohenwarter junior.

Und so ist auch dieses Mal Hohenwarters Onkel mit dabei, der extra von Wien angereist ist und einen Dampfbohrer mitgebracht hat, der von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ausgeliehen wurde, dem Arbeitgeber Hohenwarters.

„Denn neben der klassischen Längenmessung wollen wir dieses Mal auch mehrere metertiefe Löcher ins dichte Eis bohren, in die danach lange, unauffällige, graue Plastikstangen gesteckt werden. Wenn diese in den kommenden Jahren ausapern, können wir ablesen, wie viel Eis geschmolzen ist“, erklärt der Gletscher-Profi.

Denn das Eiskar ist ein Musterbeispiel für einen von Lawinen genährten Kargletscher, die im Winter aus der 300 Meter hohen Nordwand der Kellerwarte hinunter donnern. Doch der schneereiche vergangene Winter machte die Längenmessung heuer schwierig. „Es lag vielerorts noch viel Schnee auf dem Eis und wir konnten einige Messmarken und den genauen Eisrand nicht überall finden“, erklärt Hohenwarter: „Das sind Glücksmomente für den Gletscher! So haben auch die schneereichen Winter zwischen 2008 und 2014 dafür gesorgt, dass das Eiskar sogar wieder gewachsen ist. Aber dann haben zwei schneearme Winter und zwei heiße Sommer ausgereicht, dass der Zuwachs wieder geschmolzen ist. Der Klimawandel ist so stark, dass selbst Ausnahmewinter nicht mehr reichen, auf lange Frist das Eiskar überleben zu lassen.“ So wird es die Hohenwarters auch in Zukunft weiter in ihr Kar ziehen.

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