Skurrile Gesetzgebung

Steuerpflicht: Betrüger zahlt, Räuber nicht!

Österreich
07.09.2018 06:01

Es klingt skurril: warum immer mehr Betrüger von der Finanz zur Kassa gebeten werden, Räuber, Erpresser und Co. hingegen nicht. Vor Jahrzehnten etwa hieß es noch, Einkünfte von Prostituierten werden nicht besteuert. Das ist lange her. Die Finanz interessiert sich inzwischen sehr für den „Schandlohn“, wie das damals hieß, und für andere illegale Einkünfte. Die moralische Komponente ist egal. Logische Begründung: Warum sollen Verbrecher steuerrechtlich günstiger gestellt werden als der normal arbeitende Bürger?

Zuerst werden die Kriminellen strafrechtlich abgeurteilt, sei es wegen Betrugs, Erpressung oder sonst eines Delikts. Dann tritt die Finanz auf den Plan. Das Höchstgericht orientiert sich dabei allein daran, ob ein Vorgang in irgendeiner Weise mit dem normalen Wirtschaftsleben in Einklang zu bringen ist. Ob moralisch verwerflich oder sittlich abzulehnen, ist steuerrechtlich uninteressant. Zitat aus einem OGH-Urteil: „Die Erhebung von Abgaben wird nicht dadurch ausgeschlossen, ob ein Verhalten, das den abgabepflichtigen Tatbestand erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt.“

Selbst ein zu sechs Jahren Haft verurteilter Zuhälter, der Prostituierte verprügelt hat, bekam ein Steuerstrafverfahren. Die Gewalt tue nichts zur Sache, hieß es in der Begründung. Auch der Buchhalter, der in einer Firma Gelder auf das eigene Konto abzweigt, hat nach seiner Verurteilung wegen Untreue ein Steuerstrafverfahren zu erwarten. Ebenso wie der Verkäufer in der Trafik, der in die Kassa greift.

Raub oder Erpressung steuerfrei
In einer im Findok, einer Internet-Datenbank für Steuerrecht, veröffentlichten Entscheidung wird sogar allen Ernstes die Frage erörtert, wie Einkünfte eines Auftragsmörders zu behandeln seien. Die Fachleute neigen theoretisch dem Einkommenssteuer-Inkasso zu. Ganz anders hingegen ist es bei Straftaten wie Raub oder Erpressung. Diese haben mit dem normalen Wirtschaftsleben nichts zu tun und sind daher steuerfrei.

Sonderfall „Abschöpfung der Bereicherung“
Auch in einem weiteren Bereich ist der Staat restriktiver geworden. Es geht um die sogenannte Abschöpfung der Bereicherung. Also wenn Kriminelle ihre Beute zurückgeben müssen. Einst wurde dem wenig Beachtung geschenkt, später nur der Gewinn eingefordert.

Im Verfahren gegen den Betreiber einer Hasch-Plantage errechnete ein Richter zum Beispiel, wie viel Wärmelampen, Bewässerung und Technik gekostet haben. Heute wird der gesamte Umsatz dem Beschuldigten angelastet - vor allem für Ersttäter, die auf den legalen Weg zurückfinden wollen, eine Bürde, wie Anwalt Christian Werner aufzeigt. Eine solche Schuld gilt 30 Jahre. Jedes ehrliche Einkommen, das erworben wird, kann so vom Staat kassiert werden.

Finanzstrafen sind streng
Es gibt Gefängnis oder auch Geldbußen. Wird nicht bezahlt, droht wieder Haft. Kriminelle werden zuerst wegen des Grunddeliktes, also zum Beispiel Betrug oder Untreue, abgeurteilt. Bei hohem Schaden drohen bis zu zehn Jahre Haft. Das Finanzstrafverfahren wird meist erst im Anschluss daran abgeführt, weil ja der verursachte Schaden genau festgestellt werden muss.

Bei einer hinterzogenen Summe von bis zu 100.000 Euro ist das Finanzamt für das Strafverfahren zuständig, bei einem höheren Betrag wird die Hinterziehung zum Fall für das Strafgericht. Hier können Haftstrafen - im Extremfall bis zu zehn Jahre - verhängt werden. Zusätzlich drohen Geld- und sogenannte Wertersatzstrafen bis zum Dreifachen des hinterzogenen Betrages.

Und weil die meisten Straftäter völlig pleite sind, wenn sich das Strafverfahren dem Ende zuneigt, können die oft beträchtlichen Geldstrafen nicht mehr bezahlt werden. Dafür gibt es dann Ersatzhaft. Geht es um kleinere Ersatzfreiheitsstrafen, können diese auch mit der Fußfessel oder auch durch das Ableisten von gemeinnützigen Leistungen, also sozialen Diensten, verbüßt werden.

Die Straftat und das Steuerrecht
Paragraf 23, Absatz 2 der Bundesabgabenordnung besagt zum Beispiel: „Die Erhebung einer Abgabe wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Verhalten (ein Handeln oder ein Unterlassen), das den abgabepflichtigen Tatbestand erfüllt oder einen Teil des abgabepflichtigen Tatbestandes bildet, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt.“

Meistens führt die Finanzbehörde den Paragrafen 25 des Einkommenssteuergesetzes ins Treffen. Oberbegriff: Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Darunter fallen auch jene Einkünfte, die im Rahmen eines Dienstverhältnisses erworben werden - auch illegal.

Peter Grotter, Kronen Zeitung

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