Simbabwes Sorgen

Ein Laib Brot für zwei Milliarden

Ausland
29.06.2008 22:06
Für viele Menschen in Simbabwe ist die politische Gewalt durch das Regime von Präsident Robert Mugabe - so sonderbar es klingt - nicht die größte Sorge. Angesichts der gigantischen Inflation, für die nicht zuletzt auch der Neo-„Wahlsieger“ (siehe Bericht in der Infobox) verantwortlich zeichnet, ist alles andere als ein tägliches Essen völlig außer Reichweite geraten. Hinter der gegenwärtigen politischen Krise steckt ein drastischer wirtschaftlicher Niedergang, der zu Versorgungsengpässen in fast allen Bereichen geführt hat. Nur Nullen gibt es im Überfluss. Und Wahlen, die keine sind. Der Mann auf dem Bild geht übrigens gerade einkaufen, nur Brot.

Offiziell lag die Inflation in Simbabwe zuletzt im Februar bei 165.000 Prozent. Das allein ist schon unvorstellbar, unabhängige Beobachter schätzen die tatsächliche Geldentwertung aber auf bis zu vier Millionen Prozent. Simbabwe ist vermutlich das einzige Land auf der Welt, bei dem Finanzgeschäfte im Bereich von Billiarden ablaufen - das ist ein Einser mit 15 Nullen dahinter.

„Das ist alles völlig verrückt“, sagt der Analyst David Moyo. „Unsere Computer und Taschenrechner kommen selbst bei den einfachsten Produkten nicht mit den vielen Nullen zurecht.“ Der Simbabwe-Dollar hat an der Börse im direkten Bankenhandel zuletzt die Marke von zehn Milliarden für einen US-Dollar durchbrochen. Im elektronischen Handel liegt er bei über 20 Milliarden für einen US-Dollar.

Zehn Kekse für 19 Milliarden Dollar
Brot ist inzwischen aus den Lebensmittelregalen verschwunden. Zuletzt kostete ein Laib im Supermarkt zwei Milliarden Simbabwe-Dollar (20 US-Cent laut offiziellem Umrechnungskurs), auf dem Schwarzmarkt – ja, den gibt es auch für Lebensmittel! – kommt er auf 15 Milliarden Simbabwe-Dollar (1,50 Dollar). Für einen halben Liter Milch muss der, der das Glück hat, ihn zu ergattern, drei Milliarden Simbabwe-Dollar hinlegen, 30 Eier kosten 45 Milliarden. Butter ist kaum zu finden, Margarine kostet 25 Milliarden, ein Päckchen mit zehn Keksen 19 Milliarden.

Die meisten Geschäfte sind dazu übergegangen, die letzten sechs Nullen bei der Anzeige der Preise zu streichen. Ein Kilo einfachstes Fleisch wird mit 45.000 ausgezeichnet, an der Kasse sind es dann wieder 45 Milliarden. Der Preis für eine Autobatterie lag laut Moyo am Montag bei 2,4 Billiarden Dollar, zehnmal höher als noch vor zwei Wochen. Die größte Banknote ist ein 50-Milliarden-Dollar-Schein. „Was immer auch an der politischen Front geschieht, die Wirtschaft muss angepackt werden“, sagt Moyo. „Aber darum scheint sich niemand zu kümmern.“

Busticket kostet mehr, als ein Arbeiter am Tag verdient
Seit der ersten Runde der Präsidentenwahl am 29. März hat sich die Lage weiter verschlechtert. Öffentliche Dienstleistungen sind zum Stillstand gekommen, Wasser- und Stromausfälle gibt es täglich. Der Benzinpreis ist so stark gestiegen, dass der Preis für eine Busfahrkarte über dem Tagesverdienst eines Arbeiters liegt. Viele Fabriken stehen still, weil die Arbeiter immer häufiger fehlen. „Das kann so nicht weitergehen“, sagt der Fabrikmanager James Davis.

„Mugabe hat keine Lösungen“
Jeder hatte gehofft, dass sich die Situation nach der Wahl verbessere - eine Hoffnung, die sich wohl nicht erfüllen wird. „Wenn sie glauben, sie können die Inflation mit illegitimen Wahlen und ohne internationale Unterstützung eindämmen, dann sollen sie es nur versuchen", sagt der Sprecher von Oppositionsführer Morgan Tsvangirai, George Sibotshiwe.

„Wenn Mugabe weitermacht, dann geht es mit der Wirtschaft weiter bergab“, prognostiziert der südafrikanische Wirtschaftsexperte Brian Raftopolous. „Mugabe hat keine Lösungen.“

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