"Black Light Burns"

Wes Borland im Interview

Musik
23.06.2008 12:49
Mit Limp Bizkit lieferte Wes Borland als Gitarrist jahrelang Welthits - bis er die Querelen mit Frontmann Fred Durst satt hatte, und die zuletzt nur mehr minder erfolgreiche Crossover-Band im Jahre 2005 verließ. Black Light Burns heißt die Band, mit der der 38-Jährige jetzt die Rückkehr antritt. Und diesmal nicht nur als Gitarrist, sondern gleich als Frontmann und Mastermind. krone.at sprach mit Wes Borland über das Debütalbum "Cruel Melody", das seit Freitag im Handel erhältlich ist.
(Bild: kmm)

Die wilde Kriegsbemalung und die pechschwarzen Kontaktlinsen, die er bei Limp-Bizkit ("weicher Keks") immer trug, sind Geschichte. Bei Black Light Burns ist Wes Borland nur er selbst und beißt lieber auf den harten Keks.

Zusammen mit Danny Lohner (NIN) Josh Freese (A Perfect Circle, NIN) und Josh Eustis (Telefon Tel Aviv) macht er jetzt auch keinen Nu Metal/Rap-Verschnitt mehr, sondern liefert satten Rock mit Industrial- und Metal-Einschlag. Neben den fesselnden Songs, die mal agressiv mal angsteinflößend sind, wird das Debütalbum BLBs von Borlands Stimme getragen. Die neue Rolle als Gitarre spielender Frontmann bekommt dem 38-Jährigen. Im krone.at-Interview erzählt Wes Borland wie er zum Sänger wurde, warum er die Tyrannei von Fred Durst satt hatte und wie "Cruel Melody" (Video zur Single siehe oben) entstand.

"Cruel Melody" hat eine latent beängstigende Aura, war das deine Intention?

Wes Borland: Ich weiß nicht, ob es unser Ziel war, den Zuhörer in Angst zu versetzen. Ich unterteile das Album gern in drei Parts. Ein aggressiver Anfang, den Mittelteil finde ich etwas zurückgenommener, in diese Songs brachte ich mehr von meinen Standpunkten ein. Der Schluss ist wie dann wie eine Explosion - hier lässt sich die Band gehen, vielleicht hat dich das ein wenig erschreckt. (lacht) Aber eigentlich solltest du danach relaxt sein.

Trotzdem verlangt einem die Platte viel Aufmerksamkeit ab...

Wes Borland: Das freut mich, dass sie das tut. Egal ob es jetzt positiv oder negativ war. Als Künstler bist du froh, wenn du es mit deiner Arbeit geschafft hast, jemanden zu bewegen.

Wann war für dich klar, dass du die Lead Vocals übernehmen wirst? Singen hörte man dich ja bisher nie...

Wes Borland: Die Idee kam durch pure Frustration. Ich konnte niemanden finden, der meinen Vorstellungen von einem Sänger entsprach und der fähig war, die Dinge so rüberzubringen, wie ich das wollte. Nach meinem Ausstieg bei Limp Bizkit hatte ich mir außerdem geschworen, nie wieder mit einem dominanten Sänger zusammenzuarbeiten. Ich wollte nicht mehr "nur" der Gitarrist sein, der einen Frontmann unterstützt, das hatte ich ja lange genug. Ich habe viel zu sagen und es dauerte drei, vier Jahre bis mir klar wurde, dass das nur ich selbst tun könnte. Wahrscheinlich wusste ich es schon unterbewusst, während ich noch die Listening-Sessions machte.

Wie viele Sänger hattest du dir angehört?

Wes Borland: Wir haben das Dümmste gemacht, das man tun kann: Wir stellten 30-Sekunden-Samples von drei Songs auf unserer MySpace-Website online. Jeder durfte dazu singen uns dann seine Version schicken. Das war die Hölle! Wir bekamen Hunderte E-Mails von Leuten, die halbwegs gut waren, bis zu Samples, bei denen dir nach den ersten fünf Sekunden schon übel wurde. Wir brauchten Tage, um uns durch die Files zu hören und es war so ermüdend, dass ich nach einer Woche die Nase voll hatte. Wir machten dann noch Sessions mit so ungefähr 15 professionellen Sängern, die uns gut gefallen hatten - aber aus keinem wurde was. Also sagte ich, scheiß drauf, dann singe ich den Kram eben selbst!

Könnte es sein, dass du einfach keine Kompromisse machen wolltest oder dich anderen Leuten erklären?

Wes Borland: Da hast du Recht. Ich habe jahrelang unter dem Gesetz eines Sängers gearbeitet und mehr oder weniger getan, was mir gesagt wurde. Vielleicht würden die Vocals auf "Cruel Melody" besser klingen, wenn sie ein erfahrener Sänger gemacht hätte. Aber es ist schwer, einen zu finden, der sich von einem Typen aus der Band sagen lässt, wie er seine Arbeit zu machen hat. Außerdem habe ich keine Lust, der zu sein, der es ihm sagt. Wenn ich in einer Band mit einem Sänger spiele, erwarte ich von ihm, dass er konkrete Vorstellungen von den Lyrics und den Vocallines hat, die mir als Gitarrist Raum geben und denen ich mich in gewisser Weise auch unterordnen kann. Bei den Listening-Session hatte kein Kandidat eine Vision, bei der ich es wert fand, mich für sie zurückzunehmen.

Black Light Burns klingt sehr anders, als alles, was wir von dir bisher gewohnt waren. Ist das jetzt der "wahre" Wes Borland oder stand dem eine Veränderung bevor?

Wes Borland: Ja, es ist der wahre Wes Borland. (lacht) Ich hatte einfach genug davon, immer Kompromisse eingehen zu müssen. Dass ich mich verändert habe, glaube ich nicht. Ich habe immer noch dieselbe Frisur, ich trage immer noch keine engen Jeans, wie diese Typen in den ganze Emo-Bands, die momentan so populär sind. Ich verändere mich nicht, um mich anzupassen. Ich höre auf die Stimme in mir und tue das, was ich für richtig halte. Das Ergebnis ist Black Light Burns und ich bin glücklich damit. Es fühlt sich gut an.

Du hast dir bei den Vocals Rat von Trent Reznor (Nine Inch Nails) geholt. War das ein freundschaftlicher Rat oder bis du zu ihm wie zu einem Kritiker gegangen?

Wes Borland: Ich hatte ihn definitiv als Freund aufgesucht, der sich die Dinge mal anhören sollte, um mir seine Meinung zu sagen. Er hörte die Songs, als sie noch in ihren Kinderschuhen steckten und ich noch am Herumexperimentieren war. Er sagte mir, wie ich bestimmte Parts angehen sollte, gab mir Tipps für die richtigen Mikrofone, die zu meiner Stimme passten. Durch ihn wurde mir klar, dass ich die Vocals leben musste. Davor hatte ich mich schlicht gefürchtet; ich sang, als hätte ich Angst davor, mir könnte jemand zuhören.

Hat dir das mehr Einklang mir dir selbst gebracht, so eine Art "Reise ins Innere"?

Wes Borland: Es hat mich als Musiker verändert, ich habe viel gelernt, vor allem was meine Schamgrenzen betrifft. Vor Tausenden Leuten zu singen, ist viel schwieriger als Gitarre zu spielen. Du musst selbstbewusst wirken, zu 100 Prozent da sein - und du kannst dich als Sänger nicht verstecken. Das waren ein paar wichtige Lektionen.

Wie schreibst du Songs?

Wes Borland: Am leichtesten fallen mir Songs, bei denen ich zuerst den Gitarrenriff im Kopf habe. Ich arbeite mich dann in meinem Studio zuhause voran wie bei einem Demo - und Stück für Stück kommt dann ein Song heraus. So kann ich Hunderte Songs schreiben. Die besseren sind aber die, bei denen mir die Vocals zuerst einfallen. Dann ergibt sich der Rest quasi von selbst und du musst nicht mehr an der Struktur des Songs arbeiten, oder an den Lyrics, damit sie besser zu den instrumentalen Parts passen.

Bei welchen Songs waren die Lyrics zuerst da?

Wes Borland: Mmh... Cruel Melody selbst, Lie und I Am Where It Takes Me. Ich liebe diese drei Songs, weil ihnen der ganze Schreib- und Überarbeitungsprozess erspart geblieben ist. Aus meiner Sicht sind sie viel natürlicher, ich hatte beim Schreiben auch keine Schwierigkeiten. Für die anderen Songs auf dem Album brauchte ich dreimal so lang.

Du malst in deiner Freizeit, hast auch das Cover von "Cruel Melody" gemacht. Lässt du dich bei der Musik auch von visuellen Dingen inspirieren?

Wes Borland: Ja, aber selten von Bildern oder Gemälden. Bei "Cruel Melody" dachte ich komischerweise oft an Filme. Ich versuche einen Song dann für einen Film zu schreiben, so als würde ich einen Soundtrack aufnehmen. Ich denke an Sounds, die ich gerne bei dieser oder jener Szene hören würde, auch das Tempo einer Filmszene beeinflusst den Song.

In den USA wird Black Light Burns eine "Supergroup" genannt, auf dem Album steht "the solo project of Wes Borland featuring..."Was ist es aus deiner Sicht?

Wes Borland: Von dem Ausdruck "Supergroup" fühle ich mich geschmeichelt, aber ich denke, Black Light Burns ist einfach eine neue Band. Der Zufall will es, dass darin ein paar bekannte Gesichter spielen - aber auch unbekannte, weil Danny und Josh auf Tournee nicht gerade eine zweite Platte auf, allein deshalb kannst du es nicht mehr "project" nennen. Außerdem werden wir einen DVD-Film über die Tour herausbringen mit vielen Extras und Behind-The-Scenes-Features und einem Video-Making-of. Black Light Burns ist definitiv eine Band! (lacht)

Das kling ja viel weiter fortgeschritten, als es momentan in Europa aussieht...

Wes Borland: Ja, das tut es. Wir wollten zuerst die USA abdecken und uns in unserer Heimat profilieren, bevor wir über den großen Teich schippern. Aber jetzt sind wir bereit für euch! (lacht) Es wird im Herbst übrigens auch ein paar Live-Shows in Europa geben. Also haltet euch fest!

Interview: Christoph Andert

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