Schlaf und Donner

Bob Dylan live in Wien

Musik
11.06.2008 14:53
Ein exzellentes Ersatzprogramm für Nicht-Fußball-Fans hat sich am Dienstagabend in der Wiener Stadthalle angeboten. Seit fast 20 Jahren mehr oder weniger ununterbrochen auf Tour, schneite Folklegende Bob Dylan für ein zweistündiges Konzert vor 8.000 Fans aus jeder Altersschicht herein.
(Bild: kmm)

"Ich geh sicher nicht nach hinten. Wenn er einmal stirbt, will ich sagen, dass er ein echt cooler Typ war. Das muss ich mir nicht verderben", antwortete einer der Veranstalter vor dem Konzert auf die Frage, ob er denn backstage Kontakt mit dem Hauptakteur des Abends suchen werde. Sein Ruf, im Alter etwas brillanter, aber auch arrogant und wortkarg geworden zu sein, eilt dem 67-jährigen Dylan weit voraus. Groß ist der Wunsch der Fans, sich das Andenken an den Songwriter-Poeten nicht zu verwässern. Am Dienstagabend war es daher eigentlich vollkommen egal, was er spielte. Hauptsache er tat es und man konnte danach sagen, dass man eines seiner Konzert gesehen hat - vielleicht war es ja gar das letzte.

Solches Glück, wie die Zuschauer vor vier Monaten in Mexiko, wo die beiden Bilder oben aufgenommen wurden, hatten die knapp 8.000 sitzenden Fans in der Wiener Stadthalle am Dienstag nicht. Herr Zimmerman nahm die ganze Show keine Gitarre in die Hand, Gichtanfälle und das Alter knoten ihn an E-Piano und Orgel. Während der regulären Show sprach er kein einziges Wort außerhalb von Strophe, Bridge und Refrain. Doch wurden die Fans im Gegensatz zu seiner Tour 2003, wo er seine Songs brutal zerpflückte und man sich schwer tat, überhaupt zu erraten, was da gerade gespielt wird, mit durchwegs fesselnden Darbietungen beglückt. Filmen, fotografieren oder gar interviewen ließ sich Dylan nicht. Braucht er nicht mehr, muss er auch nicht mehr. Alles ist gesagt.

Begonnen hat der Meister mit "Cat's In The Well" pünktlich um 19:45 Uhr recht flott. Er trug Hut, Halstuch und einem schwarzen, Charro-mäßigen Anzug mit roten Streifen, der ihn ein bisschen wie einen Mariachi aussehen ließ. Nach dem bschwingten Start kamen aber zum Großteil eher moderate Songs wie "Sugar Baby" (das aber sehr gelungen!) oder "Beyond The Horizon" und "Modern Times" vom gleichnamigen letzten Album, die die Show etwas schläfrig machten. Im shuffeligen Softie-Rock'n'Roll-Stil der Platte waren die schnellen Parts des Konzerts gehalten. "John Brown" raunzte Dylan, dessen Stimme in der Stadthalle die Instrumente seiner Musiker laut übertönte, grantig in gebückter Haltung überm Keyboard. Mit "Highwater" gab er ein wenig Folk und Country zum Besten. Das erste Highlight der Show war der Klassiker "Tangled Up In Blue", bei dem die Dylan-Band so richtig Stimmung machte, auch "Masters Of War" gefiel mit Dylans heiserer Live-Stimme, bei deren Artikulation er gnadenlos jede ursprüngliche Phrasierung überwirft und den Fans das Mitsingen bei Songs unmöglich macht.

Bei Sitzkonzerten in der Stadthalle ist es ja für gewöhnlich Usus, dass sich das Publikum am Parkett gegen Ende der Show von den Sitzen erhebt. Nun ist zwar "Highway 61 Revisited" ein Song, bei dem es dich bald vom Hocker haut - die zu diesem Zeitpunkt vier Songs vor Ende der Show nach vorne geeilten Anhänger standen beim darauffolgenden "Lamourhatscher" aber dann mehr oder weniger da wie bestellt und nicht abgeholt. Auf die nächsten Uptempo-Nummern musste man - bis auf "Ain't Talkin", dem letzten Song im regulären Set - bis zur Zugabe warten. "Thunder On The Mountain", der ersten Zugabe, nahm Dylan den gemütlich Spazierschritt und ersetzte ihn durch einen flotten Galopp. Mangels "Popowackelrhythmus" geriet leider das Gitarrensolo etwas zu wenig feinfühlig, ja fast brutal. Highligh: Kurz vor Schluss ließ sich Dylan doch zu einem "Thank you" hinreißen - über die entglittene Freundlichkeit hat er sich später in der Garderobe sicher geärgert...

Beim Finale mit "All Along The Watchtower" triumphierte Robert Alan Zimmerman dann ein letztes Mal und hörte sich an, als würde er die Coverversionen des Hits von der Dave Matthews Band und Neo-Dylan-Imitator Bryan Ferry zusammenmixen, um ihnen mit den scheinbar beliebig durchs Mikro gedonnerten Textzeilen doch noch seinen Stempel aufdrücken. Sagen wir, er ist ein echt cooler Typ.

Von Christoph Andert

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