Verlies-Drama

Inzestopfer Kerstin F. fast völlig gesund

Österreich
12.06.2008 08:24
Kerstin F., die 19-jährige Tochter von Elisabeth F., wird wieder völlig gesund. Das gab der Leiter der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Landesklinikums Amstetten-Mauer am Mittwoch bekannt. Laut Dr. Albert Reiter ist die junge Frau bereits "fast völlig" genesen. Am 19. April war Kerstin F. in lebensbedrohlichem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert worden und hatte damit die Aufdeckung des Verlies-Dramas von Amstetten ins Rollen gebracht. Die ersten Worte der 19-Jährigen nach Wochen des Bangens um ihr Überleben: "Ein neues Leben...". Nun wünscht sie sich eine Schifffahrt und den Besuch eines Robbie-Williams-Konzerts.

"Ich sagte 'Hallo', sie sagte 'Hallo'": Der Eintritt des 19-jährigen Mädchens "in ein neues Leben", wie sie dann sagte, sei ein berührender Augenblick am Ende eines langen Leidensweges gewesen, so der Arzt. Am Sonntag, dem 1. Juni, bei der Frühvisite um 9.00 Uhr war der Moment gekommen, wo Kerstin F. die Kanüle entfernt werden konnte, über die sie mehrere Wochen künstlich beatmet worden war, schilderte Albert Reiter.

Sie öffnete am 15. Mai die Augen
Am 19. April war sie in lebensbedrohlichem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert worden, durch das Versagen mehrerer lebenswichtiger Organe hing ihr Leben an einem seidenen Faden. Mit den Maßnahmen der modernen Intensivmedizin sei es gelungen, die Funktionen wieder herzustellen. Ab 12. Mai konnten die Medikamente vorsichtig reduziert werden - am 15. Mai zu Mittag öffnete die junge Frau erstmals die Augen und zeigte emotionale Reaktionen, indem sie uns anlächelte, sagte Reiter.

Gesund durch Mutter am Krankenbett
Besonders wichtig war in dieser Phase, dass die Mutter regelmäßig ans Krankenbett kam und ihre Tochter durch ihre Liebe zu Aktivitäten, zum "Mitmachen" an ihrer Genesung, motivierte. Noch im Bett liegend erfolgte die Mobilisierung, eine Logopädin bereitete die 19-Jährige auf das Schlucken der Speisen (nach der Entfernung der Schläuche) vor. Es sei alles "wie am Schnürchen gelaufen".

Dann "ging alles sehr schnell"
Nach der Entfernung der Kanüle "ging alles sehr schnell", beschrieb Reiter die täglichen großen Fortschritte - und die ersten tatsächlichen Schritte der Patientin noch auf der Intensivstation, bis sie dann am 8. Juni - im Krankenwagen sitzend - zu ihrer Familie ins Landesklinikum Amstetten-Mauer transportiert werden konnte: Der Primar sprach von einem "besonderen Augenblick", als sie beide - eingehängt - die Schwelle zur neuen Wohnung überschritten und damit "in ein neues Leben" eintraten.

Multiprofessionelles Team im Einsatz
Jetzt gehe es mit Hilfe von Therapeuten um die Stabilisierung des physischen Zustandes, der Immunstatus müsse ausgeglichen werden. Die übrigen Familienmitglieder seien bereits nachgeimpft worden.

Ein multiprofessionelles Team kümmert sich weiter um die Betreuung der Familie, deren zwei Teile (jene Kinder, die im Verlies aufwuchsen und jene, die der Verdächtige als "Findelkinder" bei sich aufnahm, Anm.) sich durch "unterschiedliches Lebenstempo" auszeichnen, erläuterte der ärztliche Direktor des Landesklinikums Amstetten-Mauer, Berthold Kepplinger: Den einen, die bisher ein "normales" Leben führten, gehe alles zu langsam, den anderen zu schnell, den einen sei fad, den anderen "reichen kleine Neuigkeiten". Die bisher eingesperrten Kinder bestaunen eine vorbeiziehende Wolke, die die anderen gar nicht wahrnehmen. Vereinzelte Spaziergänge würden unter ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen unternommen.

Opfer-Anwalt spricht von Wunder
Alle seien glücklich, es sei für alle "ein Wunder", sagte Opfer-Anwalt Christoph Herbst. Niemand habe mit dieser raschen positiven Entwicklung gerechnet, das Zusammenfinden der Familie sei ein großes Anliegen - auch der 19-Jährigen.

Es sei "ganz wesentlich" für den Genesungsprozess gewesen, dass von den täglichen Spitalbesuchen der Mutter nichts an die Öffentlichkeit drang. Für die Familie wurde eine eigene Wohnung eingerichtet, um eine normale Lebensatmosphäre zu schaffen. Allerdings könne die Familie nach wie vor nicht ins Freie. Die Natur zu genießen wäre vor allem für die bisher eingesperrten Kinder wichtig, appellierte der Anwalt an die Medien, die Privatsphäre zu respektieren und den Lebensraum der Familie - durch Versuche, an Fotos auf dem Gelände zu kommen - nicht erneut einzuschränken.

Herbst berichtete von unzähligen E-Mails und Briefen aus aller Welt, von Neuseeland über China bis USA, an die 42-jährige Mutter. Die Familie wolle sie alle so bald wie möglich beantworten.

Kerstin ist Robbie-Williams-Fan
Die Ärzte erklärten, dass sich die Kinder normal weiter entwickeln. Drei Lehrkräfte geben Unterricht, der älteste Sohn entwickle sich überraschend gut. Die 19-Jährige wird physiotherapeutisch behandelt, u.a. stehen Kräftigungsübungen am Programm. Sie könne lesen und schreiben und sei "sehr gut" in der Kommunikation. Sie habe auch schon Wünsche geäußert: Sie will eine Schifffahrt machen und ein Robbie-Williams-Konzert besuchen.

(Groß-)Vater ein Thema?
Ob der Verdächtige - Großvater bzw. Vater - ein Thema sei? "Natürlich", sagte Kepplinger. Die Ambivalenz sei sehr groß, vor allem bei den Mädchen. Aus therapeutischer Sicht sei eine Befragung der Familienmitglieder als Zeugen noch nicht möglich, stellte Herbst fest. Der Zeitpunkt werde von der Staatsanwaltschaft St. Pölten in Absprache mit den Therapeuten festgelegt werden. Einen geschlossenen Auftritt der Familie in der Öffentlichkeit lehne die 42-Jährige im Moment ab.

Sieben Kinder mit der Tochter
Am 27. April war in Amstetten bekannt geworden, dass der 73-jährige Josef F. seine Tochter Elisabeth 24 Jahre lang in einem Verlies eingesperrt und sexuell missbraucht hatte. Während der Gefangenschaft zeugte der Mann mit der heute 42-jährigen Frau sieben Kinder. Eines von ihnen starb nach der Geburt. Die Leiche des Babys hat der Mann angeblich in einem Holzofen verbrannt. Josef F. hat sich weitgehend geständig gezeigt.

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