Erwartungsdruck

Obama muss sich als Wunderwuzzi beweisen

Ausland
07.06.2008 19:07
Es dürfte Barack Obama kein Leichtes werden, die Erwartungen der Welt zu erfüllen, wenn er zum nächsten Präsidenten der USA gewählt wird. Von ihm werden nämlich Wunderwuzzi-Qualitäten erwartet: Er soll den unpopulären Krieg im Irak beenden, das von der weltweiten Lebensmittelkrise verursachte Elend lindern, Brücken in islamische Länder bauen und die von der Bush-Regierung praktizierte Politik der Alleingänge beenden. Ach ja, natürlich muss er auch noch die weltweite Klimaerwärmung stoppen.

Der junge, dynamische und charismatische Schwarze, der zum Präsidentschaftskandidaten der US-Demokraten gekürt wird, hat die Welt in Euphorie versetzt und einen riesigen Erwartungsdruck aufgebaut. Obama ist mit seiner hochfliegenden Botschaft von Erneuerung und Wechsel zu einer Leinwand geworden, auf die alle möglichen Wünsche und Hoffnungen projiziert werden.

Sollte Obama gewählt werden, könnte es sehr wohl sein, dass der Neuling im Weißen Haus sich in der Realität des Regierens gezwungen sehen wird, Millionen auf der ganzen Welt zu enttäuschen - besonders, da er ein Land übernimmt, dem wirtschaftlich gerade etwas die Puste ausgeht und das sowohl in Afghanistan als auch im Irak in einen nur schwer aufzulösenden Konflikt verwickelt ist.

Truppenabzug aus dem Irak
Die Desillusionierung könnte an mehreren Fronten einsetzen. Da ist zum einen der Irak-Krieg, in den Präsident George W. Bush die USA geführt hat. Obama macht sich für einen Truppenabzug aus dem Irak stark - eine populäre Haltung in weiten Teilen der Welt. Eine nüchterne Einschätzung der Sicherheitsrisiken könnte einen Präsidenten Obama allerdings dazu bringen, seine Meinung noch einmal zu überdenken. Sollte der Friedenskandidat den Krieg verlängern, würden sich viele Bürger auf der ganzen Welt verraten fühlen.

Lieber Obama statt Bush
"Es gibt diese unrealistische Hoffnung, dass Obama den Wechsel bringen wird, dass alles besser ist als Bush", erklärt Robert McGeehan, der am Chatham House, einem Forschungsinstitut für internationale Politik in London, Experte für das Thema Anti-Amerikanismus ist. Von Obamas Anhängern hätten nur wenige dessen Vorschläge näher studiert. Viele mochten ihn nur, weil er das Ende der Ära Bush darstelle. "Bisher hat er es sehr leicht gehabt, aber nun wird es viel schwieriger", sagt McGeehan.

Schon vor dem angepeilten Einzug ins Weiße Haus stoßen einige außenpolitische Positionen Obamas auf Widerstand. Da ist beispielsweise der ewige Krisenherd Nahost. Die Israelis sind misstrauisch, weil Obama signalisiert hat, er könnte sich mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad an einen Tisch setzen.

Mit Blick auf die jüdischen Wähler in den USA beeilte sich Obama inzwischen zu versichern, dass Gerüchte, wonach er Israel und jüdischen Interessen kritisch gegenübersteht, unzutreffend seien. In einer Rede vor einer einflussreichen jüdischen Lobby-Gruppe in Washington bezeichnete er Jerusalem vor wenigen Tagen als unteilbare Hauptstadt Israels.

Palästinenser vor den Kopf gestoßen
Das wiederum stieß die Palästinenser vor den Kopf, die auf einen US-Präsidenten hoffen, der Israel substanzielle Zugeständnisse abringt. Der palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erakat sagte der AP, Obamas Aussage sei enttäuschend für jemanden, der nach Wechsel rufe. "Wenn er das so meint, bedeutet es das Schließen aller Tore für den Frieden."

Einige arabische Regierungschefs sind nervös, weil Obama die amerikanische Militärpräsenz im Irak verringern will. Sie fürchten, der Bürgerkrieg könnte sich dann schnell über die irakischen Grenzen hinweg ausbreiten.

Ähnlich sind die Reaktionen in Indonesien, wo Obama als Kind vier Jahre zur Schule ging. Obamas Aussage zu Jerusalem zeige, dass man den Amerikanern nicht vertrauen dürfe, egal wer Präsident sei, sagte Maria Soraya, die in Jakarta ein Geschäft besitzt. "Sie hassen den Islam. Sie wollen nicht, dass der Islam voranschreitet."

Obamas Berufung könnte Neuanfang sein
Trotz alledem ist es für viele Millionen Menschen auf der Welt eine Inspiration, dass ein Schwarzer in den USA erstmals realistische Chancen auf den Einzug ins Weiße Haus hat. Obamas Berufung könnte in ihren Augen in den USA einen fundamentalen Neuanfang in den Beziehungen zwischen den Hautfarben darstellen und einen weltweiten Schneeballeffekt für das Überbrücken von Differenzen zwischen Rassen und Kulturen haben.

"Die Tatsache, dass heutzutage Weiße einen Schwarzen als Kandidaten auswählen, ist eine Revolution in der US-Mentalität", erklärte der senegalesische Präsident Abdoulaye Wade.

In Indien sagte der politische Experte C. Uday Bhaskar vom Institut für Militärstudien in Neu-Delhi: "Für die einfachen Inder wird Obama der Underdog sein, weil er ein Farbiger ist. Die Inder werden sich auf die Seite des Außenseiters stellen. Er ist nicht der rotnackige Weiße, der koloniale Ängste in Indien wachruft."

In Neuseeland erklärten vier Abgeordnete der Maori-Partei, Obamas Nominierung sei "ein kleiner Schritt für die USA, aber ein Riesenschritt für die farbigen Menschen in der ganzen Welt."

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