Behörden verärgert

Londons Mistkübel erkennen Handys, zeigen Werbung

Elektronik
13.08.2013 08:38
Wer mit einem Smartphone, dessen WLAN-Modul aktiviert ist, durch die Londoner Innenstadt spaziert, der wird neuerdings auf Schritt und Tritt beobachtet. Nicht vom britischen Geheimdienst, sondern von intelligenten Mistkübeln, die in der Stadt nach WLAN-Signalen Ausschau halten und versuchen, dem Passanten auf einem Display personalisierte Werbung zu zeigen. Noch sind die 35.000-Euro-Mülleimer ein Pilotprojekt, Datenschützer sind aber jetzt schon besorgt - und haben die Behörden auf den Plan gerufen.

Wenn auf Wiener Mülleimern witzige Sprüche wie "Ich bin für jeden Mist zu haben" stehen, dann dient das vor allem der Bewusstseinsbildung, Abfälle doch im dafür vorgesehenen Behältnis zu entsorgen. Die Werbung auf den neuen High-Tech-Mistkübeln "Renew Orbs" des britischen Unternehmens Renew dient hingegen weniger der Bewusstseinsbildung, sondern soll Geld in die Kassen des Mülleimerproduzenten spülen.

200 WLAN-Mülleimer zu Testzwecken in Londons Innenstadt
Rund 200 WLAN-fähige Mülltonnen hat das Unternehmen testweise in der Londoner Innenstadt aufgestellt. Die Funktionsweise der intelligenten Tonnen: Mithilfe eines WLAN-Moduls lauschen sie nach den WLAN-Signalen, die von den Smartphones der Passanten ausgehen. Wird ein Handy erfasst, wird seine MAC-Adresse gespeichert und das Gerät so eindeutig identifiziert.

So können die Mülleimer zwar nicht den Nutzer selbst, wohl aber sein Smartphone erkennen und auf seinen Wegstrecken und Aufenthaltsorten basierende personalisierte Werbung schalten – auf dem Display in der Mülltonne. Denkbar wäre aber zum Beispiel auch, dass anhand der MAC-Adresse das Handy-Modell erkannt wird – und der Mistkübel beispielsweise Passanten mit Apple-Smartphones Werbung für ein anderes Produkt des US-Konzerns zeigt, das gut mit dem Handy harmonieren würde.

Behörden: "Das muss umgehend aufhören!"
Innerhalb einer Woche sollen die Mülltonnen, die derweil nur in der Innenstadt ihren Dienst verrichten, vier Millionen WLAN-Signale abgefangen und über eine halbe Million einzelne Geräte erkannt haben, berichtet der britische "Independant". Kein Wunder also, dass sich der Hersteller der Mülltonnen Vorwürfe gefallen lassen muss, er nehme es mit der Privatsphäre der Handybesitzer nicht so genau.

Die Vorwürfe kommen mittlerweile nicht mehr nur von Datenschützern, sondern auch von der britischen Regierung. Das Datensammeln müsse "umgehend aufhören", solange es keine öffentliche Debatte gegeben habe, hieß es nach Bekanntwerden der WLAN-Schnüffelei vonseiten der Verwaltung der Londoner Innenstadt. Auch die Bürgerreichtsbehörde ICO wurde eingeschaltet.

Betrieb und Anschaffung des "Renew Orb" sündhaft teuer
"Das Wesentliche ist ja, dass wir anonymisierte MAC-Informationen sammeln. Wir sammeln nicht wirklich persönliche Daten, wir wissen nicht, wer jemand ist", sagt Renew-Chef Kaveh Memari zur Zeitung. Außerdem erprobe man die Technik derzeit nur, um zu sehen, wie gut sie draußen funktioniert. In Gebäuden seien WLAN-Lauscher ganz normal. "Tatsächlich wird das bereits an vielen Orten aktiv genutzt, und die Leute wissen es nicht mal", so Memari.

Man erfasse derzeit nur die Zahl der Passanten und die Zeit, die sie in einem bestimmten Geschäft verbringen. Das ermögliche personalisierte Werbung, letztlich seien die WLAN-Mistkübel aber ohnedies noch nicht bereit für den massenhaften Einsatz. Man werde noch Gespräche mit Datenschützern führen, verspricht Memari.

Aber auch abseits des Datenschutzes stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit solch intelligenter Mülltonnen mit WLAN-Modul und Bildschirm. Ein einzelner Renew-Abfalleimer kostet in der Anschaffung umgerechnet rund 35.000 Euro. Und im Unterhalt – die Mistkübel sollen 21 Jahre stehen bleiben – fallen pro Mülltonne fast 600.000 Euro Wartungs- und Betriebskosten an.

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