"Sündenbock-Modell"

Bundesheer-Studie: Gemobbter Soldat mobbt Soldatin

Österreich
07.07.2010 14:28
Die Studie des Instituts für Managementwissenschaften der TU Wien über die Situation weiblicher Soldaten im Bundesheer - krone.at berichtete - schlägt hohe Wellen. Neben der Heeresführung und dem Ministerium will sich auch die parlamentarische Bundesheerkommission damit befassen, speziell mit dem Thema Mobbing. In der Studie zeigt sich dabei ein klassisches "Sündenbock-Phänomen": Gemobbte Männer werden selbst zu Mobbern und finden dabei offenbar speziell bei Soldatinnen leichte Beute.

Sabine Köszegi, die Leiterin des TU-Forscherteams, geht davon aus, dass sowohl die Dunkelziffer der Mobbingopfer als auch der Täter noch höher ist, als die Studie ergeben hat. Insgesamt haben laut der Studie unter 443 Bundesheer-Beschäftigten fast zehn Prozent der Befragten zugegeben, schon einmal aggressive Handlungen gegenüber Frauen ausgeführt zu haben.

Das Mobbing, dem Soldatinnen im Bundesheer laut der Studie dreimal so stark ausgesetzt sind als ihre männlichen Kollegen, sei aber ein kollektives Phänomen, erklärt Köszegi. In der Studie der TU berichteten alle Mobbingopfer von mindestens zwei Tätern. Die besonders häufigen Aggressionen der Männer gegenüber Frauen stehen nämlich ganz deutlich im Zusammenhang mit selbst erlittenem Leid. Soldaten, die selbst gemobbt werden, lassen ihren Frust dann an den (vermeintlich) schwächeren Frauen aus.

Dieses "Sündenbock-Phänomen" genannte Schema ist auch aus anderen Studien schon bekannt. Menschen in schwächerer Position oder Personen, die von bestimmten Idealvorstellungen einer Gruppe abweichen, werden besonders oft Opfer von Mobbing, erklärt Köszegi. "Mobbing ist ein Phänomen auf allen Ebenen und es geschieht immer im Kollektiv und nicht durch einzelne", so Köszegi.

In Elite-Verbänden muss sich Kultur ändern
Dass an Akademien und Schulen Mobbing am häufigsten auftritt, erklärt die Forscherin mit dem Anspruch dieser, Werte und Tradition des Bundesheeres an die Auszubildenden weiterzugeben. Dort und in den elitären Kampfeinheiten ist auch die Zuversicht, dass Frauen die gleichen Leistungen im Heer erbringen können, am geringsten. Die Unterstützungseinheiten, in denen zwar Frauen überwiegend die gleiche Leistung zugetraut wird, genießen innerhalb des Heeres weniger Ansehen. Dort sei die vermeintliche Nichterfüllung des männlichen Ideals durch die Frauen dann weniger problematisch.

Die Studie verdeutliche, dass Mobbing im Bundesheer nur durch Veränderung der strukturellen und kulturellen Rahmenbedingungen zu verhindern ist. Vor allem das Überdenken tradierter Wertvorstellungen, die sich in vorwiegend auf physische Leistungsfähigkeit reduzierten Kriterien äußern, seien ein zentralen Hebel für Veränderungen, sagte Mitautorin Eva Zedlacher.

Kommission will sich stärker Mobbing-Thema zuwenden
Die parlamentarische Bundesheerkommission will sich dem Thema Mobbing von Frauen im Bundesheer verstärkt annehmen. Alle Bereiche des Militär müssen Frauen offenstehen, es reiche nicht, wenn Soldatinnen nur in den Unterstützungseinheiten etwa als Ärztinnen oder Sanitäterinnen akzeptiert werden, sagte der amtsführende Vorsitzender, Anton Gaal (SPÖ), an Mittwoch.

Die Kommission wolle sich jetzt mit den Studienautoren zusammensetzen und die Inhalte der Untersuchung im Detail analysieren. Um die Situation für Frauen zu verbessern, müsse man Bewusstseinsbildung betreiben und das Thema zum Beispiel in den Lehrinhalten einfließen lassen, sagte Gaal. Die Organisation- und Diskussionskultur müsste sich entsprechend ändern.

Opfer sollen sich melden
Gaal möchte auch wissen, wieso betroffene Frauen nicht den Weg zu Kommission gefunden haben, denn diese hat kaum Meldungen bezüglich verstärktem Mobbing gegen Frauen bekommen. Gaal glaubt, dass viele so enttäuscht sind, dass sie keinen Sinn darin sehen und dem Bundesheer gleich den Rücken kehren. "Das darf nicht mehr vorkommen", so Gaal. Es müsse gesichert sein, dass Frauen, die Soldatinnen werden wollen, ihren Wunschberuf nachgehen können. Er appellierte an Betroffene, sich an die Beschwerdekommission zu wenden.

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