Demograf klärt auf

Lange Arbeiten garantiert noch keine lange Pension

Innenpolitik
27.12.2025 21:30

Wer jahrzehntelang arbeitet, hat nicht automatisch viele Jahre Ruhestand. Die Mehrheit erreicht das Pensionsalter, Tausende sterben jedoch bald darauf. Ein Demograf gibt Einblicke in die Zahlen.

Ein Leben lang arbeiten, durchhalten, einzahlen – und dann endlich Pension. Für viele ist sie das große Versprechen am Ende des Berufslebens. Doch die Realität ist – auch im Lichte der ob der Staatsschulden wieder aufflammenden Diskussion über längeres Arbeiten – ernüchternd: Nicht alle erleben diesen Lebensabschnitt überhaupt. Und für manche ist er erschreckend kurz. Der Wiener Demograf Marc Luy von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat sich angesehen, was die Zahlen tatsächlich sagen – und was nicht.

Die Mehrheit erreicht das Pensionsalter
Zunächst die gute Nachricht: Die meisten Menschen in Österreich erreichen das klassische Pensionsalter. Laut aktuellen Sterbetafeln der Statistik Austria werden rund 94 Prozent der Bevölkerung 60 Jahre alt, etwa 91 Prozent erreichen das 65. Lebensjahr. Frauen leben dabei länger als Männer. Doch Luy warnt vor falschen Schlüssen: „Diese Zahlen sind keine Prognosen für einzelne Menschen, sondern beschreiben das aktuelle Sterbegeschehen der gesamten Bevölkerung.“ Sie zeigen, wie viele es schaffen – nicht, wie lange sie dann noch leben.

Für Tausende ist die Pension nur kurz
Und hier wird es bitter: Von jenen Menschen, die ihren 60. Geburtstag erleben, sterben rund neun Prozent noch vor dem 70. Lebensjahr. Für sie bleibt die Pension ein sehr kurzer Abschnitt. Rechnet man genauer nach und definiert „kurze Pension“ als weniger als fünf Jahre, dann betrifft das bis zu sechs Prozent der Menschen, je nach Pensionsantrittsalter.

Zitat Icon

Nicht alle erleben ihre Pension – aber wer sie erreicht, lebt statistisch gesehen oft noch lange. Allerdings sind diese Jahre sehr ungleich verteilt.

Marc Luy, Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)

Durchschnitt verschleiert die Ungleichheit
Statistisch gesehen haben Männer mit 65 noch knapp 19 Jahre, Frauen sogar über 21 Jahre Lebenserwartung vor sich. Doch dieser Durchschnitt täuscht – denn nicht alle profitieren gleich. „Es gibt Unterschiede zwischen sozialen Gruppen“, sagt der Demograf. Und diese Unterschiede haben einen Einfluss darauf, ob man seine Pension genießen kann – oder kaum erlebt.

Harte Jobs, kürzeres Leben
Für Österreich gibt es zwar keine offiziellen Sterbetafeln nach Berufsgruppen, doch internationale Studien zeigen ein klares Muster: Körperlich schwere Arbeit verkürzt das Leben deutlich. In einer Vergleichsstudie des Demografen für Deutschland lag die Wahrscheinlichkeit eines Bergarbeiters, das Rentenalter zu erreichen, bei nur etwa 50 Prozent. Lehrer, Sozialarbeiter oder Dozenten hingegen erreichten ihren 65. Geburtstag in über 90 Prozent der Fälle. Der Unterschied in der Lebenserwartung mit 65: mehr als sieben Jahre.

„Vor allem ungelernte und angelernte Arbeiter haben eine vergleichsweise geringere Lebenserwartung“, erklärt Luy. Schichtarbeit, Dauerstress, körperliche Belastung – all das hinterlässt Spuren.

Bildung schützt – auch vor frühem Tod
Auch für Österreich gibt es klare Daten: Bildung verlängert das Leben.
Männer mit Pflichtschulabschluss erreichen das 65. Lebensjahr deutlich seltener als Akademiker. Ihre Lebenserwartung mit 65 ist mehr als drei Jahre kürzer, die Chance, 80 zu werden, um fast 20 Prozentpunkte geringer. Bei Frauen sind die Unterschiede kleiner, aber ebenfalls deutlich.

Pensionsalter erhöhen? Für manche heißt das: keine Pension
In der politischen Debatte um ein höheres Pensionsalter sieht Luy keine Alternative zu einer Erhöhung. Als das gesetzliche Pensionsalter vor über 100 Jahren festgelegt wurde, erreichte nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung dieses Alter. Heute ist die Gesellschaft deutlich älter – und das System aufgrund der demografischen Alterung unter Druck.

Ist ein einheitliches Pensionsalter also gerecht? „Nein“, sagt Luy – schränkt aber ein: Gerechtigkeit ist hier kaum eindeutig definierbar. Lebenserwartung variiert nicht nur zwischen Berufsgruppen, sondern auch innerhalb derselben. „Wir bekommen kein Ticket in die Hand gedrückt, auf dem steht, wie alt wir werden“, sagt der Demograf. Manche sterben mit 64, andere werden über 100 und das gilt unabhängig von der Berufsgruppe. Je länger man über ein gerechtes Pensionssystem nachdenkt, desto komplizierter wird es. Oder, wie Luy es nüchtern formuliert: „Bei dieser Diskussion bin ich froh, Wissenschaftler zu sein – und nicht der Politiker, der das entscheiden muss.“

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