Würden Sie den Schmuck Ihrer Großmutter unter solchen Umständen hergeben? Anstatt das künftige Potenzial unseres Habsburgischen Erbes zu erkennen, fällt Österreichs Politik wieder in alte Muster zurück. Dabei brauchen wir gerade jetzt eine neue, große, gemeinsame Erzählung.
Das Kapitel Habsburg und Österreich ist um eine weitere Facette – nein, Farce – reicher. Da gibt es einen Jahrhundertfund, und anstatt Jubel kommt von offizieller Seite Säbelrasseln.
Ein Teil des legendären Habsburgischen Hausschatzes ist wieder aufgetaucht. Darunter der „Florentiner“, einer der größten Diamanten der Welt. In Papier gepackt, hat Kaiserin Zita die Stücke im Safe in Kanada hinterlegen lassen. So, wie Zita ihn offenbar bei sich geführt hatte, als sie auf der Flucht vor den Nazis in die USA übersetzte. Was für ein Bild, was für eine Geschichte!
Die Habsburger gehen damit an die Öffentlichkeit – sichtlich mit großer Freude. Sie stellen sich den Fragen. Und ja, es gibt noch zahlreiche offene Fragen. Die „Krone“ ist gerade mit einem eigenen Team daran, diese zu klären, mehr dazu in Kürze – die wichtigsten Hintergründe haben wir hier für Sie zusammengefasst.
Sanfte Diplomatie klingt anders
Und was ist die Reaktion der Regierung? Aus dem Bundeskanzleramt kommen grummelige Töne. Anstatt zu jubeln und zu signalisieren, dass man sich freuen würde, wenn die Stücke in ihr altes Zuhause – die Schatzkammer – zurückkehren, kommen aus dem Büro des Vizekanzlers markige Ankündigungen: Man lasse „den Prozess zur Rückholung des Juwels einleiten“. Sanfte Diplomatie klingt anders. Anstatt das Gespräch zu suchen, begibt man sich auf verbalen Kriegspfad. Geht es um politisches Kleingeld oder um eine langfristige Lösung im Sinne Österreichs für den Verbleib der Juwelen? Ganz ehrlich: Würden Sie den Schmuck Ihrer Großmutter jemandem zur Verfügung stellen, der Ihnen öffentlich ausrichtet: Ich rede nicht mir dir, ich hole ihn mir sowieso, weil eigentlich gehört er mir?
Die Freude wich schnell der Ernüchterung
Man muss es deutlich sagen: Die Familie Habsburg hätte den Schatz für weitere 100 Jahre im Safe lassen können. Die Öffentlichkeit wusste ja nichts von seinem Verbleib. Es war eine Riesenüberraschung. Die Freude darüber wich schnell der Ernüchterung – und der Erkenntnis: Es geht schon wieder los. Das Schattenboxen gegen die Vergangenheit. Auch 100 Jahre nach dem Ende der Monarchie ist Österreichs Politik komplett verkrampft, wenn es um die kaiserliche Vergangenheit geht. Dabei stehen wir an einer Zeitenwende, über die uns unser imperiales Erbe tragen kann.
Wir haben etwas, worum uns die ganze Welt beneidet: unsere Geschichte und Kultur. Wir sind ein lebendes Museum, daran verdienen wir gut.
Dr. Martina Winkelhofer
Machen wir uns nichts vor: Was uns in Zukunft wirtschaftlich retten wird, ist unsere Geschichte – die Habsburgische Geschichte. Wir sind wirtschaftlich nicht mehr konkurrenzfähig. Unsere Standortpolitik ist eine Katastrophe. Unserem Gesundheits- und Sozialsystem geht das Geld aus. Die Digitalisierung haben wir verschlafen und es droht Gleiches bei der KI-Technologie. Aber wir haben etwas, worum uns die ganze Welt beneidet: unsere Geschichte und Kultur. Wir sind ein lebendes Museum und daran verdienen wir gut. In Schloss Schönbrunn werden wohl bald Stahlträger eingezogen werden müssen, weil die alte Residenz die Millionen Besucher jährlich bald nicht mehr verdauen kann. Wer die kaiserliche Schatzkammer an einem beliebigen Tag besucht, sieht Massen aus aller Welt. Was wollen sie sehen? Imperiale Geschichte.
Dass auch die Politik endlich ein gesundes Verhältnis zu den Habsburgern und unserer gemeinsamen Geschichte findet – die Österreicher und Österreicherinnen haben es sowieso längst –, ist das Gebot der Stunde. Wir werden künftig noch viel mehr auf unser historisches Erbe setzen müssen, und dazu brauchen wir eine neue große gemeinsame Erzählung: frei von Ideologie, mit offenem Blick – und ja, es darf auch Glanz und Glamour sein.
Wir müssen keine Angst vor den Habsburgern haben. Sie nehmen uns nichts mehr weg. Im Gegenteil, die Gründerväter der Republik Deutschösterreich haben sie enteignet – und zwar komplett. Das „Habsburgergesetz“ von 1919 ist weltweit das schärfste dieser Art, das je erlassen wurde.
Dafür haben uns die Habsburger ein riesiges kulturelles Erbe hinterlassen. Unser Glück ist, dass die Herrscher dieser Dynastie zwar oft lausige Feldherren waren und Modernisierungen oft verschlafen haben, aber dafür waren sie geniale Sammler und Mäzene. Kunst und Kunstschätze als Ausdruck imperialer Pracht standen für die Habsburger immer an erster Stelle. Heute profitieren wir davon.
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