Domplatz St.Pölten

Steine, Seelen und Schatten – ein Friedhof erzählt

Kultur
08.10.2025 13:44

Es ist nichts weniger als die Geschichte der Stadt, die diese Ausstellung erzählt. Das Stadtmuseum St. Pölten zeigt „Von Steinen und Beinen – Die wechselvolle Geschichte des Domplatzes“ und präsentiert damit die Ergebnisse von zehn Jahren Grabungen im Zentrum der Landeshauptstadt.

Manchmal flüstert die Erde. Ganz leise, als wolle sie nur jenen antworten, die bereit sind zuzuhören. Unter den Pflastersteinen des St. Pöltner Domplatzes hat sie es getan – und ihre Stimme erzählt von Leben, Glauben, Schmerz und unendlicher Zeit. Zehn Jahre lang grub ein Archäologenteam dort, wo heute das Herz der Stadt schlägt. Was sie fanden, sprengt historische Maße: 5.638 Quadratmeter erforscht, 6.759 Tonnen Erde bewegt, fast 300.000 Einzelfunde geborgen – und mehr als 22.000 (!) Skelette. Zweiundzwanzigtausend Menschen, die einst hier lebten, liebten, starben.

Schicht für Schicht, Knochen für Knochen
„Wir haben die Geschichte einer Stadt ausgegraben – Schicht für Schicht, Knochen für Knochen“, sagt Stadtarchäologe Dr. Ronald Risy. Aus seiner Stimme klingt Ehrfurcht, kein Triumph. Denn was hier freigelegt wurde, ist kein gewöhnlicher Fundort, sondern ein gewaltiges, stilles Archiv des Menschseins – das weltweit größte ortsgebundene Bioarchiv menschlicher Skelette.

Blicke in die Ausstellung im Stadtmuseum
Blicke in die Ausstellung im Stadtmuseum(Bild: Vorlaufer)
Einblick in die Methoden der Forschenden.
Einblick in die Methoden der Forschenden.(Bild: Vorlaufer)
Auch die Schichten der Ausgrabungen sind dokumentiert.
Auch die Schichten der Ausgrabungen sind dokumentiert.(Bild: Vorlaufer)

Zwischen all den wissenschaftlichen Zahlen schimmern die stillen Wunder. Da ist die „Lucia, Lichtträgerin vom Domplatz“, eine kleine Keramikfigur aus dem 15. Jahrhundert, deren offener Mund Kienspäne hielt – Licht aus der Dunkelheit, getragen in Händen, die längst zu Staub geworden sind. Und da ist der winzige Wendekopf aus Bein, ein dreigesichtiges Amulett mit Christus, Maria und dem Tod – ein Rosenkranzanhänger, der die mittelalterliche Mahnung „Memento mori“ atmete: Bedenke, dass du sterben musst.

Kreuzung der Zeiten und Glaubenswelten
Über dem, was einmal ein römischer Verwaltungspalast aus dem 4. Jahrhundert war, erhoben sich später Kirchen, Klöster, Friedhöfe – vier große Gotteshäuser allein im Spätmittelalter. Hier kreuzten sich Zeiten, Glaubenswelten, Lebensformen. Jeder Spatenstich legte nicht nur Mauern frei, sondern ganze Kapitel menschlicher Erfahrung.

All das ist jetzt sichtbar in einer laufenden Ausstellung im Stadtmuseum St. Pölten, wo die Ausstellung „Von Steinen und Beinen – Die wechselvolle Geschichte des Domplatzes“ die Ergebnisse dieser Grabungen zum Leben erweckt. Dort, in gedämpftem Licht, schwebt die Vergangenheit in 3D-Rekonstruktionen, in feinen Glasvitrinen, in den Gesichtern jener Besucher, die plötzlich spüren, dass Geschichte kein fernes Wort ist, sondern unter ihren eigenen Füßen beginnt.

Man verlässt die Ausstellung leiser, als man sie betreten hat. Vielleicht, weil man ahnt, dass dieser Ort mehr bewahrt als Steine und Knochen. Er bewahrt das, was uns alle verbindet – das Staunen über die Vergänglichkeit und den zarten Trost, dass nichts, was einmal gelebt hat, ganz verloren geht.

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