Alte Techniken, nachhaltige Stoffe, lokale Kräfte: Das Architekturzentrum Wien widmet der indischen Architektin Anupama Kundoo bis Februar die Ausstellung „Reichtum statt Kapital“. Dabei kann die Arbeit der Bau-Pionierin auch räumlich erlebt werden.
Erst forschen, dann bauen – so lautet einer der Grundsätze von Anupama Kundoo. Die aus Indien stammende Architektin und Bau-Pionierin setzt sich in ihrer Arbeit dafür ein, gängige Techniken und Verfahren des Bauens zu hinterfragen. Muss es immer Stahlbeton sein? Sind traditionelle Arbeitsweisen mitunter besser geeignet, um auf sich verändernde Klimabedingungen zu reagieren? Hat die Normierung wirklich alles besser, günstiger gemacht?
Verlorenes Wissen für die Zukunft erhalten
„Bisher hat jede Generation mehr gewusst als die vor ihr“, erzählt Kundoo. Das sei nicht mehr der Fall: „Heute verschwindet das Wissen vor unseren Augen.“ Als Beispiel nennt sie den Lehmbau, der über Jahrhunderte Standard war. Heute beherrscht diese Technik kaum jemand: „Damit geht wertvolles Wissen verloren. Jeden Tag ein Stück mehr.“
Bei Anupama Kundoo steht daher die Recherche immer an erster Stelle beim Bauen. Da prüft sie Ziegelformen, experimentiert mit Formen, Farben und Materialien. Die Lösungen, nach denen sie sucht, sollen ganzheitlich sein: auf die Bedürfnisse der Bewohner abgestimmt, energietechnisch sinnvoll, lokal und nachhaltig in der Verwendung der Ressourcen.
So hat sie in ihrem „Wall House“ in Südindien eine natürlich belüftete Gewölbedecke entwickelt – lokal gefertigt aus Terrakotta-Kegel und gänzlich ohne Stahl. Oder hat im Sozialen Wohnbau in Auroville tragende Wände aus Stampflehm verbaut.
Rückbesinnung auf den Hausverstand
Anupama Kundoo geht es nicht um einen nostalgischen Blick in eine Vergangenheit, in der vermeintlich alles besser war. Es geht um eine Rückbesinnung auf das menschliche Maß, den Hausverstand beim Bauen: „Regulierungen sind eine gute Sache. Wir müssen uns nur fragen, wer heute von ihnen profitiert – der Mensch oder große Firmen?“
Reichtum liegt in den Projekten der Architektin nicht in teuren Oberflächen und perfekten Industrieprodukten, sondern in der neuartigen Verwendung von Materialien, die lokal im Überfluss vorhanden sind. So hat sie etwa für obdachlose Kinder ein Heim in Puducherry gebaut, das aus vor Ort gebrannten Lehmhäusern besteht: Nach dem Bau wurden die Häuser mit Holz gefüllt und von innen gebrannt.
Die Schau im Architekturzentrum gibt noch bis Mitte Februar Einblick in all diese Projekte Kundoos – auch mit Räumen aus Häusern der Architektin, die in der Ausstellungshalle im Museumsquartier nachgebaut wurden. So können Besucher Kundoos Arbeitsweisen sinnlich erfahren.
Ein Nachdenken, das hoffen lässt
Eins zu eins auf österreichische Projekte umsetzen lassen sich die Erkenntnisse und Ansätze der 1967 geborenen Bau-Forscherin freilich nicht. Zu unterschiedlich sind die klimatischen Verhältnisse, der Grad der Standardisierung.
Was die sehenswerte Schau jedoch schafft: Sie regt zum Nachdenken an, animiert dazu, gängige Praktiken in der Bauindustrie zu hinterfragen. Und sie gibt durch diese neue Einfachheit Hoffnung. Darauf, dass die Lösungen für die aktuellen Herausforderungen – beim Bauen und Wohnen – alle schon bereitliegen. Es braucht nur noch den Mut, sie (wieder) aufzugreifen.
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